Wir alle kennen sie, diese Situation, wo man nicht mehr anders kann, als zu fragen: Haben die nicht mehr alle Tassen im Schrank?
Lesen Sie mal diese beiden Sätze:
«Die Basler haben dazumal aufs Dach bekommen», sagt Trüssel. Er betont jedoch, dass der Angriff von den Städtern ausgegangen sei. Dann hat er und ein paar Getreue am „Schlachtendenkmal“ ein Kranz niedergelegt.
Der Herr Trüssel, ein SVP-Landrat, sagte dies am letzten Samstag (wahrscheinlich mit geschwellter Brust) auf der Hülftenschanz, dort, wo der Sarah-Jane-Graben verläuft und vor 180 Jahren(!) eine „blutige Schlacht“ stattgefunden hat.
Herr Trüssel ist ein sogenannter Fusionsgegner und weil ein versprengtes Häuflein von denen gleichentags noch eine Freiheitslinde gepflanzt haben, sind die ernsthaft Meinung, sie hätten die Deutungshoheit darüber, wer denn ein guter Baselbieter sei und wer nicht.
Womit wir beim eigentlichen Punkt der kommenden Auseinandersetzung wären, bei der Deutungshoheit.
Nun mag es ja so sein, dass die oben an der Hülftenschanz noch immer auf einen weiteren Angriff der Basler warten, weil ihnen noch niemand gesagt hat, der Krieg sei längst vorbei. Das ist irgendwie wie bei diesem japanischen Soldaten, der fünzig Jahre nach dem 2. Weltkrieg auf irgendeiner vergessenen Insel noch immer die Stellung gegen die Amerikaner hielt.
Wir hier unten haben schon längst keine Probleme mehr mit den Städtern.
Weil: wir sind Städter!
Wir hier diesseits des Sarah-Jane-Grabens, zum Beispiel in Arlese, fühlen uns als a) Arlesheimer und dann b) als Basler.
Basel ist unsere emotionale Heimatstadt. Jenseits der Grenze sagen wir das auch: Wir kommen aus Basel.
Ich kann zwar diesem nationalistischen oder – noch schlimmer – Baselbieter ich-bin-stolz-darauf-Getue rein gar nichts anfangen.
Aber wenn ich von sogenannten Fusionsgegnern zu einem solcherart Glaubensbekenntnis gezwungen würde, dann sage ich ohne zu zögern: Ich bin stolz auf Basel und ich erachte es als Privileg, meinen Lebensmittelpunkt (beruflich, freizeitmässig, kulturell, emotional) in dieser Stadt zu haben.
Ick bin ein Basler.
Das ist es doch, wozu uns diese Freiheitsbaumpflanzer zwingen wollen: die wollen „uns Baslern“ im Bezirk Arlesheim UNSER Gefühl für Heimat verbieten.
Die wollen uns zu Verrätern, Überläufern, Irrgeleiteten, stempeln. Wer nicht das Baselbieter Lied auf der Lippe trägt und den Siebetupf am Revers, macht sich verdächtig.
Allein: Es wird ihnen nicht gelingen.
Denn die Lebenswirklichkeit bei uns rund um unsere Stadt ist so, wie sie nun mal ist. Da können die noch so viele Gedenkfeiern feiern, Freiheitsbäume pflanzen, Kränze niederlegen, Unterschriften sammeln, Abstimmungen gewinnen.
Wir werden emotional auf Basel nie und nimmer verzichten. Eher trennen wir uns vom Rest oberhalb Prattelns. Könnte man ja mit Aargau oder Solothurn aushandeln.
