Seit den Enthüllungen von Herrn Snowden ist alles ziemlich öffentlich. Ich meine E-Mail-Verkehr und was sich sonst so tut im Internet. Deshalb das hier – hat uns spät in der Nacht von einem Empfänger der Notiz erreicht:
Betreff: Stellungnahme zu BLPK-Beitrag von Arlesheim Reloaded
Liebe Kommissionsmitglieder
Auf Wunsch von Adrian Ballmer erhalten Sie eine Stellungnahme der Finanzverwaltung zu der auf „Arlesheim Reloaded“ publizierten Geschichte über die BLPK. Es wird moniert, dass darin der Verfasser Manfred Messmer mit falschen Zahlen der Vorstellung einer Luxuslösung vorab für gut verdienende Staatsangestellte Vorschub leistet. Die Replik relativiert diese Aussagen.
Eine gute Zeit wünscht
Markus Kocher
Parlamentsdienst
Wenn ich das richtig verstehe, befasst sich Herr Ballmer in einer seiner letzten Amtshandlungen mit arlesheimreloaded, genauer mit unserem kürzlichen Post „Kippt die Baselbieter SVP diese Woche in Sachen Pensionskassensanierung?“
Wir hatten geschrieben, dass die vorgeschlagene Pensionskassensanierung alles in allem 5 Mia. Franken kosten wird. Überdies würden von den 25’000 Staatsangestellten deren 1’000 überdurchschnittlich von der Sanierung profitieren.
Herr Ballmer ist anderer Meinung. Der aus dem Amt scheidende Finanzdirektor schreibt:
Arlesheim Reloaded: Stellungnahme zum Beitrag vom 19.6.2013 „Kippt die Baselbieter SVP diese Woche in Sachen Pensionskassensanierung?“
Im Beitrag vom 19.6. auf dem Internet-Blog „Arlesheim Reloaded“ werden Zahlen und Zusammenhänge in Bezug auf die Sanierung der BLPK angegeben, welche jeglicher Grundlage entbehren und den Anschein einer Luxuslösung für gutverdienende Beamte suggerieren. Die vorliegende Replik relativiert die gemachten Aussagen und bietet eine objektive Sichtweise zur Thematik.
Im genannten Blog wird geschätzt, dass die Sanierung der BLPK CHF 5’000 Mio. kosten wird. Diese Summe wird offenbar auf die Anzahl der Aktivversicherten aufgeteilt (CHF 300’000) und zusätzlich unterstellt, dass die Pensionskassenguthaben der einzelnen Angestellten um diesen Betrag erhöht werden. Schliesslich wird noch behauptet, dass dieser Wert nur einem ausgewählten Kreis von über „fünfzigjährigen kantonalen Gutverdienern“ zugutekomme.
Gemäss der öffentlich verfügbaren Landratsvorlage zur Reform der BLPK beträgt der total auszufinanzierende Betrag per Ende 2011 CHF 2’320 Mio. Davon entfallen CHF 1‘365 Mio. auf den Kanton. Auch mit Einrechnung von Zinseffekten liegt dieser Wert deutlich tiefer als die geschätzten CHF 5’000 Mio aus dem Blog. Die Verbesserung des Deckungsgrads der BLPK per Ende 2012 aufgrund der guten Vermögensrendite reduziert sogar den auszufinanzierenden Betrag.
Selbstverständlich wird dieser auszufinanzierende Betrag von CHF 2’320 Mio nicht den Sparguthaben der Versicherten gutgeschrieben. Der grösste Teil dieses Betrags (68%) betrifft die Ausfinanzierung der Deckungslücke für die Aktivversicherten und die Rentenbezüger der BLPK. Damit wird sichergestellt, dass die heute gewährten Ansprüche aller Destinatäre der BLPK durch ausreichend Vermögen gedeckt sind (Deckungsgrad von 100%).
Weitere 18% des Betrags werden benötigt, um die Verpflichtungen gegenüber den Rentenbezügern mit den aktuellsten versicherungstechnischen Grundlagen und einem vorsichtigeren technischen Zinssatz zu bewerten. Rund 6% des Totalwerts betreffen die Ausfinanzierung von bereits gewährten Rententeuerungen, welche bisher von den angeschlossenen Arbeitgebern jährlich an die BLPK überwiesen worden sind. Hier verlangt das neue Bundesrecht, dass diese Verpflichtungen einmalig ausfinanziert werden müssen. Sämtliche aufgeführten Kostenelemente sind somit alleine die Folge des neuen Bundesrechts und der notwendigen Anpassungen des technischen Zinssatzes und der versicherungstechnischen Grundlagen.
