Dieser Kommentar von Herrn Schinzel ist wirklich gut. Weil er leicht nachvollziehbar die Kluft zwischen ihm und mir aufzeigt.
Und das ist auch gut so.
Es kommt ja nicht von ungefähr, dass ich seit über dreissig Jahren in Sachen Krisenkommunikation für Unternehmen, Verbände und Organisatione tätig bin, bis heute, und er als juristischer Mitarbeiter in einer Amtsstelle in Bern.
Was bedeutet, dass ich mich in der Nahrungskette auf einer völlig anderen Stufe befinde als er.
Seine Äusserung als Ausdruck seines tiefverwurzelten Glaubens ans System und seine FDP ist eine positive Rückmeldung für die Entscheider.
Nämlich die, dass Herr Schinzel als Vertreter einer bestimmten Kohorte noch immer die Nerven behält.
Solche Rückmeldungen, wie die von Herrn Schinzel, zeigen dem Krisenstab, dass die fünfte Stufe der Kommunikationskette (der Klassenlehrer), die aktuelle Botschaft diesen Stakeholdern verständlich rübergebracht hat.
Well done!
Mein Thema ist jedoch ein völlig anderes und richtet sich auch nicht an die fünfte Kommunikationsstufe und deren Empfänger, sondern direkt an die, welche jetzt die schwierigen Entscheide fällen müssen.
Und sich in einem Zustand der permanenten Unsicherheit befinden. Weil man jeden Entscheid so oder auch anders fällen kann.
Es liegt auf der Hand, dass es in solchen Gremien Leute braucht, die zum einen belastbar sind. Zum anderen müssen es Personen sein, die mit ihrer professionellen Erfahrungen, eigenständige Sichtweisen ins Gremium einbringen können.
Deshalb sage ich, es braucht auf Stufe Kanton nicht nur den juristischen, logistischen und medizinischen Blick auf das Corona-Thema, sondern eben auch den politischen, den wirtschaftspolitischen.
Letztere werden umso wichtiger, je länger die Corona-Krise dauert.
Die Aufgabe einer politischen Begleitgruppe liegt nicht im Tagesgeschäft, sondern im frühzeitigen Erkennen von unerwarteten Entwicklungen.
Krisensituationen zeichnen sich dadurch aus, dass sie nicht monothematisch und linear verlaufen, sondern dass immer ein zweites Krisenthema auftaucht, mit dem niemand gerechnet hat.
Und wo der innere Zirkel oftmals gar nicht erkennt, welche Zusammenhänge zur aktuellen Krisenlage sich daraus ergeben.
Dieses zweite Thema kann eine anschwellende Grundstimmung in der Öffentlichkeit – z.B. Verunsicherung, Ausgrenzung von Bevölkerungsgruppen, Arbeitsplatzängste etc. – verstärken.
Dieses zweite Thema ist seit dieser Woche auf der europäischen Ebene die Flüchtlingskrise an der griechisch-türkischen Grenze und auf den griechischen Inseln, wo sich das bislang (ebenfalls) Undenkbare abspielt: Europa ist nicht mehr bereit, neue Flüchtlinge aufzunehmen.
Europa macht die Grenzen dicht.
Es ist die selbe Strategie, wie beim Kampf gegen das Coronavirus: Abschotten und isolieren zum Schutz der eigenen Bevölkerung.
Das ist eine wertneutrale Feststellung. Und klar doch ist das derzeit auf der kantonalen Ebene oder gar auf Herrn Schinzels Stufe fünf kein Thema.
Ein lokalpolitisches Thema ist jedoch die Frage, wo denn am Donnerstag Bildungsdirektorin Monica Gschwind war, als sie einer Untergruppe Coronavirus-Krisenstabs die Kommunikation für den „ordentlichen Schulbetrieb“ von Montag überliess.
Patrick Künzli vom Regionaljournal Basel hat gestern Frau Gschwind erreicht. Sie ist zuhause in Quarantäne, was sie euphemistisch als „Homeoffice“ zu bezeichnen pflegt.
Und warum sitzt die Bildungsdirektorin in Quarantäne?
Weil sie ausgerechnet jetzt in Norditalien in den Skiferien war.
Wie kann man jetzt in Norditalien Ferien verbringen, zumal als Magistratin, die sich seit nunmehr acht Wochen von Amtswegen intensiv mit den Gefahren des SARS-CoV-2 beschäftigen muss?
Werden sich da einige Hörerinnen des Regi gefragt haben.
Vielleicht hat sie einfach nicht gewusst, wo sie hinfährt. Sie sagte dem Regi nämlich, sie sei nicht in Norditalien gewesen sondern in Südtirol.
Mit anderen Worten, sie hat nun gleich zwei Fehler gemacht, die ihre Glaubwürdigkeit untergräbt: Sie fährt nach Norditalien ins Europas Coronavirus-Krisengebiet Nr. 1 in die Ferien, sitzt jetzt in Hölstein in Quarantäne und ist zweitens davon überzeugt, dass es reicht, wenn ihr Krisenstab über Schule ja oder nein kommuniziert.
