Wäre ich ein Basler Lokalpolitiker oder, wie Frau Gautschi, jemand, der das werden möchte, dann hätte ich jetzt ein Problem: Ich folge nicht nur „Tichys Einblick“ auf Twitter, sondern ich lese dort immer mal wieder einen Beitrag.
Und finde diese meistens klug geschrieben und bin öfters derselben Meinung.
Dasselbe gilt auch für den Blog „Achse des Guten“. Broder ist mit seinen Antithesen zum Mainstream eine provokante Stimme, der ich schon seit Jahren folge. Lange Zeit auch auf Spiegel Online oder jetzt bei der WELT.
Einen anderen Gründer der Achse kenne ich persönlich von Tagungen zu Medienfragen.
Ich lese die Beiträge auf den beiden Online-Portalen alleine schon deshalb, weil meine tägliche Lektüre – ich kann dem Luxus frönen, die meiste Zeit meines Tages mit Lesen zu verbringen – ein breites Spektrum unterschiedlichster Meinungen umfasst – von links bis rechts und von In- und Ausland.
Auf Twitter folge ich 500 Leuten, die meiner bescheidenen Meinung nach, etwas zu sagen haben.
Meistens.
Nur den Guardian zum Brexit zu lesen, reicht nicht zur Meinungsbildung. Da muss schon auch der Telegraph her. Und in der Mitte zwischen diesen beiden Polen die FT.
Nun kommt also ein gewisser Markus Theunert daher und sagt: Wer diese Blogs und deren Autoren liest und deren Gedanken in sozialen Medien weiterempfiehlt, verstösst gegen „mein demokratisches Gewissen“.
Was darauf hindeutet, dass Thunerts „demokratische Gewissen“ scheinbar der Massstab aller Dinge ist, (in Basel).
Wer die Achse liest und „Tichys Einblick“ interessant findet – dort schreibt übrigens regelmässig auch eine gewisse Tamara Wernli – bewegt sich gemäss Thunerts Moralmasstab am rechten Rand.
Es darf gelacht werden oder, wahlweise, mein Lebensabschnitt-Motto verwenden: Who cares.
(Das einzige, was mich wohl noch retten kann, ist wahrscheinlich der Umstand, dass ich die Weltwoche NICHT abonniert habe.)
Der von der bz gepushte Theunert-Aufreger zeigt sehr schön, dass Ortega y Gasset mit seiner aus der liberalen Mitte getätigten Feststellung wohl nicht daneben lag: Die Rechte und die Linke sind zwei äquivalente halbseitige Lähmungen.
anonymus meint
Herr Theunerts „Leistung“: seine Moralvorstellungen („mein demokratisches Gewissen“ „meine Wahrnehmung“) als Massstab brauchen und mit Finger auf andere zeigen. Die Leistung der bz: die Moralvorstellungen eines Herrn Theunert als Massstab brauchen und mit dem Finger auf andere zeigen. Zusammenhänge konstruieren, die keine sind. Wie armselig ist der heutige Journalismus. Wie schlecht die Geschichten, die von konstruierten, an den Haaren herbeigezogenen Vorwürfen leben. Wieso schämen sich diese Journalisten nicht? (das war jetzt meine Moralvorstellung) Wer ist Herr Theunert, dass er mit seinen Fingern auf andere zeigt?
Markus Theunert meint
Wenn es euch gut tut, meine Intervention ins Lächerliche zu ziehen: geschenkt. Aber zumindest den sachlichen Kern zu treffen, wäre nett: Ich kritisiere die mutwillige Banalisierung des Nationalsozialismus und des Stasi-Regimes durch Frau Gautschi und frage, ob das mit den FDP-Werten kompatibel ist. Die Glosse hier macht sich keine Mühe, sich mit dieser Frage auseinander zu setzen, was wiederum mehr über ihren Autor als über mich aussagen dürfte.
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Offener Brief
Sehr geehrter Herr Urgese
Mein demokratisches Gewissen sagt mir, dass ich Ihnen die Frage stellen muss, ob es mit den Werten der FDP Basel-Stadt vereinbar ist, was ihre Vize-Präsidentin auf Facebook kommuniziert.
Vorweg schicken muss ich: Ich kenne Frau Gautschi nicht persönlich und habe keinerlei Wunsch, ihr zu schaden. Die Sache berührt mich, weil Basel meine Heimatstadt ist. Ich habe aber von den letzten 20 Jahren nur 4 in Basel verbracht, verfolge das regionale politische Geschehen höchstens aus der Distanz.
