In Deutschland wird heute der „Tag der Einheit“ gefeiert. Kürzlich, in Berlin, haben wir die Reste der Mauer besichtigt, Gedenkaustellung und Gedenktafeln inklusive.
Zwei Schweizerinnen lesen sich gegenseitig eine Inschrift vor und beklagen, wie schrecklich das gewesen sein müsse, diese Mauer mitten durch Berlin.
Aus dem weiteren Wortwechsel der beiden lerne ich, dass sie keine Ahnung haben, wer denn da im Osten geherrscht hat.
Und sie haben keine Ahnung, weshalb es zu diesem Mauerbau gekommen ist.
Ich meine nicht den Kalten Krieg, wie er in diesen Ausstellungen und Inschriften als ursächlich beschrieben wird.
Ich rede davon, dass dieses Berlin das Zentrum des Bösen im Wortsinn war.
Dass von dieser Stadt aus sowohl der 1. Weltkrieg als auch der 2. Weltkrieg angezettelt wurde, dass zwischen 1941 bis 1945 50’000 Berliner Juden in die Vernichtungslager in Polen geschickt wurden, in Gruppen von 40 bis 70 Menschen, in Viehwaggons vom Bahnhof Grundewald aus.
Der letzte Zug ging im März 1945 nach Auschwitz.
Was beklagt man da die paar Mauertoten, die Vertriebenen aus dem Osten, das Schicksal meiner Tante in Rostock, der man jedes Jahr Bohnenkaffee und später ihren Kindern, meinen Cousins, Westjeans geschickt hat.
Man war ja nicht mehr froh, überhaupt etwas zu bekommen, man schickte eine Einkaufsliste.
Ich habe nicht das geringste Mitleid mit denjenigen, welche die Folgen des Nazistaates während 44 Jahren zu erdulden hatten. Das war die Generation der Täter, die getrennt und vertrieben wurde.
Man hat von allem nichts gewusst, ist eine der dreisten Lügen dieser Generation.
1941 lebten in Deutschland noch 150.925 „als Juden definierte Personen“. 1943 waren es noch 15’000, die „man geschont hatte“ oder die in den Untergrund abgetaucht waren. 265’000 Juden hatten das Reich vor der Massendeportation „freiwillig“ verlassen.
Dreiviertel aller Anwälte im Vordeportationsberlin waren Juden.
Die Teilung Deutschlands war nichts anderes als eine gerechte Strafe für eine Nation, die ihrem Führer bis in den Untergang gefolgt ist.
1990, nach 45 Jahren, hatte sich die Strafe erschöpft. Das ist es, an was andere heute denken. Ihnen ist nicht zum Feiern zumute.
PS: Herr Eichmann hat gemäss den Vernehmungsprotokollen gesagt, er habe angeordnet, es dürften keine schwangere Frauen deportiert werden. Sie sollten zuerst niederkommen und ihre Kinder anschliessend die ersten drei Monate stillen. Er sei ja kein Unmensch, sagte Eichmann, schliesslich seien diese ersten drei Monate Stillzeit wichtig für das Kind. Erst danach schickte sie Eichmann ins Vernichtungslager.
quer meint
„Und es war ja nicht ALLES schlecht unter Hitler.“
…sagen Sie. Ich sage das genaue Gegenteil.
„Doch mein Großvater…ist mit Begeisterung in den Krieg gezogen.“
Mein(e) Großva(ä)ter nicht. Er „durfte“ dann Pole werden. Anschließend wurde er und wir alle dann von den Polen „befreit“. Und dann vom Namen, (durch die Nazis) vom Eigentum, dann von der Heimat (durch die Polen), dann vom Reich (durch die Engländer). Auch von allen Urkunden. (Meine habe ich als Schweizer wieder, die anderen nicht). Ich bin mir sicher, nicht nur einer der ältesten, sondern auch einer der befreitesten Familien Deutschlands anzugehören. Einzig vom CH-Pass konnte man mich als „Doppelbürger“ z.B. nicht befreien.
Sind Sie auch so vielfältig befreit worden?
quer meint
„…von dieser Stadt aus sowohl der 1. Weltkrieg…angezettelt…“
Das habe ich noch vergessen: Als Historiker bin ich immer begierig neue Quellen zu erfahren, aus denen ich bisherige Erkenntnisse vertiefen oder gar korrigieren kann. Helfen Sie mir?
M.M. meint
Berlin war seit 1871 Hauptstadt des Deutschen Reiches.
Wenn Sie Historiker sind, muss ich Ihnen den Rest wohl kaum erklären.