Das Baselbiet hat sich seine zweite, lokale Krise selbst eingebrockt.
Marcus Denoth meint
„Südtirol ist nicht Italien!“ wird Ihnen jeder Südtiroler entgegenschmettern. Südtiroler sprechen von Südtirol, wenn sie eben sich/das Südtirol meinen oder „von Italien“ wenn sie jemanden/etwas ausserhalb von Südtirol meinen. Sie trennen klar und grenzen sich klar von Rest-Italien ab.
Von dem her ist Frau Gschwinds Kommuniktaion, wo sie im Urlaub war, nicht ganz so verkehrt.
Marc Schinzel meint
Als Angehöriger der sechsten (?) Kohorte – das ist dann wohl das freisinnige Lumpenproletariat – stelle ich wie M.M. fest, dass die Kommunikation vor dem Schulanfang operativ gut funktionierte. Die kantonalen Schulen wie auch meine Gemeinde für die Primarschulen und Kindergärten leiteten rechtzeitig alles Erforderliche weiter. Corona ernst nehmen, aber nicht überreagieren. Panikmodus ist nicht nur unvernünftig, sondern kontraproduktiv, weil Ressourcen falsch gebunden werden. Von Karpfen zu Hecht: Den mit alt StänderätInnen angereicherten Beratungsbeirat finde ich nach wie vor eine Schnapsidee. Wir haben nicht zu wenige, sondern zu viele Beratergremien. Weniger, dafür direkt, ist mehr. Die Regierungsmitglieder in BS und BL sind nicht so weltfern, dass sie nicht zum Telefon greifen oder das direkte Gespräch suchen, um spezifische Einschätzungen einzuholen. Die Flüchtlingskrise an der griechisch-türkischen Grenze ist kein Kommunikationsproblem, sondern ein Politikversagen ersten Ranges, nicht erst seit gestern. Europa hat erstens keine Flüchtlingsstrategie und zweitens überhaupt kein Konzept im Syrienkrieg. Man kuscht seit Jahren vor Russland und der Türkei und spielt Vogel Strauss. Es geht nicht primär um die griechisch-türkische Grenze, sondern um die 12 Millionen Flüchtlinge in der Region (über 3.6 Millionen in der Türkei, mehr als zwei Millionen im Libanon und in Jordanien, weitere sechs Millionen Binnenflüchtlinge).
P.S. an die regionalen Regierungen: M.M. möchte ein Supra-Beratermandat in der kantonalen Krisenkommunikation.
M.M. meint
P.S. an die regionalen Regierungen: M.M. möchte ein Supra-Beratermandat in der kantonalen Krisenkommunikation.
Ach wenn Ihnen sonst nichts einfällt…
Ihr Problem ist halt, dass sie meinen, irgendwie Massstab zu sein. Was ja für die Normalkurve stimmen mag, aber sonst?
Henry Berger meint
Aus Wikipedia:
…
Unter Hochmut (hebräisch גָּאוֹן ga’on; altgriechisch μεγαλοψυχία megalopsychia; lateinisch superbia), umgangssprachlich auch Anmaßung, Überheblichkeit und Arroganz genannt, versteht man seit der frühen Neuzeit den Habitus von Personen, die ihren eigenen Wert, ihren Rang oder ihre Fähigkeiten unrealistisch hoch einschätzen.
M.M. meint
Sagen wir es so: In der Schweiz sind die kollektiven Sensoren fürs Messen der Abweichkurve von der Normallinie extrem sensibel eingestellt.
Die schlagen schon stark nach oben aus, wenn Sätze mit „ich“ begonnen werden.
Ich hatte noch nie etwas für Normalkurvler übrig. Sind ziemlich langweilig, die Typen. Und tragen ausser Bedenken wenig bei.
Also: Who cares?
U. Haller meint
Mit Wikipedia soll man vorsichtig umgehen, werter Henry Berger. Das trichtern auch die Profs ihren Studenten immer wieder ein – ich kann ein Lied davon singen. Das ga’on, das Sie anführen, hat zweierlei Bedeutungen. Einerseits handelt es sich tatsächlich um Hochmut. Illustres Beispiel dafür ist Spr 16,18 mit dem bekannten Diktum »Hochmut kommt vor dem Fall«. Wenn Sie aber z.B. Hiob 40,10 aufschlagen, finden Sie dort den Begriff »majestätische Grösse«. Ein bekannter Gaon der Neuzeit war auch derjenige von Wilna. Hebräisch ist eben etwas tricky.
PS Was nun die Bildungsdirektorin unseres Kantons anbelangt, kommt sie für mich beim besten Willen nicht als »majestätische Grösse« daher. Aber sie des Hochmuts zu bezichtigen ist wohl ebenso falsch. Unbestritten dürfte sein, dass unsere Kommunikation etwas dürftig ist. Selbst für mich als Kommunikations-Laien war die gestrige Präsentation des KKS BL recht hölzern und wenig aussagekräftig. Umso mehr war ich in der letzten Zeit vom Medienauftritt von Herrn Engelberger überrascht, von dem man lange das Gefühl hatte, er sei hinter der Kulisse abgetaucht.