Damit sind noch knapp 9% des auszufinanzierenden Betrags oder netto CHF 199 Mio als Abfederungseinlage für die Aktivversicherten vorgesehen. Die Reformvorlage der BLPK sieht u.a. einen Wechsel vom Leistungs- auf das Beitragsprimat, die Erhöhung des Pensionierungsalters auf 65 Jahre sowie den Wegfall der AHV-Überbrückungsrente und der vergünstigten vorzeitigen Pensionierung vor. Zudem sollen die Arbeitnehmenden in den nächsten 20 Jahren statt wie heute 40% neu 45% der reglementarischen Beiträge leisten. Von diesen Massnahmen sind alle Versicherten gleichermassen betroffen.
Würde die Planumstellung ohne Abfederungsmassnahmen vollzogen, würden insbesondere für die kurz vor der Pensionierung stehenden Mitarbeitenden die Leistungen deutlich schlechter ausfallen als heute. Dies deshalb, weil das heutige Leistungsprimat auf einer Umverteilung von Beiträgen jüngerer Versicherten zu älteren aufbaut. Umverteilungen sind aber im Beitragsprimat so nicht mehr vorgesehen. Deshalb sieht die Reformvorlage eine Abfederung vor, welche für Versicherte ab Alter 50 diese Einbusse teilweise ausgleicht.
Wer in welchem Ausmass von der Abfederungseinlage profitiert, hängt allein vom Alter und zu einem kleinen Teil von den Dienstjahren ab und nicht von der Lohnhöhe. Ohne Abfederungseinlage beim Primatwechsel würde man gegen Treu und Glauben verstossen bzw. hätte man einen Wechsel auf das Beitragsprimat nicht vollziehen können. Dass wie behauptet die Abfederungseinlage nur den gutverdienenden Versicherten zukommen soll, ist damit falsch und irreführend.
Regula Meschberger meint
Erstaunt stelle ich fest, dass eine „Stellungnahme“ der Finanzdirektion zuhanden der Personalkommission Eingang in diesen Blog gefunden hat. Der Autor des Blogs mag sich damit schmücken, dass sich Adrian Ballmer als „eine der letzten Amtshandlungen“ in „scharfer Kritik an arlesheimreloaded“ übe. Weniger schmuckvoll ist der Umstand, dass ihn diese Information über den Umweg einer Indiskretation erreicht hat und er sich nicht zu schade ist, selbst den internen Mailverkehr (von „Liebe Kommissionsmitglieder“ bis zu „eine schöne Zeit wünscht…“) zu publizieren. Als Präsidentin der Personalkommission distanziere ich mich ausdrücklich von diesem Vorgehen. Es gäbe, gerade für einen Journalisten, andere – wenn auch weniger bequeme – Wege, sich um eine Stellungnahme zu seinen Thesen zu bemühen.
Übrigens handelt es sich beim publizierten Text weder um eine Stellungnahme noch um eine Replik. Dies wäre gegeben, wenn sich die Finanzdirektion damit direkt hätte Gehör verschaffen wollen. Vielmehr handelte es sich um eine interne Information zuhanden der Kommissionsmitglieder – was auch die abenteuerliche Reise der Nachricht erklärt.
Regula Meschberger, Landrätin (SP)
Präsidentin der Personalkommission
M.M. meint
Liebe Frau Meschberger.
Wie naiv muss man eigentlich sein – ich meine im Jahr 2013 und zwei Wochen nach SnowdenLeak – zu meinen, E-Mail sei ein „internes“ Kommunikationsmittel. Und so etwas wie eine vertrauliche Mitteilung.
Jede E-Mail ist mehr oder weniger eine Postkarte Entweder wird sie von den Engländern, den Amerikanern oder eben von Journalisten und Bloggern mitgelesen.
Eine E-Mail mit einem derartigen, sagen wir mal, Unterhaltungswert, wie die von Herrn Kocher jun. ist geradezu ein Paradebeispiel für eine E-Mail, die die Runde macht.
Ich hatte heute zwei Anrufe von Landräten, die das Mail auch bekommen haben und die sind weder in der Finanz- noch in der Personalkommission (ursprünglicher Empfängerkreis).
Aber ich verstehe schon: Sie stellen offensichtlich den Anspruch eines jeden Herrschaftswisslers, nämlich dass Sie unter sich über jemanden quatschen können, ohne dass der das weiss. Polittalk hinter meinem Rücken quasi.
Jetzt ist der Inhalt öffentlich und kann von JEDEM Landrat_In und darüber hinaus zur eigenen Meinungsbildung gelesen werden.
PS: Wahrscheinlich sind Sie auch ohne VPN-Verschlüsselung, ohne Tracker-Blocker im Netz unterwegs und benutzen praktisch überall dasselbe Passwort. Sollten Sie nicht tun. Sie wissen jetzt – die Amerikaner und die Engländer und die gesamte Werbewirtschaft folgen Ihnen auf Schritt und Tritt.
h.s. meint
Sehr geehrte Frau Meschberger,
Besorgt macht mich eher, dass Sie die Kommisionen als Dunkelkammer halten wollen wo man über Stimmbürger lästert ohne denen zu informieren oder zu vernehmen. Es gibt eine obligatorische Volksabstiimmung wo der Bürger ein Recht darauf hat offen informiert zu werden. Sie versuchen intern und vertraulich Stimmung zu machen gegen einzelne Stimmbürger um eine Luxuslösung durch zu setzen. Was bitte sehr verhandeln Sie noch vertraulich in die Kommission über Bürger oder Angestellte, wobei diese sich nicht wehren können weil sie nicht mal angehört werden.
