Von Gerhard Schafroth, Landrat glp
In Baselland sollen die Krankenkassenprämien 2015 wieder um 5% steigen. Für untere und mittlere Einkommen ist das die glatte Katastrophe. Die Krankenkassenprämien erreichen damit für manche Familien das Niveau ihrer Wohnungsmiete. Bei der ersten unerwarteten Zahnarztrechnung beginnen die Albträume. Bei Nichtbezahlen der Krankenkassenprämien droht die ganze Familie in einen versicherungslosen Zustand zu fallen.
Lässt sich gegen diese Prämienexplosion denn gar nichts unternehmen?
Doch, es lässt sich.
Rund 50% der Krankenkassenprämien fliessen nämlich in die Spitäler zur Begleichung der Rechnungen der behandelten Spitalpatienten. Eine Senkung der Spitalkosten bewirkt somit eine Senkung der Krankenkassenprämien.
Für die Festlegung der Spitalkosten ist im Wesentlichen der Gesundheitsdirektor, in Baselland also Thomas Weber, verantwortlich.
Dazu muss man wissen, dass bei der Verselbständigung des Kantonsspitals 2011 umfangreiche Berechnungen über das zu erwartende Preisniveau im Spital angestellt worden sind. Der damalige Regierungsrat Zwick versprach, dass die Baselbieter Spitäler die Patienten recht kostengünstig, d.h. zu einer durchschnittlichen Fallpauschale (Baserate) von etwa 8.400 Franken, das besonders gut aufgestellte Liestaler Kantonsspital sogar zu unter 8.000 Franken behandeln könnten. Dennoch hält Regierungsrat Thomas Weber bisher stur an der exorbitant hohen Baserate von 10.130 Franken fest. Damit sorgt er für so viel Geld im Kantonsspital, dass dieses die unrentablen Betriebe Bruderholz und Laufen ohne Neuausrichtung problemlos weiter durchseuchen kann.
Nun hat am 19. September das Bundesverwaltungsgericht für Zürich die Baserate definitiv auf 9.480 Franken festgelegt. Baselland mit seinen tieferen Löhnen und Raumkosten sollte hoffentlich zu einem tieferen Niveau als Zürich kostendeckend arbeiten können.
Dieses Urteil und die damit völlig neue Rechtslage hinsichtlich des Niveaus der Spitalkosten ist der Grund für meine dringliche Interpellation (Link), die ich heute im Landrat einreiche.
Leidtragende des hohen Niveaus der Spitalpreise sind nämlich nicht nur die geschröpften Prämienzahler sondern auch die gleichzeitig geschröpften Steuerzahler. Diese tragen ebenfalls über die Hälfte der Spitalkosten durch kantonale Spitalsubventionen. Obwohl Baselland derzeit annähernd pleite ist, werden durch die zu hohen Spitalpreise somit auch noch im grossen Stil Steuergelder des Kantons unnötig verbraucht.
Regierungsrat Thomas Weber erhält durch meine Interpellation heute im Landrat allerdings die Gelegenheit, seine Überlegungen zum Ganzen selber darzulegen. Ob wir heute im Landrat nach der Mittagspause, also etwa um 14 Uhr von ihm überhaupt irgendwelche Antworten erhalten, ist fraglich. Dafür wäre nämlich die Zustimmung von 2/3 der Landräte zur Dringlichkeit notwendig und dies dürfte nur schwer zu erreichen sein: Die SVP fürchtet die Spitaldiskussion vor den Wahlen kommenden Februar nämlich wie der Teufel das Weihwasser, da ihr Regierungsrat da bisher keine besonders gute Falle gemacht hat.
Die FDP dürfte ebenfalls eher dagegen sein, weil deren Präsidentin, Christine Frey als Mediensprecherin des Kantonsspitals in einer schwierigen Interessenkollision steckt: Soll sie sich eher für die FDP einsetzen (tiefere Steuern) oder eher für ihren Arbeitgeber, das Kantonsspital (hohe Spitalpreise)? Und auch der SP ist wohl eher für eine grosszügige Spitalfinanzierung mit hohen Löhnen für das Spitalpersonal als für tiefere Krankenkassenprämien der sozial schwachen Prämienzahler.
Lassen wir uns also überraschen, welche neuen Erkenntnisse diese Debatte bringt.
Update 09:25 Uhr M.M.: Matieu Klee vom Regionaljournal Basel lässt mich eben via Twitter wissen, dass der vom Regi gesendete Beitrag „Kantonsspital Baselland unter Druck“ Auslöser für die Interpellation Schafroth ist.
Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Zürcher Spitaltarife abgesegnet hat, fordern Krankenkassen jetzt auch tiefere Spitaltarife in anderen Regionen. In der Region Basel kommt jetzt vor allem das Kantonsspital Baselland unter Druck.