PS: Herr Trüssel ist auch noch Gemeinderat von Frenkendorf. Das ist eine dieser Oberbaselbieter Gemeinden, die von den Unterbaselbieter Gemeinden mitfinanziert werden (2012: 2.6 Mio. Franken aus dem sogenannten Finanzausgleich) und deshalb in der Rechnung schreiben kann: „Frenkendorf verfügt über einen äusserst soliden und kerngesunden Finanzhaushalt.“
Und das noch: Der Verlauf der Schlacht als PDF
Jakob Rohrbach meint
Geboren in der Stadt, genauer im Gundeli (im Hinterzimmer eines Tabakladens), fühle ich mich hier in Arlesheim mitnichten als Städter. Und das ist gut so. Ich lebe im Kanton Baselland und hoffe sehr, dass dies noch ein wenig so bleibt.
Blacky (für einmal: Ex-Rampass) meint
Ich empfehle allen Berufs-Baselbietern zur Lektüre: „Ein Fall von Elitenversagen“ – den Essay von Jürgen Habermas zur Lage Deutschlands sieben Wochen vor der Bundestagswahl im neuen „Spiegel“. Besser ist die Situation der Rampassen – bis hinauf aufs Bruderholzspital noch nie diagnostiziert und analysiert worden.
U. Haller meint
Ein kleines Glücksmoment, unlängst, in den Ferien. Da komme ich ins Gespräch mit einem älteren Herrn (so um die 80) aus der Ostschweiz und auch mein behinderter Sohn F. stellt sich ihm ganz stolz vor. Er wohne in Arlesheim. Fragt der ältere Herr, wo das denn sei. Im Kanton Basel (haha…), so die Antwort meines Jungen. Ich musste korrigieren und anfügen, dass es zwar der Kanton BL sei, ich mich aber seit Jungendzeiten als Basler fühle und so denke. Meinte darauf der ältere Herr: Ihr seid – sorry! – ja wirklich etwas zurückgebliebene Spinner. Visionen braucht es, grössere Wirtschafts- und Kulturräume, die in entsprechende politische Strukturen eingebettet seien. Die Oberbaselbieter seien etwa ähnlich wie die beiden Appenzell, die sich aus religiösen Gründen spinnefeind sind, in verkrusteten mittelalterlichen Strukturen (sic !) gefangen geblieben. Fazit: Ich, Basler, Wohnsitz BL, lebe nicht im Mittelalter. Viele andere auch nicht.
Siro meint
ich weiss nicht, ob ich etwas gefühlskalt bin: wenn ich als allschwiler von allschwil nach riehen ziehe, müsste ich dann auch das bedürfnis haben, die gemeinden zu fusionieren?
lha meint
Erstaunlich an diesem 180 Jahre Baselbiet Fest (Was für ein willkürliches Jubiläum) sind zwei Dinge:
Die Regierungsräte Weber und Lauber haben an einer Veranstaltung einer politischen Interessensgruppe teilgenommen, die sich bereits im Abstimmungskampf contra Fusionsinitiative befindet. Dem Regierungsrat steht es nicht zu, sich von einer solchen Gruppierung einspannen zu lassen. Erklärung der beiden Jungregierungsräte: Sie seien eingeladen worden, bevor sie im Amt waren. Was für eine selten dämliche Ausrede.
Regierungspräsident Wüthrich hat die EInladung zu Handen dieser Folkloreveranstaltung eine Grussbotschaft zu verfassen angenommen. Das darf er. Er hat diese Aufgabe aber auch nicht mit der gebotenen Neutralität gelöst. Und ebenfalls seine Meinung kundgetan. Wie mittlerweile allseits bekannt haben Trüssel und Co. eine Friedenslinde bei der Hülftenschanz gepflanzt. Wüthrich nimmt dies zum Anlass um auf die historisch bedeutsamste Friedenslinde zu verweisen, die nach dem Mauerfall 1990 vor der Berliner Reichstag gepflanzt wurde. Eine höchst subversive Bemerkung, die aber ihre Richtigkeit hat. Die Linde wird von ihm zum Symbol der Wiedervereinigung umgedeutet. Und natürlich ist die Botschaft, die uns Wüthrich damit übermitteln will, dass er die Separatisten Veranstaltung Mumpitz findet und seine Sympathie den Fusions-Euphorikern gilt. Da müssten Trüssel und Co. die Haare zu Berg stehen. Und die waren noch so blöd und druckten seine subversive Grussbotschaft ab.
