Ich finde es aus einem einzigen Grund gut, dass diese Masseneinwanderungsinitiative angenommen wurde: Weil wir jetzt in den finalen Kampf mit Herrn Blochers SVP steigen müssen.
Denn jetzt ist fertig lustig. Jetzt geht es tatsächlich um die Zukunft des Landes.
Diese finale Auseinandersetzung hat sich schon länger abgezeichnet. Die Linke meinte, wenn man Herrn Blocher aus dem Bundesrat kippt, sei die Sache erledigt.
Welch eine Illusion.
Nach diesem Abstimmungsergebnis müssen nun alle Farbe bekennen, in welche Richtung es gehen soll. Und völlig ungewohnt für schweizerische Verhältnisse: Am Ende wird es keinen Kompromiss geben.
Weil es nicht um politische Positionen geht, sondern um Werte.
Wir befinden uns in einer Wertediskussion, in einem Ringen um europäische Werte. Was die Masseneinwanderungsinitiative offenlegt, sind nicht unterschiedliche politische Positionen, sondern völlig unterschiedliche Wertvorstellungen.
Zu den europäischen Wertvorstellungen gehört die Niederlassungsfreiheit.
In Europa bestimmt nicht der Staat darüber, wo ich mich niederlassen und arbeiten darf, sondern diese Entscheidung ist allein mir überlassen.
Weil es sich um ein auch für Schweizer nicht mehr wegzudenkendes Grundrecht handelt, bestimmen nicht mehr „die in Bern“, wo ich als Staatsbürger wohnen und arbeiten darf. Deshalb sorgt die Politik dafür, dass ich dieses Grundrecht ausüben kann.
Erst jetzt kommt die EU ins Spiel.
Damit mir dieses selbstverständliche Grundrecht eines Europäers gewährt werden kann, – es bestreitet ja wohl niemand, dass es sich bei schweizerischen Staatsbürgern ebenfalls um Europäer handelt – braucht es Regeln.
Es geht also in der anstehenden Diskussion gar nicht in erster Linie darum, wieviele Ausländer die Schweiz reinlässt. Selbst SVP-Vertreter werden nicht müde, zu betonen, dass die Forderungen der Wirtschaft erfüllt würden. D.h., es wird sich nicht viel ändern.
Ändern wird sich jedoch die Situation für die Schweizer.
Ein wie auch immer gestaltetes Masseneinwanderungsgesetz ist in Tat und Wahrheit ein Ausreiseverhinderungsgesetz für Schweizer.
Die SVP will wieder hohe Hürden für diejenigen errichten, die sich für ein paar Jahre im euorpäischen Ausland aufhalten möchten. Was sich in erster Linie gegen die Tüchtigen und Jungen richtet.
Dies entspricht durchaus der Logik und dem Empfinden eines grossen Teils der Schweizer. Die sollen doch da bleiben, bei uns ist es doch gut genug, lautet die gefühlsbetonte Ansage.
Doch nicht zu unterschätzen sind handfeste wirtschaftliche Intentionen.
Angesichts der demografischen Entwicklung, gepaart mit restriktiven Niederalssungsgesetzen für Ausländer, wird sich das Land gezwungen sehen, Schweizer an der Ausreise zu hindern.
Ein Hirngespinst? In zehn, zwanzig Jahren ist die Schweiz (und Europa) derart überaltert, dass man um jeden unter 30 kämpfen wird, der gewillt ist, die Ärmel nach hinten zu krempeln.
Nein, ich bin froh, dass wir nun endlich auch in der Schweiz eine europäische Wertediskussion führen werden. Sie ist DIE Chance für ganz neue Kräfte, für neue politische Gesichter, für die aktive Generation.
Am Ende des Weges wird eine erneute Abstimmung stehen.
Der Bundesrat, das Parlament, werden gar nicht anders können, als den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern ein Gesamtpaket vorzulegen: Die bilateralen Verträge gegen die Aufkündigung der Personenfreizügigkeit.
Ich bin sehr zuversichtlich, dass sich die Schweiz für Europa entscheiden wird.
Denn die Diskussion ist auch so etwas wie ein Fortbildungskurs für Schweizer in Sachen Verhältnis der Schweiz zur EU.
Vielen wird zum ersten Mal klar werden, wie eng dieses Land mit den anderen Ländern schon verknüpft ist und was es tatsächlich bedeutete, dieses bereits eng geknüpfte Netz zu durchtrennen.
Alice Gabathuler meint
Nachdem ich mich gerade durch einen grässlichen Wulst an jenseitigen Kommentaren auf tagi-online gelesen habe, sehe ich diesen Diskussionen nicht gerade optimistisch entgegen.
falk meint
Die Qualität der Kommentare auf anderen Kanälen lasst die schlimme Vermutung zu, dass ein Grossteil der Ja-SagerInnen schlicht nicht verstanden haben, was sich n den Bilateralen Verträgen hinter dem Punkt ¨Beseitigung technischer Handelshemmnisse¨ versteckt. Oder anders herum gefragt: Warum kommen Pharmawirkstoffe, Hüftgelenke, Zahndübel oder die Daten für zulassungsrelevante Pflanzenschutzmittelstudien nicht schon seit 10 Jahren aus China sondern aus der Höchstlohninsel Schweiz?
Es liegt schlicht an der gegenseitigen Anerkennung der Konformitätsbewertungen, die der Schweiz gewährt weerden
gotte meint
es zeichnet sich immer mehr ab: die svp zielt weniger auf die bilateralen als man meint. die momentanen meinungsäusserungen zielen vielmehr direkt auf die emrk (art. 8, aus dem das recht auf familiennachzug folgt).
peter meint
M.M. heisst das nun mit den woelfen heulen ? Das ganze theater der auslaendischer politiker, kommt doch aus angst. Sie fuerchten sich ihre „waehler“ koennten aehnliches fordern. Volksabstimmungen statt unverbindliche befragung zum beispiel. Heute duerfen sie alle paar jahre ein kreuzchen malen, was, wenn das volk ploetzlich mehr will ? Hier wurde doch die macht des volkes ohne zu werten ob richtig oder falsch fuer alle nicht schweizer bestens demonstriert.
Doch in einem werden sie wohl recht behalten, in naechster zeit wird ueber das thema wieder abgestimmt und abgestimmt und wieder abgestimmt bis es passt.
M.M. meint
Ich habe überhaupt keine Angst. Vor was auch. Ich bin eh out of the game.
Schauen Sie, es ist doch so: Brüssel interessiert sich für die Schweiz etwa so stark, wie, sagen wir, Zürich für Basel.
gotte meint
…oder duggingen für bettwil (für die einfache bevölkerung).
Siro meint
bättwil (für die weniger einfache bevölkerung)
gotte meint
nein, herr imber, ich schaue über den tellerrand und möchte wie mm auch gemeinden vergleichen, die um die 100km auseinanderliegen, deshalb ganz bewusst: bettwil (beim hallwilersee)…
Siro meint
für bettwil interessiert sich nun wirklich niemand, bei bättwil wäre das ganz anders gewesen.