Heute lese ich auf BaZ-online einen Hinweis, wonach es bei der Zustellung der gedruckten Zeitung zu Verspätungen kommen könne.
Wer die Zeitung später am Vormittag noch nicht zugestellt bekam, soll sich telefonisch melden.
Man liefere die Zeitung nach.
Jetzt lest diese Sätze nochmals bis hierher. Ich warte.
Unglaublich – oder?
Es sieht so aus, dass die Schweizer – ich meine ausser Toilettenpapier – auf vieles verzichten können, nur nicht auf ihre gedruckte Tageszeitung.
Wir könnten das als sehr positives Zeichen werten, wenn die Leute gerade in einer Krise ihr Lokalblatt als überlebenswichtig erachten.
Doch die Zeitung auf Papier ist ja keineswegs alternativlos.
Es gibt schon seit Jahren andere Wege, sich seine Zeitung zustellen zu lassen, man kann sie online lesen oder als E-Paper runterladen.
Wer am nostalgischen Rascheln von Zeitungspapier partout festhalten will, soll sich einfach mal überlegen, was das für die Frau und den Mann bedeutet, die frühmorgens (bei dieser Kälte) rausmüssen, um bis spätestens sieben Uhr auch dem Letzten seine Zeitung in den Briefkasten gelegt zu haben.
Welch ein Luxus in diesen Zeiten und welch eine Zumutung für die Gesundheit der Zeitungsverträger.
Sehen wir den Tatsachen ins Auge: Lokalzeitungen wie die BaZ und die bz könnten zu den Wirtschaftsopfern des Coronavirus zählen.
Die Tamedia hat Kurzarbeit eingeführt, Media CH wird wohl bald folgen.
Es ist nicht garantiert, dass die Lokalzeitungen selbst in dieser bereits schwer abgespeckten Form überleben werden.
Das Geschäftsmodell der Verlage – Werbung bezahlt den redaktionellen Teil – ist schon längst bachab. Jetzt sind diese Einnahmen vollends eingebrochen.
Niemand weiss, wann und ob die Inserate zurückkommen werden.
Was man hingegen schon jetzt sagen kann, ist das, womit man schon seit Mitte der 10er-Jahre rechnet: Die Printausgaben werden eingestellt.
Weil das ein Kostenblock ist, den man einsparen kann.
Am besten, man stellt sich als Leser/in schon jetzt darauf ein.
Und verzichtet aufs Papier.
Michael Przewrocki meint
In Klopapiernot ist die Zeitung zwar letztes Mittel aber doch gefährlich. Die NZZ Wochenendausgabe ist sehr gut gemacht. Aber ich vermute die wird seit Jahrezehnten oder seit eh und je von den Rei-und Superreichen millionisiert.
Henry Berger meint
…zeigt sich hier nicht das Problem, dass grosse Teile der Generation 70+ in der Schweiz funktionale Digital-Analphabeten sind? Wie gross ist der Anteil der Smart-Phone-User in dieser Altersgruppe? Dazu kommen dann halt noch jene, die zwar ein Smart-Phone haben, aber damit nur telefonieren (können). Ich habe den Eindruck, dass dies z.B. in Skandinavien oder in den Niederlanden weit weniger der Fall ist.
…und genau diese digital „unberührten“ warten dann halt auf ihre Raschelzeitung.
Henry Berger meint
hier eine Zahl die ich gefunden habe: Anteil Smart-Phone-Besitzer Alter 70+ = 21%
Ich gehe davon aus, dass diese Zahl mittlerweile gestiegen ist, aber es wohl immer noch deutlich weniger als 50% dieser Generation sind.
Henry Berger meint
21% wurde im Jahr 2018 ermittelt
Hyoscyamus meint
Am Morgen mit dem iPad auf dem WC sitzen ist haptisch und emotional einfach nicht dasselbe wie mit einem schönen, bunten, knisternden Bund einer Zeitung…
Thomas Zweidler meint
Mein Vater freut sich jeden Morgen auf die Zeitung.
Es ist seine einzige Freude, noch.
Wenn sie nicht käme, schön kann er anrufen und ein Mensch ist am Telefon.
Zusteller ohne grosse Ausbildung gibt es schon seit Jahren, sie sind froh um den Zusatzbatzen, dass weiss ich von mir selbst.
Und mein Vater kann nicht E-Lesen oder was runterladen, weil er keinen Computer hat, so wie viele Ü80 jährige.