Wir beklagen uns ja immer mal wieder über die schlappe Generation der 35- bis 45-Jährigen, die es einfach hinnimmt, dass noch immer die ins Rentenalter gekommenen 68er in der Politik das Sagen haben.
Weil sie unserer Generation nichts entgegenzusetzen haben.
Es ist die Generation der Unverbindlichen in jeder Lebenslage. Der es-könnte-so-sein-aber-auch-ganz-anders-und-überhaupt-Jungs. Diese angepassten Langweiler, die es in den letzten zwanzig Jahren versäumt haben, mal mit einer neuen Idee auf den Putz zu hauen.
Und sitzen diese Conradin Cramers, Baschi Dürrs, Lukas Engelbergers und so weiter dann doch mal in der Regierung, dann ist das halt eine Karriereschritt gewesen, der genau so gut bei einer anderen Firma hätte eintreffen können.
Wer jetzt meint, zumindest die Jungs von der SVP mit ihren hau-die-Faust-auf-den-Tisch-Parolen hätten noch so etwas wie revolutionären Pfeffer im Arsch, der irrt gewaltig. Die sind derart angepasst und bar jeglicher eigener Idee, dass sie sich ohne Wortvorgabe des 74-Jährigen völlig verloren vorkämen.
DIE ZEIT hat über diese Generation, welche so langsam die Verantwortung für Staat und Unternehmen übernehmen muss, einen lesenswerten Beitrag geschrieben: Generation Null Fehler.
In der Politik heißt null Fehler, nichts als Verpflichtung langer Dauer anzusehen und alles unter Vorbehalt zu stellen. Politikerinnen und Politiker um die vierzig zeigen sich davon überzeugt, dass man diesen anstrengenden Job bis maximal fünfzig machen kann.
Im Grunde genommen, handelt es sich um eine entpolitisierte Generation, die da nachrückt oder vielleicht doch nicht. Weil alles da ist, es nichts mehr zu verändern gibt, im Grunde genommen nur noch der zunehmende Mangel verwaltet werden kann, ist es auch egal, für welche Partei man sich entschieden hat.
Parteien sind nur noch Plattformen zur Selbstdarstellung.
Die in der Wirtschaft tätig sind, können sich unter bestimmten Bedingungen vorstellen, in die Politik zu wechseln. Aber nur auf Zeit und solange man sich auf eine Gruppe von Gleichgesinnten verlassen kann.
Herr Iselin (@Herr_Iselin) meint
Die (Ü45-)Clique der «Durchschnittlichen und Unterdurchschnittlichen» hat den Karren einfach noch nicht tief genug in den Dreck gefahren, als dass die Generation «Null Fehler» sich dazu bemüssigt fühlen würde, intervenieren zu müssen. Es gibt im Moment Wichtigeres.
Sissachr meint
Ich wollte mal als glaubs 30jähriger auf eine Landratsliste. Musste dort aber – aufgrund der Geschlechterquote – über die Klinge springen. Von den damals Kandidierenden hat keiner bleibende Spuren in der Politik hinterlassen. Ohne Landratsmandat kommt man aber nicht in den Kreis der Nationalrats- und Regierungsratskandidierenden. Als Hobby etwas Landräteln – das ist dann aber eher was für ältere Semester, die gerne bei Sprinkonkurrenzen als Ehrengäste Braten mit Härtöpfelstock und Seeli essen gehen. Oder aber man dient sich durch die Parteistrukturen hoch, verliert aber dadurch alle Ecken und Kanten.
Zudem studiert man heute als Mann bis Mitte 26, macht bissl Karriere bis 32, dann macht man Kinder und Häuser und vielleicht noch etwas Aktuariat im Turnverein. Weil die Väter von Heute nicht mehr – wie unsere Väter – nur nach Hause kamen, um die Zeitung zu lesen und die Füsse hochzulagern – fehlen so zwei, drei Abende, um sich in der Politik rumzutreiben. Nach 40 bis 45 muss man dann trotz Mitarbeit im Haushalt die Scheidung verarbeiten und sich eine neue Wohnung suchen.
Frei nach Philip Maloney: „So geht das!“
Urs Gygli meint
Es ist ein altes Spiel der Menschheit, die Nachfolgegeneration als nichtsnutzig zu betrachten; das haben doch schon die alten Chinesen so gemacht, Platon kommt einem dazu auch in den Sinn. Von den Assyrern sollen auch diesbezüglich beschriftete Tonscherben gefunden worden sein.
M.M. meint
Wir diskutieren hier nicht über die Jugend, sondern über die nicht mehr so jungen Jungpolitiker.
Urs Gygli meint
So jung sind wir auch nicht mehr; es ist trotzdem unsere Nachfolgegeneration.