Vielleicht nur soviel, dass Deutschland schon 1905 eine 1914 dann umgesetzte Angriffsplanung ausgearbeitet hatte. Es war nicht zuletzt diese Vorbereitung, welche das lokale Scharmützel auf dem Balkan zum Weltkrieg explodieren liess. Stichwort Schlieffen-Plan.
quer meint
Sorry, besagter Plan hat mit der vermeintlichen Tätigkeit des „Anzettelns“ wenig zu tun. Kein seriöser Historiker geht heute davon aus, daß das Reich oder gar Willhelm II den Krieg wollte und auch noch entfesselte. Das war lediglich die Behauptung in Versailles, um D. auszuplündern. Die Folgen sind bekannt.
Weise Politik äußert sich auch (noch heute) darin, den alten Spruch Roms zu beherzigen: Willst Du den Frieden, bereite dich auf den Krieg vor.
M.M. meint
Ja, ja, meine weitläufige deutsche Verwandschaft hat nach dem 2. Krieg auch immer behauptet, sie seien Opfer gewesen, schon immer.
Und es war ja nicht ALLES schlecht unter Hitler.
Wenn nicht Willhelm, dann doch mein Grossvater, der vom KZ, ist mit Begeisterung in den Krieg gezogen.
Der Idiot.
Der kam 1876 in Basel zur Welt, hatte immer hier gewohnt und hätte es sich wohl verkneifen können, für Kaiser und Vaterland mit den badischen Truppen gegen den Erzfeind Frankreich ins Feld ziehen zu müssen.
Meine Familiengeschichte beinhaltet so ziemlich alles, was das 20. Jahrhundert zu bieten hatte. Inklusive meiner Indienreise, was ja auch ziemlich zeitgeistig war.
Rauch meint
Ich bin nicht Rom hörig. Mit Ihrem Schlussvotum unterstützen Sie Milliardenausgaben für neue Kampfjets! Ist das, in unserem Klima wirklich weise Politik? Für mich ist das eher ver-quer Herr quer.
quer meint
MM, Es mag Ihnen zum Troste dienen:
An Deutschland können Sie immerhin komprimiert ablesen, feststellen und schlußfolgern, was Sozialismus in seiner nationalen und internationalen Erscheinungsform anzurichten vermag.
Und damit steht Ihnen offen, auch in CH und sonstwo in der Welt die segensreichen Einflüsterungen der Sozialisten richtig zu bewerten.
Sag‘ ich mal so als Historiker.
Gotte meint
harte, eindrückliche zeilen, die uns in zeiten unseres wahlkampfs, in dem man sich vor allem über die zahl der plakate ärgert, zu denken geben sollten. vielleicht sollte uns auch das schadenfrohe lästern über das nahe scheitern europas und des euros wieder einmal daran erinnern, auf welchem fundament die idee letztlich gediehen konnte. und vielleicht begreift man dann auch, warum die deutschen letztlich nach wie vor alles daran setzen, dass das projekt europa nicht scheitert. und dann kann man sich wieder dem hiesigen wahlgeplätscher zuwenden und sich wundern, welche probleme unser land meint zu haben.
LINDER meint
Ich halte die These auch nicht für falsch, dass der Totalitarismus im Osten die nahtlose Weiterführung desjenigen von 1936-1945 war, mit anderen Fahnen und Phrasen; aber auch die Logik, die Massen-Standarisierung des Individuums herbeizuführen, mit Unterdrückung und Nationalismus/Internationalismus.
Carsten Thumulla meint
Weitergeführt wurden vor allem die Nazis, und zwar im Westen. Diese Weiterführung mag keiner sehen. Und die wirkliche Macht hat nicht das Volk, ebenso wie im Dritten Reich oder in der DDR. Aus der BRD kann man leichter ausreisen, das ist alles.
Und die Schweizer werden sich ihre Naivität bald nicht mehr leisten können. Sie sind ebenfalls unter der Fuchtel internationaler Klubs. Es ist traurig.
Carsten
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„Die Lüge ist doch nur der Stuntman, der die Wahrheit in brenzligen Situationen
vertritt.“ Thomas Richling
M.M. meint
Es gibt nichts zu relativieren.
Ich fühle nichts, wenn ich von der Aussichtsplattform auf die Mauerreste blicke und mir unten auf einer Gedenktafel erklärt wird, die DDR hätten hier die Mauer quer durch eine Friedhof gelegt. Und damit die Totenruhe gestört.
Ich bin erschüttert, wenn ich am Gleis 17 in Grunewald stehe, wo sich kaum Touristen hin verirren, und die Inschrift auf den Stahlplatten lese:
Sie sind eine Deportationschronologie, beginnend mit dem ersten Transport am 18. Oktober 1941 bis zum letzten Transport nach Auschwitz im Februar 1945.