Was sagt uns das alles? Die Fusionsfrage spaltet den Regierungsrat offensichtlich. Und dem Gremium geht die Souveränität ab, seine Uneinigkeit in dieser Frage für sich zu behalten. Das wiederum ist ein Zeichen dafür, dass dieser Haufen noch immer nicht und auch nie als Team funktionieren wird. Jeder wurstelt unprofesionell vor sich hin. Am besten wäre es tatsächlich, die Basler Regierung übernähme auch gleich noch das Baselbiet. Die treten nämlich tatsächlich geschlossen auf und haben tatsächlich eine Ahnung, wohin sie mit ihrem Kanton wollen.
merlinx meint
Diese Baselbieter-Patrioten haben einen verklärten Blick auf die Vergangenheit und Angst vor der Zukunft. Sie wissen insgeheim um die Ausweglosigkeit ihrer (finanziellen) Lage und kaschieren dies mit der lächerlichen Pose eines „heldenhaften Widerstand“.
Ich mag Bäume, den Lindenbaum sowieso, darunter lässt sich im Schatten so herrlich träumen und bemerkt nicht, wie sich der Himmel allmählich verfinstert …
Markus Eigenmann meint
In anderem Zusammenhang hat mir am Wochenende eine gute Bekannte aus Wittinsburg BL gesagt: „Ja bei Euch in der Stadt ist das halt anders!“ Wir Birsecker nehmen uns offenbar nicht nur selber als Städter wahr, sondern werden auch von aussen als solche wahrgenommen.
Sahara-James meint
Nun, dann sollte aber der doch so baslerische Teil des Baselbietes (vulgo dr Späggiirtel) halt mal etwas städtischer Wählen als immer nur Webers (Buus) und Laubers (könnte auch aus Ammel sein). Oder habt ihr einfach den Wahlsonntag verpennt, weil ihr wieder bis 5 Uhr uff der Gass ward?
Siro meint
die fusionsfrage hat für mich wenig mit identität zu tun. als allschwiler ist mir die baselbieter folklore fremd. wir gehören wie die anderen gemeinden des birsecks und des laufentals auch erst seit 1815 zu basel bzw. bern. unsere alte heimat war das fürstbistum. wir im birseck haben gelernt, dass herrschaft austauschbar ist. wir haben in einer generation sieben herrschaftswechsel mitgemacht (exkl. der umstürze in paris, als wir zu frankreich gehörten). und es waren wir birecker, die 1832 unseren kanton schafften, nicht die oberbaselbieter, die eher stadttreu waren. darum ist basel-landschaft unser kanton. und weshalb sollten wir birsecker die herrschaft über unser gebiet aufgeben? ganz nüchtern betrachtet, haben wir es uns gut eingerichtet. und ich bin kein anderer mensch, weil bewohner der gemeinde basel in meinem kanton mitreden. ich habe keine lust, 20 jahre eine unnötige identitätsdiskussion zu führen, die weder mich ändert noch in der sache einen nutzen bringt.
M.M. meint
Lieber Herr Imber
Das mit der „unnötigen Identitätsdiskussion“ in Ihrer Argumentation ist Punkt 1 (oder ist es Punkt 2?) der allgemeinen Sprachregelung der sich zunehmend sich einbunkerten Fusionsdiskussionsverweigerer, oder nicht?
Können Sie vergessen. Sie können jedes politische Thema mit dem Etikett „keine Lust“ beiseite legen.
Man sollte sich nur nicht in vergangenen Illusionen wiegen: So ein System wie das Baselbiet ist schneller am Ende als es sich die Leute ausdenken können.
