„Schön zu lesen, dass es noch andere Milliardäre als den Blocher gibt, welche die Sache etwas differenzierter sehen.“ schreibt Rampass in seinem Kommentar zu meinem gestrigen Post.
Er ist mit dieser Meinung nicht allein.
Bei den CH-Medien schreiben Senfgeber*innen zum Engagement der Milliardäre gegen das Rahmenabkommen von „Hoffnungsschimmer“, „guter Entwicklung“, „Morgenröte“, „Bravo!“ und „Besten Dank an die 3 Herren“.
Ich denke, angesichts solcher Art der Zuneigung „der Bevölkerung“ kriegen die drei Finanzjongleure und ihr Referendumsgeschäftsführer die Schnappatmung.
Vor Freude.
Beantworten wir also die von Baresi gestellte Frage: „Sie wollen politischen Einfluss, OK. Aber warum beim Rahmenabkommen und mit welchem Ziel?“
Was wir einleitend ausschliessen: Sie tun es nicht, weil sie Angst um die Schweiz haben.
Sie fürchten um ihr Geschäftsmodell. Und träumen von einer Offshore-Schweiz.
Ihre Finanzboutique nach angelsächsischem Muster, die Partners Group, hat weltweit 96 Milliarden USD investiert, in Unternehmen und Immobilien.
Sie ist damit einer der grössten Private Equity-Unternehmen Europas.
96 Milliarden, das sind 34 mal das, was die Regierung des Kantons Basel-Stadt für dieses Jahr budgetiert.
Womit wohl jedem klar wird, dass wir es nicht um besorgte Bürger wie du und ich zu tun haben, sondern um eine geballte Finanzmacht.
Warum engagieren sich also die Gründer der Zuger Finanzboutique gegen das Rahmenabkommen?
Die Antwort ist im Beitrag der CH-Medien gleich mehrfach zu finden: Mit dem Rahmenabkommen „übernehmen wir automatisch europäisches Recht“.
Um diesen Satz richtig zu deuten, muss man sich nicht die Krümmung der Banane sorgen, sondern die aktuelle Finanzmarktentwicklung in der EU betrachten.
Wie es der Zufall so will, hat gestern das Europäische Parlament die Irin Mairead McGuinness zur neuen Kommissarin für Finanzmärkte gewählt.
Eines ihrer wichtigsten Ziele, hat sie gestern angekündigt, ist die Abhängigkeit der EU vom Finanzzentrum London herunterzufahren.
Sie wird, schreibt die FAZ, wichtige Weichen stellen müssen, „damit Europa eine finanzielle Infrastruktur bekommt, die unabhängig von London funktioniert.“
Im Klartext: Sie wird emtsprechende Regeln durchsetzen. Und damit für die Briten (die Schweizer und andere) neue Hürden für den Marktzugang errichten.
Das heisst, mit dem Rahmenabkommen müssen Finanzdienstleister und Banken in der Schweiz automatisch Rechtsanpassungen vornehmen.
Wahrscheinlich auch ohne, will man sich den Zugang zum EU-Markt sichern.
Hat Otto Normalverbraucher in der Schweiz (und anderswo) in seinem konkreten Alltag deswegen etwas zu befürchten?
Nein.
Bereitet diese Aussichten Finanzmanagern Bauchgrimmen?
Ja.
Weil das Brexit-Beispiel zeigt, dass die EU nicht gewillt ist, beim Kapitalbinnenmarkt Kompromisse einzugehen. Weder für die Briten noch für die Schweizer (und andere.)
Um zu illustrieren, um welch gigantische Summen die EU gewillt ist, zu kämpfen: Im August sind in London 60 Prozent der europäischen Anlagegelder gehandelt worden, Transaktionen von täglich 7,6 Mia. Euro.
„More than half of stock trading in London is at risk of shifting to Europe“, schreibt die Finanzial Times über die Aussichten des Finanzplatzes London.
Das Zauberwort für die Aufrechterhaltung des Status quo: Äquivalenz.
Was nichts anderes bedeutet, als die Übernahme der EU-Spielregeln, festgelegt in einem Freihandelsabkommen oder eben in einem Rahmenabkommen.
Ich gehe mal davon aus, dass die CH-Medien am Ball bleiben und demnächst schreiben, wer sonst noch beim Partners Group-Komitee mitmacht.
Dann kann man über die Motivation dieser Leute weiter diskutieren.
PS: Morgen schreibe ich über eine andere eigenartige Gruppierung, welche schon 2014 sich zum Ziel gesetzt hat, das Rahmenabkommen zu bekämpfen, egal wie verhandelt wird. Mitglied ist der Präsident einer Bundesratspartei und, man staune, ein amtierender Bundesrat.
Baresi meint
Interessante Ergänzung. Wenigstens geht es «nur» um wirtschaftliche Eigeninteressen und nicht um den Glauben. Ob CH-Medien am Ball bleiben sehen wir dann. Vielleicht sind die Werbegelder der Abstimmungskampagne dann doch wichtiger.