Ich gehe mal davon aus, dass dieses Schreiben von Adrian Ballmer erstellt ist ohne Auftrag oder Anfrage aus die Kommission. Damit ist es eine Stellungnahme des Finanzdirektors. Es lehnt die Behauptungen ab. Dies soll er öffentlich tun und nicht hinter geschlossenen Türe. Er möchte eine Debatte vermeiden.
Fakt ist betreffende Ausfinanzierung:
Die Arbeitgeber müssen 2’320 Mio. in die BLPK einschiessen.
Die versprochene Abschaffung der Staatsgarantie gemäss art 72c BVG verlangt eine Schwankungsreserve von 17% der „Spargelder“ der Staatsangestellten.
Die 2’320 Mio können entweder nicht mit Gewinn angelegt werden oder müssen verzinst werden. Daher gibt es Finanzierungskosten.
Die FKD hat am 26.06.2013 folgende Vorlage mit Kostenfolge in Millionenhöhe der Landrat zur Kenntnisnahme (!) vorgelegt:
http://www.baselland.ch/fileadmin/baselland/files/docs/parl-lk/vorlagen/2013/2013-231.pdf
Darin beziffert Herr Ballmer die finanzierungskosten für die Hauptsumme von 2320 mit ein Betrag zwischen 400 und 1700 Mio. Die 400 Mio gelten, wenn die Hauptsumme in 10 Jahre zurückbezahlt wird (232 Mio pro Jahr). Dies bei ein Kanton zu erwägen, der nicht nur seine Investitionen auf Pump kauft, sondern zu wenig Geld für die laufende gemachte Ausgaben hat, ist sehr positives denken. Wenn wir es in 40 Jahre zurückzahlen, müssen wir schon 58 Mio pro Jahr zurückzahlen. Dann aber gibt es 1700 Mio an zinszahlungen.
Die Schwankungsreserve muss erbracht werden und ob sie erbracht ist, wird nicht politisch sondern auf Grund einer ALM-Studie beschlossen. Nehmen wir eine Schwankungsreserve von 17% auf die gesamte Summe des bestehende Vermögen plus die 2’320 der Ausfinanzierung ergibt dies in etwa 1320 Mio.
Da die Aufhebung der Staatsgarantie eine conditio sine qua non war der SVP und der FDP muss diese auch erbracht werden. Da dafür aber wieder finanzierungskosten anfallen ((1320/2320)*400 oder (1320/2320)*1700) erhöht sich die Summe wieder. also bei der 40 Jahre periode weitere 33 Mio zu amortisieren und zinsen von etwa 967 Mio.
Also: Die 2320 sind nichts anders als den Grundbetrag der Sanierung. Mit ein Ja zur Pensionskassengesetz sagt der Stimmburger aber auch ja zu die übrige Zahlungen. Wenn der Kanton nicht massiv mehr Geld einnimmt reden wir über 2320+1700+1320+976=6’316 Mio
Und dann möchte ich erst noch wissen wo sie die 91 Mio an Amortisationbedarf herholen wollen. Der Kanton müsste ca. 65% übernehmen ergibt in etwa 60 Mio pro Jahr amortisieren. Und das obwohl sie bereits Heute die laufende Kosten nicht mehr finanzieren kann.
Jakob Rohrbach meint
Lieber Manfred
Auch als Nichjurist, dafür als Informatiking. darf ich Dich gerne auf die aktuelle Gesetzeslage hinweisen: E-Mails sind mitnichten öffentlich, auch nicht für Blogger. Die Geheimdienste mögen mitlesen, aber dies tun sie geheim und eben nicht öffentlich (und meist auch nicht legal).
E-Mails sind ähnlich Postkarten und auch ein Postangestellter darf Postkarten nicht einfach so veröffentlichen.
Im Übrigen bezüglich VPN: Mittels VPN lassen sich keine E-Mails übermitteln, vermutlich dachtest Du an Verschlüsselung wie z.B. PGP et all. VPN ist eine Punkt-Punktverbindung bzw. ein Tunnel. Mir ist kein Mailhoster bekannt, der VPN-Verbindungen verwendet, aber auch ich lerne immer gerne dazu 😉
Insofern hat eben Frau Meschberger doch recht.
M.M. meint
Wenn der halbe Landrat die E-Mail bekommen hat, dann ist das öffentlich.
Wenn hier Frau Meschberger auf empört macht, kratzt mich das so wenig, wie vieles andere auch.
Herr Kocher jun. hätte mich ja einkopieren können.