Meury Christoph meint
Wie verzweifelt müssen die Väter sein, wenn sie die kommende Generation herausfordern müssen, sie, die Alten, wezuputschen? Die Ü60-Generation fordert zum rituellen «Königsmord» heraus: Antreten zum Duell!
Dabei ist es in der Politik gerade die 68er Generation, welche vormacht, dass es wenig Erstrebenswertes gibt, welche die «Generation Langweiler» herausfordern könnte. Oder soll es motivierend sein leere Kassen zu bewirtschaften und Probleme aller Art auszusitzen, um möglicherweise ab 40 ins Parlament gewählt zu werden, ab 50 erstmals mit einem Amt Verantwortung zu übernehmen, um vielleicht zwischen 50 und 60 für ein Regierungsamt vorgeschlagen zu werden?
Meinen Sie für die Generation zwischen 35 bis 45 sei es attraktiv abzuwarten bis sich endlich die eine oder andere «gestandene Persönlichkeit», seit gefühlten hundert Jahren in Amt & Würde, bequemt den Sessel zu räumen.
Wir haben doch mittlerweile vatikanische Zustände.
Eine Generation, welche in der Politik die Meinung vertritt, dass ihre Erfahrung unentbehrlich sei und daher eine Nachfolge eigentlich gar nicht denkbar ist, verhindert doch jegliche Perspektiven.
Apropos gestandene Politikerinnen und Politiker: Die meisten mir bekannten Gesichter fallen doch wesentlich durch ein unendliches Beharrungsvermögen und geduldiges Sitzfleisch auf. Taten oder erfolgreiche politische Projekte zählen bei dieser Spezis eher selten zum Leistungsausweis.
Nachwuchsförderung ist der Politik das ultimative Fremdwort. Auch Karriereförderung ist eher passiv gemeint (wer den Betrieb aushält und am längsten sitzenbleibt, kommt nach Jahren weiter…).
Die Jungen werden als Wasserträger eingesetzt (abqualifiziert).
Okay! Den 35- bis 45-jährigen ist vielleicht anzulasten, dass sie diesen Zustand stoisch ertragen. Die Langweiler unter ihnen machen dieses Spiel mit und warten bis ihre Chance gekommen ist, respektive sie angefragt werden, die Anderen haben sich längsten in die Büsche geschlagen und toben sich in der Wirtschaft oder in der Wissenschaft aus. Dort werden ihre Qualitäten und ihr Power noch vor der Vergreisung gefordert und zum Einsatz gebracht.
M.M. meint
Die 68er – ich war keiner – vertraten zumindest politische Positionen. Ich wundere mich einfach, wie angepasst diese neue Politikergeneration ist. Die Gründe hierfür sind in diesem Zeit-Beitrag hübsch aufgelistet. Sind übrigens Thesen, die ich schon länger vertrete.
Aber bitte: Weil wir uns in einem Verteilkampf befinden, um schrumpfende Mittel, sind mir die Schlafmützen schon recht. Wenn ich alle die geplanten Steuer- und Gebührenerhöhungen sehe, dann betreffen mich diese je länger desto weniger, während die 35 – 45-Jährigen voll in die Zusastzkosten gedrängt werden.
Meury Christoph meint
Ich habe «Die Zeit» vom 4. September 2014 auch gelesen. Natürlich sind diese Annahmen & Thesen nicht falsch. Man kann dies auf jeden Fall so sehen. Es ist aber auch tatsächlich so, dass die Welt extrem viel komplizierter geworden ist und es in vielen Fällen keine abschliessende Wahrheit (im Sinne einer ideologischen Orientierungsrichtung) und entsprechend nur den einen gangbaren Weg gibt. Wir leben in einer Welt mit tausend Optionen. Ich kann jeden Moment tausend andere Dinge tun (real und virtuell). Ich lebe parallel in verschiedenen Welten.
Ich sitze mit Ihnen bei einem Glas Wein und stehe quasi Standby mit einem Freund in Kontakt, der mir via SMS mitteilt was er im Begriff ist zu tun, gleichzeitig erfahre ich über Twitter was in der Welt passiert. Ich verpasse einen Film, den ich mir zwei Stunden später anschaue und checke Mails, welche mir vor zwei Stunden mitteilen wollten, was es morgen geschäftlich zu regeln gilt…..Ich hätte auch ins Theater gehen können «Frankenstein», oder zur Eröffnung des neuen Jazz-Campus in der Utengasse, hätte aber auch meine Tochter treffen können und mit ihr ein Bier trinken, usw. Manchmal gibt es einfach zu viele Optionen und ich kann mich kaum entscheiden. Ergo bleibe ich zu Hause und höre Musik.
HopplaDerUrs meint
Mir hat auch der Satz gefallen: „Die kommunikative Offenheit verdeckt eine austernartige Verschlossenheit.“