Sissachr meint
Ich rege an, sich einmal das Verhältnis zwischen Spitexkosten und Pflegeheimkosten pro Gemeinde genauer anzusehen. Je tiefer die Spitexausgaben, desto höher die Heimpflegekosten. Leider ist ein entsprechender Schluss auf die von einer Gemeinde jeweils durch die von ihnen sich in Spitalpflege befindlichen Einwohner verursachten Spitalkosten aufgrund nicht bestehender Datengrundlage unmöglich. Ich wette aber eine halbe Franchise drauf, dass der Kanton massiv spart, wenn Gemeinden ihre Spitex ausbauen. Und zwar mehr Geld, als die Gemeinden zusätzlich ausgeben müssten. Nur leider besteht seitens der Gemeinden kaum ein Anreiz dazu….
Chienbäsebärti meint
Wenn die zu führende (gesellschaftliche, soziale und ethische) Diskussion angeblich zu Nicht-Wiederwahlen führt, können wir wenigstens über die finanziellen Belange palavern. Ein Kanton der wie Basel-Landschaft pleite ist, sollte wenigstens eine der desolaten Anstalten (z.B Bruderholz) schliessen. Nicht nur, weil dies der Basler Regierungspräsident in einem Kommentar zur Fuisionsabstimmung gefordert hatte, sondern weil dies ökonomisch vernünftig und gesundheitspolitisch machbar wäre. In dieser überversorgten Region werden aus Prestige-Gründen mindeestens drei Häuser zu viel betrieben. Und Herr Weber, dessen Kraut wohl in einer unbrauchbaren „Eigner-Strategie“ besteht, sollte auch den KSBL-CEO zurückpfeifen und an die Kandarre nehmen. Der schwafelt nämlich von 600 (an andere Spitäler) verlorene Patienten und dem Heimholen abgesprungerer Aerzte. Darüber hinaus ist stolz er auf einen sündhaft teuren DaVinci Operations Roboter. Seine Rhetorik, eine Kombination von Marketing I-Kurs und Generalstabs-Lehre ist pervers und bringt das KSBL nicht auf Kurs.
kardamom meint
„Rund 50% der Krankenkassenprämien fliessen nämlich in die Spitäler…“ -„Eine Senkung der Spitalkosten..“
Geht andersrum aber auch: „Rund 50% der Krankenkassenprämien fliessen nämlich in die Arztpraxen … Eine Senkung der Arzt-Praxis-Kosten…“
Ergo: Schafroths Argumentation ist Rabulistik. Ich empfehle ihm einen Blick in die glp-Positionen, die da sagen: „Wir politisieren sachbezogen und mit Respekt. Nicht nur gegenüber der Natur und den Mitmenschen, sondern auch gegenüber den Finanzen.“
Nun denn, sachbezogen in der Oekonomie – schauen wir uns doch die Pareto-Regel an:
„20 Prozent der eingesetzten Mittel lösen 80 Prozent der Probleme und 20 Prozent der Probleme verursachen demzufolge 80 Prozent der Kosten. “
Bezogen auf den Gesundheitsbereich gilt das leider auch, Helsana hat das 2009 schon geschildert: http://www.tagesanzeiger.ch/10450980
Das BAG zeigt für 2012: http://www.news.ch/Nichtuebertragbare+Krankheiten+kosten+Milliarden/636798/detail.htm
Das Bundesgericht machte 2011 einen zaghaften Anfang: http://www.tagesanzeiger.ch/schweiz/standard/Wie-viel-ist-ein-gerettetes-Leben-wert-/story/26965535 , aber die Politik liess diesen Ansatz unbeachtet.
Was es braucht, aber von jedem Politiker gefürchtet wird, ist eine Diskussion über die ethischen Grundsätze: Wie viel darf eine Therapie unter welchen Umständen maximal kosten? Und: Wo und wann darf die Solidarität gegenüber jenem Menschen, den wir nicht persönlich kenne, enden?
Ich zahle 500 CHF Monatsprämie Krankenversicherung. Demzufolge gehen 400 CHF davon in die Behandlung jener Krankheiten, die mich nicht betreffen. „400 pro Monat als Spende für andere“, oder „400 CHF pro Monat als Absicherung, falls es mich mal treffen sollte“?
Die Diskussion muss eine gesellschaftliche, eine soziale, eine ethische Diskussion sein. Aber eben, jeder Politiker, der sie führen wollte, beschliesst damit seine Nicht-Wiederwahl.
M.M. meint
Den dritten Abschnitt hätten Sie auslassen können, weil unnötig. Der Rest ist okay. Einfach zu den Regeln hier.
Lukas meint
Chronisch Kranke können nun einmal ihre Gesundheitskosten nicht selber decken. Der Anteil der Spitäler an den Gesundheitskosten lag gemäss einer CS Studie 2011 bei 36%, während die Ärtzte nur auf 17.5% kommen. Es ist nur logisch, dass man dort sparen will, wo die meisten Kosten anfallen.