Ich habe Nadine Gautschi als Regierungsratskandidatin erstmals wahrgenommen und ich vermute, dass sich in diesem Zusammenhang die Facebook-Verlinkung ergab. Am 9. Februar 2020 stach mir ihr Posting ins Auge, das einen Artikel der Rechtsaussen-Autorin Vera Lengsfeld mit mit dem Titel „Hetzjagd auf die Demokratie“ und dem Kommentar „Wenn Politiker und Medien sich von der Demokratie verabschieden“ empfahl. Der Artikel versteigt sich zur Behauptung, in Thüringen sei (mit dem Rücktritt des mit AfD-Stimmen gewählten FDP-Ministerpräsidenten Kemmerich) ein „Putsch gegen die Demokratie“ erfolgt. Ich staunte ziemlich über die krasse Positionierung und dachte zuerst an mangelnde Sensibilität, kurz nach dem Thüringer Wahl-Eklat einen solchen Beitrag zu empfehlen. Das tat ich unter dem Beitrag kund.
Wenige Tage später, am 14. Februar 2020, postet Frau Gautschi einen Beitrag des libertären Alexander Horn von der neurechten Plattform Tichy’s Einblick, der wiederum eine Denkfigur von AfD & Co. verhandelt: die „Aushöhlung der Demokratie durch Desavouierung der Wähler“.
Gestern, 16. Februar 2020, hat Frau Gautschi die Grenze des Akzeptablen dann meinem Empfinden nach definitiv überschritten (siehe auch Screenshots im Anhang), indem sie folgenden Text verbreitet:
„Ich kenne mittlerweile schon so viele Leute, die sich nicht mehr trauen, ihre wirkliche Meinung offen zu politischen Themen zu sagen wegen Diskriminierung oder Verfolgung! Die Angst vor öffentlicher Ächtung lässt sie verstummen. Wir sollten nicht vergessen das war im Nationalsozialismus und in der DDR nicht anders.“
VERFASSER UNBEKANNT
Liberalismus – Freiheit, die ich meine“
Als Person des öffentlichen und politischen Lebens unsere Grundrechte und unsere demokratischen Institutionen mit den autoritär-verbrecherischen Regimes des Nationalsozialismus und der DDR vergleichend in Verbindung zu bringen, ist dermassen schreiend offensichtlich erschütternd empörend unangemessen daneben, dass ich als Bürger und Basler das nicht stehen lassen kann. Ich habe zwar unmittelbar auf den Post reagiert. Aber er berührt eine grundsätzlichere Dimension.
Meine Wahrnehmung: Damit nährt Frau Gautschi ernsthafte Zweifel an ihrer Tragbarkeit als FDP-Mitglied und -Vizepräsidentin. Noch im besseren Fall beweist sie damit einen eklatanten Mangel an politisch-historischer Urteilskraft (falls sie den Vergleich effektiv auch nur für einigermassen angemessen hält und/oder sie nicht einzuschätzen in der Lage ist, welche Akteure und Agenda sie damit unterstützt), im schlechteren Fall einen Mangel an demokratisch-grundrechtlicher Überzeugung (falls sie tatsächlich Angst vor Verfolgung haben muss, wenn sie denn sagen würde, was sie wirklich denkt).
Es ist nicht an mir, eine Forderung an Sie zu richten. Aber ich möchte Sie um eine öffentliche Einschätzung bitten, ob a) konkret ein solches Posting aus Ihrer Sicht für ein FDP-Mitglied akzeptabel ist und b) grundsätzlich ob das Dach der FDP weit genug nach rechts reicht, um Sympathisant_innen neurechten Gedankenguts und ihrer Organisationen – konkret: der AfD – Platz zu bieten. Ich glaube, es ist wichtig für die Wählerinnen und Wähler, das zu wissen.
Mit freundlichen Grüssen
Markus Theunert
PS: Und ja, ich bin mir der Ironie bewusst, dass ich mit diesem offenen Brief genau das tue, was Frau Gautschi befürchtet: wegen ihrer „politischen Meinung“ an den Pranger gestellt zu werden. Aber mit Verlaub: Ein solches Posting ist eben gerade nicht eine Frage der politischen Meinung, sondern viel grundsätzlicher eine Frage der Haltung, des Respekts, der Werte und des Anstands.
M.M. meint
Oh je, kann man da nur sagen, jetzt hat mir der Theunert seinen Mist in meinen Vorgarten geschmissen.
It doesn‘t really matter.
Marc Schinzel meint
Theunert hat jetzt den offenen Brief vom offenen Brief gepostet. Nur mit Frau Gautschi selber hat er noch nie gesprochen. So geht Populismus.
Tim Meier meint
Markus who? Da sucht einer die Bestätigung seines „demokratischen Gewissens“ einzig in der Mainstream-Berichterstattung, limitiert damit seinen geistigen Horizont und macht auf Moralisieren. Solche Leute langweilen.
Marc Schinzel meint
Nach diesem knallharten Outing Ihrerseits bin ich echt nicht mehr sicher, ob ich arlesheim reloaded noch lesen darf.
U. Haller meint
Who cares.
Marc Schinzel meint
Markus Theunert. It doesn‘t really matter.
Bringold Margareta meint
Lesen dürfen Sie, aber kommentieren? Das könnten Sie sich wirklich überlegen.
Marc Schinzel meint
An Ihrem Geburtstag kommentiere ich nicht. Grosses Indianerehrenwort.