Bosnien, Irak, Afghanistan und jetzt Libyen, „der Westen“ mischt sich ein. Aus einer Position der vermeintlichen Schwäche.
Die vermeintliche Schwäche zeigt sich zum einen in den langwierigen Diskussionen, die nötig sind, bis endlich eine Entscheidung gefällt wird. Und ist die Entscheidung dann gefällt, beginnen die Diskussionen wieder von vorne.
Es gibt „im Westen“ keinen Führer. Im Westen kann jeder mitreden. Der Streit um Positionen ist westlich.
Es gibt noch einen zweiten Umstand, der „den Westen“ schwach erscheinen lässt: Die Menschen im Westen können nicht hinnehmen, wenn Diktatoren ihr eigenes Volk dahinschlachten. Sie ertragen das nicht, wenn es derart offensichtlich vor ihren Augen geschieht.
Doch sie ertragen es nicht mehr, wenn ein Eingreifen eigene Opfer fordert. Und sie ertragen auch keine Kollateralschäden, wenn eingegriffen wird.
Die demokratische Diskussion, Empathie für geschundene Völker, der Unwillen, eigene Opfer zu bringen, die Empörung über Kollateralschäden – das wird als Schwäche ausgelegt.
Doch genau das ist es, was die Überlegenheit des Westens ausmacht. Weil es sich in ihrer Summe um eine universalisierbare Maxime (Kant) handelt, entwickelt aus einer viertausendjährigen westlichen Geschichte.
Was wir jedoch erneut diskutieren müssen, ist ein Thema, das uns im Westen ebenfalls seit der Antike umtreibt: Der Tyrannenmord.
Es ist an der Zeit, auch diesen zur universalisierbaren Maxime zu erheben: Ja, es ist legitim, es ist gerecht, einen Tyrannen zu ermorden. Kompromisslos, mit allen Mitteln.
Dies ist nun mal die historische Erfahrung „des Westens“ der letzten viertausend Jahre.
Tilman Haerdle meint
Der Westen nimmt sich heraus, seine Wertevorstellungen anderen Kulturen aufzuoktroyieren. Das passt leider nicht immer. Und „Tyrannenmord“ klappt nicht immer so, wie man sich das vorstellt. In Tom Clancy-Büchern funktioniert das mit chirurgischer Präzision, aber die Handlung endet dann meist. Der Irak ist das beste Beispiel dafür, wie dreckig es wird, wenn der Tyrann erstmal weg ist.
Ich will damit nicht sagen, dass jede Einmischung schlecht ist. Aber keine Einmischung ist sauber, ethisch 100% korrekt oder ohne Folgeschäden. Die meisten „Gutmenschen“ denken sowas einfach nicht zu Ende.
Markus Saurer meint
Nachtrag: Für mich ist auch Hugo Chavez ein Willkürherrscher, der vor ein Gericht gestellt werden müsste.
Markus Saurer meint
Ein hervorragender Beitrag.Da aber nicht immer ganz klar sein dürfte, wer der Tyrann ist und wer ihm folgen wird, sollten Leben und Eigentum der Menschen geschützt und nicht unbedingt die Tyrannen ermordet werden. Und wer Leben und Eigentum von Menschen antastet, der gehört gerichtet und nicht unbedingt getötet.
Mittelmass meint
Aus „Twitter statt sechste Flotte“ (http://arlesheimreloaded.ch/2011/03/10/twitter-statt-sechste-flotte/):
„Wie war das nochmals beim ersten Golfkrieg und den Babys in den Brutkästen in diesem Kuwaiter Spital? Danach setzten sich die Amerikaner und ihre Verbündeten in Bewegung.“
Der „Westen“ ist schwach, weil in ihrer Summe die Gutmenschen entscheidend sind. Man muss den „Westen“ mit oben genanntem überzeugen einzugreifen. Es reichen die offensichtlichen Gründe nicht, leider.
Dies ist aber nicht die schwäche des Westens, wie Sie es oben sehr gut beschreiben, sondern ihre einzelnen Bürger wissen nicht mehr was Freiheit und Wohlstand heisst weil sie schon lange nicht mehr darum kämpfen mussten.
Die Osteuropäer wissen dies, aber wie lange noch?
Das Putin jetzt das westliche Eingreifen in Libyen als Kreuzzug bezeichnet und hier noch auf Veständniss stosst sagt ja schon alles.
Auf diese „Nie wieder“-Parolen gebe ich nichts. Im Ernstfall kann man diese Friedensträumer vergessen.