Diese Kolumne, man möge mir verzeihen, weil das sonst nicht meine Art ist, ist eine einzige Provokation, weil: Ich halte Hans-Peter Wessels für einen der besten Regierungsräte, den Basel in den letzten Jahrzehnten hervorgebracht hat.
Und Wessels ist besser als die meisten seiner Vorgänger im Baudepartement.
Er ist selbst einem Christoph Stutz überlegen, den man Anfang der 90er-Jahre als Hoffnungsträger in die Regierung wählte, weil man meinte, dass einer, der sich als CEO versteht, ein Departement mit über tausend Mitarbeitern besser führen könne, als jemand, der den Stallgeruch des langgedienten Politikers verströmt.
Ein Irrtum, der schon nach der ersten Amtszeit vom Volk korrigiert wurde.
Hans-Peter Wessels ist deshalb einer guter Regierungsrat, weil er politisch denkt und handelt. Er ist damit unter denen, die sich Politiker nennen, ein selten gewordenes Exemplar. Für die meisten ist das Regierungsamt einfach ein gutbezahlter Job.
Politisch handeln bedeutet, dass man Konflikten nicht ausweicht, ja diese auch bewusst provoziert.
Ich meine, wenn man praktisch alle gegen sich hat und dazu noch die BaZ, dann ist das ein deutliches Zeichen dafür, dass man seine Arbeit nicht als CEO-Job versteht, sondern eine politische Agenda verfolgt.
Wenn es also ein Politiker in diesem exponierten Spitzenjob schafft, sich gleichzeitig mit den Autoverbänden, dem Gewerbeverband, den Sozialdemokraten, den BastA!-Grünen, der SVP, der FDP, der LDP, der CVP und auch mit denen, die mir jetzt gerade nicht in den Sinn kommen, anzulegen und er dennoch im Amt bleibt, um seine Nummer durchzuziehen, ohne die Nerven zu verlieren wie Stutz damals kurz vor seiner Abwahl, dann ist das, geneigte Leserschaft, eine politisch reife Leistung.
Was mir, ich kann nicht anders, Respekt abnötigt.
Es ist auch nicht einfach, heutzutage. Denn Politiker mögen es, das, was ist, einfach fortzuschreiben. Weil sie meinen, das berge das geringste Risiko.
Für sie.
Zum Beispiel die Sache mit dem Gundeli-Tunnel, der 2030 realisiert werden soll. Für Politiker in einer galaktisch fernen Zukunft. Wenn also die Automobilverbände und die Bürgerlichen Herrn Wessels Beifall spenden und Vertreterinnen der SP und so Buh rufen, dann deutet das auf einen gemeinsam geteilten, beschränkten Horizont hin.
Weil sie von Autoverkehr reden statt von Mobilität und Schnellstrassen visionieren statt urbanes Leben.
Tunnels des Jahres 2030 sind keine unterirdischen Strassenverbindungen, sondern Versorgungsstränge für die weitgehend verkehrsfreie Stadt an der Oberfläche.
Wer ein Bild braucht: Es handelt sich um eine Art Rohrpostsystem für autonom gesteuerte Fahrzeuge. Weshalb es nicht nur Ein- und Ausfahrten braucht, sondern auch Liftsysteme, welche die computergesteuerten Waren- und Passagiertransporter an verschiedenen Orten an die Oberfläche bringen.
Die Zukunft gehört nicht den kollektiven Transportsystemen wie Strassenbahnen und Bussen – die stossen gerade eben an die Grenze ihres Wachstums –, sondern individuell abrufbaren, autonom gesteuerten Fahrzeugen.
Und den E-Bike-Fahrern.
Deshalb hat Wessels auch damit recht: Mit Denkverboten verstellt man sich den Blick auf die Zukunft.
Dies gilt nicht nur für den Gundeli-Tunnel, sondern auch für das Herzstück. Statt einer S-Bahn-Linie kann man sich auch dieses als unterirdischen Strang für autonom gesteuerte Fahrzeuge denken.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 18. April 2018
U. Haller meint
Eine Provokation? Dann lese man nur einmal Wessels Leserbrief in der BaZ vom 19.4.2018: »Ich bin sehr froh über diese Übernahme. Damit kommt die BaZ wieder in seriöse Hände. Wir mussten die tägliche Blocherpropaganda lange genug ertragen und ich bin zuversichtlich, dass aus dem Blatt wieder eine seriöse Tageszeitung wird.« Das ist zum einen eine bodenlose Frechheit und zeigt zudem auch das wahre Gesicht eines Wessels auf. Ob er »ein guter Regierungsrat« (Zitat MM) sei, überlasse ich dem Urteil der werten Leserschaft. Mein Eindruck ist es jedenfalls nicht.
Karl meint
Interessante Analyse. In Sachen Untergrund Verkehr könnte man aber auch die These wagen, dass wenn dann alle elektrisch fahren (Lärm ist dann Vergangenheit) und erst noch autonom herumkurven (keine Unfallgefahr mehr), dann der Verkehr auch nicht mehr als Moloch wahrgenommen werden dürfte, wie dies heute der Fall ist. Ergo auch ein günstigerer Verkehr (ohne Tunnels) mit wenig Emissionen denkbar ist, oberirdisch geführt. Oder etwa nicht?
M.M. meint
Es geht um die Stückzahl. Obwohl die „Autos“ weniger stehen als rumfahren werden – sharing.
Ich muss vielleicht noch ergänzen, dass dieser Gundelitunnel und alle anderen nicht mal fürs Jahr 2030 gebaut werden, sondern für den Verkehr des – sagen wir – Jahres 2060 gedacht werden sollten.