Die Babyboomer kommen ins Alter, wir haben das schon verschiedentlich festgestellt. Was fehlt, sind Vorbilder für diese neue Generation von Überlebenden. Die Entwürfe der vorherigen Generationen für ein Leben im Alter taugen allesamt nichts.
Zum einen weil die Generation meiner Grosseltern gar nicht so alt wurde und zum anderen, weil die Generation meiner Eltern den Lebensabend als Feriencamp für Erschöpfte betrachtete.
Das alles taugt nicht für die Zukunft.
Der Tod von Gunter Sachs rückt ein Szenario ins Blickfeld, das für gegenwärtig rund 115’000 Menschen (8% der Bevölkerung über 65-Jährigen) in diesem Land bittere Wirklichkeit ist: Alzheimer. Bei den über 90-Jährigen sind es gar 30%.
Wenn man wie ich die 60 überschritten hat, wird Alzheimer zu einem durchaus möglichen Zukunftszenario.
Wie also soll man als Betroffener mit dieser Krankheit umgehen?
Ich denke, der Weg, den Gunter Sachs gegangen ist, ist eine ernsthafte Option. Ich habe grossen Respekt vor seiner Entscheidung.
Billo Heinzpeter Studer meint
Hab noch vergessen, auf einen guten, eindrücklichen Schwerpunktartikel hinzuweisen, der kürzlich in der Wiener Zeitschrift «profil» erschienen ist. Der Link hier führt leider nur zum Hauptartikel; einige danebengestellte Porträts sind leider nur im Heft zu lesen.
http://www.profil.at/articles/0610/560/135206/demenz-das-vergessen-alzheimer-volkskrankheit-21-jahrhunderts
Anlass des Artîkels war das in Österreich enorm beachtete Buch des Schriftstellers Arno Geiger über seinen dementen Vater «Der alte König in seinem Exil».
Ich hatte eine Ahnung davon, was Altersdemenz an Bürde für die Nächsten bedeutet, die sich der davon betroffenen Person annehmen – dass es auch lebbar ist und mit Lachen und Freude und Staunen verbunden sein kann, ahne ich jetzt auch.
Mittelmass meint
Habe den Bericht gelesen. Da wird es einem mulmig. Trotzdem Danke für den Hinweis.
Maggie meint
Es braucht ja gar nicht mal Alzheimer. Eine ganz normale vaskuläre Demenz (vulgo Arterienverkalkung) tuts auch; die Folgen und der Kontroll- sprich Autonomieverlust sind genau so verheerend. Ich weiss, wovon ich spreche, da ich meine einzige noch lebende Angehörige, die mittlerweile 91 ist, seit ein paar Jahren bei mir habe und (nebst der Generierung eines vollen Einkommens als selbständig Erwerbende) zuschauen kann, wie schnell und gründlich der Abbau geht. Von wegen Entwürfen, von wegen Ursachenforschung, von wegen Rezepten… Wir sind einfach nicht dafür gebaut, so alt zu werden, ob uns dies nun mittels geistigem oder körperlichem Verfall klar gemacht wird – die wenigen Ausnahmen, die verschont bleiben und mit 100 sowohl physisch wie mental intakt sterben, kann man doch an einer Hand abzählen.
Der Sachs-Weg, egal in welcher Form, ist für mich der anständige und würdevolle. Rechtzeitig, bevor man nicht mehr handlungsfähig ist (das kann je nachdem ziemlich schnell oder aber so schleichend gehen, dass man es nur realisiert, wenn man sich über seinen Zustand ehrlich Rechenschaft abzulegen gewillt ist). Besser kurz, intensiv und erfüllt als ein Schrecken ohne Ende. Für mich persönlich war das schon lange vor Sachs das einzig Akzeptable, und das wird auch so bleiben. Muss ja nicht die Kugel sein. An mir wird die Pflege- und Lebensverlängerungsindustrie allerdings mal nichts verdienen.
Aber natürlich gilt auch hier: chacun à son goût…
Griessli,
Maggie
Michael Przewrocki meint
Eine ganz alte Person meinte sein Rezept sei sich an das Schöne zu halten. Sich am Schönen erfreuen. Das ist leicht gesagt, braucht allerdings auch Nerven wenn alles rundherum brennt. Ich halt mich an die Devise, sich an Kleinem zu freuen, auch wenn die Situation eigentlich besch… ist. Das erste von 10 Geboten des schwerst behinderten Genies Stephen Hawking lautet: Egal wie schlimm es ist, gib niemals auf.
Heiniger Markus meint
Vor Gunter Sachs‘ Schlussstrich ziehe auch ich den Hut. Aber ich ziehe ihn auch vor allen, die ihren Weg bis ans Ende gehen und dabei so frei sind, Hilfe anzunehmen.
Ich war am letzten Donnerstag in Bremgarten auf dem Grab meines vor einem Jahr verstorbenen Bühnenpartners, dem Berner Troubadour und Schriftsteller Fritz Widmer-Hesse. Ja, ganz zum Schluss bleibt uns eh keine Option. Aber seine Tochter Karin hat mir gesagt, sie und ihre Mutter hätten mit Fritz bis zum Schluss auch immer wieder herzhaft gelacht. Die Ärzte hätten bereits die Köpfe geschüttelt. – Heiterkeit nicht ausschliessen bis zuletzt. Das jedenfallst ist für mich (hoffentich) auch mal eine Option.
Michael Przewrocki meint
Ursachenforschung und dann aber auch rasch die nötigen Verbesserungsregeln einführen. Empfehlungen bringen nichts. Es führt leider alles immer zum gleichen Grundübel zurück, der Geldkrankheit.
Billo Heinzpeter Studer meint
Hm, ich komme auf 1,6% der Bevölkerung. Immer noch viel. Aber Selbstauslöschung halte ich für kein Patentrezept. Klüger wär’s, den Ursachen nachzugehen. Dass wir heute länger leben als frühere Generationen, scheint mir keine zureichende Erklärung. Ich würde mal bei unserer Lebensweise zu forschen beginnen: Wie ernähren wir uns? Mit welchen Partikeln umgeben wir uns? Nicht nur Alzheimer, auch manch andere einst eher unbekannte Krankheit hat an Verbreitung zugenommen.
M.M. meint
Die Zahl ist in der Tat falsch. Es handelt sich um 8 % der über 65-Jährigen und nicht von der Gesamtbevölkerung. Adaptionsfehler.