Gerd Ludwigson meint
Ein Schweizer der älteren Generation, der seine schäbige deutsche Verwandschaft verachtet und verdammt. Urteile wie Fallbeile. Gnadenlos, selbstgerecht, an Differenzierungen nicht interessiert.
Mir kommt das bekannt vor. In jungen Jahren bin ich zusammen mit Freunden einige Male in der Schweiz gewesen. Wir waren die Söhne der Nazis. Das war uns bewußt, wenn wir Jungspunde, 17, 18, 20 oder 24 Jahre alt, mit dem Fahhrad oder zu Fuß aufbrachen zu unseren Touren in jenes Ausland, das uns damals in den 60er und 70er Jahren zugänglich war: Frankreich, Holland, Dänemark, Österreich, Italien, die Schweiz. Wir waren jung, voller Fernweh, tatendurstig, wollten die Welt erfahren. Unsere zerstörten Heimatstädte ließen wir gerne für ein paar Tage hinter uns. Und so trieb es uns, die Söhne der Nazis, eben auch in die Schweiz.
Nur in der Schweiz und in Holland sind wir auf offene Ablehnung, Verachtung, ja Haß gestoßen. Wir waren zwar erst in der Nachkriegszeit geboren worden, aber trugen doch das Erbgut unserer Nazi-Mütter und Nazi-Väter. Es gibt nichts zu relativieren. Nach 1945 geboren, waren wir doch Träger der Nazi-Gene und konnten folgerichtig verantwortlich gemacht werden für das Tun und Unterlassen unserer Väter. Die Schweizer und die Holländer jedenfalls kannten da kein Pardon. Es war nicht angenehm für uns Jünglinge, mit Schweizern oder Holländern (sei es der Schaffner im Zug, die Verkäuferin, der Bauer auf dem Feld) in Kontakt zu kommen. Die Welt war aber groß genug, um diese beiden Länder leicht umfahren zu können. Seit 1967 bin ich nicht mehr in der Schweiz gewesen. Es würde mich noch heute dort frösteln.
Herr MM mag mit seinem Haß auf Deutsche und Deutschland weiterleben. Diese psychische Befindlichkeit ist so unheilbar wie der Antisemitismus der Nazis. Ich wünsche ihm, daß er immer gnädige Richter finden möge.
Gerd
PS.: GANZ WICHTIG !!! Ich muß noch hinzufügen, daß wir auch in der Schweiz und in Holland nicht selten auf freundliche und hilfsbereite Menschen trafen. Soviel Relativierung darf dann doch sein, nicht wahr, Herr MM.
M.M. meint
Ich bin in Freiburg i.Br. geboren. Meine Grosseltern sind 1943 im KZ Sachsenhausen umgebracht worden. Aktiver politischer Widerstand.
Als Deutscher in der Schweiz hatte ich den 2. Weltkrieg noch in den sechziger Jahre persönlich verloren. Klar doch.
Henry Berger meint
Tja,Herr Ludwigson – ihr Schuss ist – wie man so schön sagt – nach hinten los gegangen! Eigentlich wäre hier eine Entschuldigung fällig – insbesondere wenn man Ihre Einleitung liesst, in der Sie Herr Messmer bezichtigen, er würde Urteile wie Fallbeile fällen und er sei selbstgerecht und an Differenzierung nicht interessiert! Treffen diese Aussagen nicht gerade eben auf Ihre Ab-„Qualifizierung“ von Herrn Messmer zu?
Mittelmass meint
Ich verstehe nicht, was Sie zu dieser Meinung bewogen hat. Ausserdem verharmlosen Sie damit auch das zweite Epizentrum des Bösen: Moskau. Schade, an so einem Tag so etwas zu lesen.
Carsten Thumulla meint
Ah ja, Moskau war also böse. Bei Stalin mag das noch der Fall gewesen sein. Wer aber wirklich der globale Schweinehund ist kann jetzt jeder sehen, wenn er denn sehen will.
Carsten
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Moral kann man nicht essen.
Markus Machner
Carsten Thumulla meint
Die Satire ist nur schwer zu erkennen. Man sollte den Artikel nochmal überarbeiten.
Carsten
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„Wenn Deutschland wirtschaftlich zu stark wird, muß es zerschlagen werden. Deutschland muß wieder besiegt werden und diesmal endgültig.“
Churchill 1934 zu Heinrich Brüning
Werner meint
Ist es wirklich eine Satire? Oder meint der Autor es vielleicht ernst?