Auch ohne Fusion wird der Kanton Baselland in zehn Jahren nicht mehr der sein, der er heute nocht ist. Man denke nur an die Finanzen (nach neuesten Berechnungen herrschtein strukturelles Defizit von mehreren hundert Mio. Franken), an die von Ihrer Partei seit neuestem bekämpfte Pensionskassensanierung oder an die zentrifugalen Kräfte in den Gemeinden (z.B. Birsstadt) oder an den zunehmenden Druck für Gemeindefusionen.
Und dann sind da noch die beiden implodierenden Parteien FDP und CVP. Während sich die eine in der Wirtschaftskammer zu retten versucht, stürzt die andere führungs- und orientierungslos in die Nichtbedeutung ab.
Kurz, Herr Imber (ich schätze Sie ja), der Kanton Baselland braucht eine Vision, wie es weitergehen soll. Das Zusammengehen mit dem Kanton Basel-Stadt ist für mich die reizvollste Zukunftsaussicht.
Weil sie MEINER Lebenswirklichkeit entspricht. (Wobei nicht nur der Landschaft, sondern auch der Stadt eine politische Blutauffrischung gut täte.)
Siro meint
sie haben die identitätsschiene bei ihrer argumentation aufgebracht. und diese diskussion ist m. e. wirklich müssig (sic), weil sich meine identität nicht nach dem namen und der grösse des kantons richtet, der über mich herrscht. und so geht es im birseck und leimental wohl den meisten menschen in unserem kanton. wir wollen effiziente und demokratische staatliche leistungen, damit hat sich der zweck des kantons weitestgehend erschöpft. und unser kanton ist bei der leistungserbirngung, die wir brauchen, alles andere als überfordert, im gegenteil, sein problem ist, dass er zu viel und zu teuer erbringt. und die fusion ist auf dieses problem wohl genau die falsche antwort.
ja, der kanton basel-landschaft hat eine krise und er ist gewaltig im umbruch. ich erlebe ihn auch als ein echtes generationenproblem. die generation der abtretenden kann mit der generation der antretenden nicht kommunizieren. in der fdp herrscht zwischen den generationen eine gewaltige distanz, weniger politisch als persönlich. (wie sonst im leben erhält die jüngere generation jedoch zuspruch von der generation der grossväter.)
und die krise hat massgeblich auch damit zu tun, dass wir unseren kanton selbst immer in frage stellen. würden wir – wie alle anderen kantone der schweiz – davon ausgehen, dass es uns in zehn jahren auch noch gibt, könnte man endlich mal vorausschauend politisieren. es gibt mittlerweile kein problemchen mehr, bei dem nicht angebracht wird, dass dies mit oder ohne fusion so oder so ausgehen würde. die fusionsdiskussion blockiert politisch inzwischen jede planung. eine mehrheit der politischen kreise in baselland will sogar, dass der kanton scheitert, weil sie sich davon einen einfluss auf die fusionsdiskussion erhofft. wenn es ein ja gibt zur einsetzung des fusionsprozesses, dauert das noch zwanzig jahre so und beide kantone und die 89 gemeinden sind in dieser zeit blockiert. wenn es ein frühes nein gibt, dann können wir uns endlich wieder darauf konzentieren, dass uns der kanton und die gemeinden effiziente leistungen erbringen und uns ansonsten in ruhe lassen sollen.
M.M. meint
Der Kanton Baselland ist nicht wie ein anderer Kanton in der Schweiz. Er befindet sich in einer Identitätskrise, wie Sie zurecht auch feststellen.
Ich sage: das hat damit zu tun, dass die meisten (Unter)baselbieter Klemmschwestern sind, d.h., sie sind Basler aber getrauen sich nicht zu outen.
Übrigens: Sie wäre ein geeigneter Regierungsrat im künftigen Kanton Basel. So altersmässig könnte das bestens hinhauen. 🙂
Und zusammen mit den Kamerädlein von der FDP BS wärt ihr auch nicht so ein unbedeutender 10-Mann-Haufen (nach den nächsten Wahlen).