Aus, aus, aus: der Wahlkampf ist aus.
Am Sonntag wissen wir, dass Herr Weber (SVP) gewählt ist, was bei der mir nachgesagten Voraussagequalität nichts anderes bedeutet: Herr Nussbaumer (SP) ist der Sieger.
Nun ist es mir ziemlich egal, wer gewinnen wird. Die Welt geht, mit welchem Resultat auch immer, am Montag nicht unter. Fest steht einzig, dass der Neue im Juli das Regierungsamt in einem Kanton antreten wird, der Dank der Pensionskasse überschuldet ist. Übrigens als bisher einziger Kanton der Schweiz.
Womit wir beim Geld wären.
Wie man hört, laufen hinter den Kulissen bereits Diskussionen, wie viel Geld der einzige Grosssponsor des Kantons für Wahlen und Abstimmungen, die Wirtschaftskammer, dem Herrn Lauber rüberschieben wird. Er soll, so die Gerüchteküche, so viel bekommen wie der SVP-Kandidat im ersten Durchgang, also rund 80’000 Franken.
Kommen wir zur Pointe: Das meiste Geld, das die beiden Kandidaten bisher verpulvert haben, ist rausgeschmissenes Geld.
Denn wie man unschwer feststellen kann, sind auf beiden Seiten PR-Stümper am Werk. Oder die haben noch immer zu viel Geld in der Kasse.
Das Problem ist, dass man die Masse der Leute nur noch atomisiert erreicht, weil die einst dominierende Tageszeitung kaum mehr einen Viertel der Bevölkerung erreicht. Das einzig massentaugliche Werbemittel ist derzeit das Strassenplakat. Das ist billig und dem kann man sich nur entziehen, wenn man wegschaut.
In ihrer Not, schwafeln die PR-Heinis von der Notwendigkeit, auf den Social Media-Kanälen Präsenz zu zeigen. Facebook-Wahlkampf – dass ich nicht lache. Eigene Website – unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Youtube-Filmchen – ohne Zuschauer. Ein Beispiel gefällig?
Die Werbe-Heinis von Herrn Nussbaumer haben dem Kandidaten ein Youtube-Filmchen aufgeschwatzt. Na da schauen wir doch mal, wie viele Leute seit dem 6. Januar diesen Werbespot angeklickt haben: Ganze 284. Wir können davon ausgehen, dass 70 % der Klicks auf Herrn Nussbaumer und dessen engste Truppe zurückzuführen sind, (der 284ste war ich).
Das ist rausgeschmissenes Geld.
Völlig streichen kann man sämtliche Inserate in den Bezahlzeitungen. Fakt ist: Diese Kleinstinserate – man hat ja kein Geld – mit dem grinsenden Kandidaten erreichen nicht mehr Leute, als in einem kleinen Saal Zuhörer Platz finden. Die Verlage behaupten mit ihrem Reichweitengeschwafel zwar anderes, sie können aber keine plausiblen Zahlen liefern, wie viele Leser sich dieses eine Inserat tatsächlich auch angeschaut haben.
Geradezu lächerlich sind diese Inserate mit den kleingedruckten Unterstützernamen. Die PR-Stümper der Parteien sind sich offensichtlich nicht bewusst, dass das Durchschnittsalter der Tageszeitungsleser bei 60+ liegt. Man müsste also Lupen mitliefern.
Also: streicht in Zukunft all die teuren Inserate in den Tageszeitungen. Weil die aus Mangel an anderen Themen so oder so über den Wahlkampf berichten. Und das ist gratis und hat mehr Wirkung (wobei der Weiterblätternfaktor mit jedem Wahlkampfbeitrag exponential ansteigt).
Wer tatsächlich so wie früher das grosse Publikum erreichen will, der hat nur eine Printwahl: Inserate in 20 Minuten und im Blick am Abend schalten. Da erreicht man im Gegensatz zur BaZ und zur bz alle: vom Lehrling bis zur Führungskraft, Männer und Frauen.
Ah, Sie glauben das mit der „Führungskraft“ nicht? Na dann lesen Sie mal diese nächsten Sätze:
Führungskräfte bevorzugen bei der täglichen Zeitungslektüre das Gratisblatt „20 Minuten“. Die Studie „MA Leader“ der AG für Werbemedienforschung (WEMF) listet die Präferenzen von Führungskräfte mit einem persönlichen Jahreseinkommen ab 100’000 Franken (Leader) respektive ab 140’000 Franken (Top-Leader) auf. Die Daten werden alle zwei Jahr erhoben. Mit einer Reichweite von 38,2 Prozent schwingt das Gratisblatt „20 Minuten“ bei den Leadern nach wie vor obenaus.
Schreibt soeben das Branchenblatt „persoenlich“. (Ich meine, da muss heute Morgen der eine oder andere Qualitätsjournalist entnervt seinen Laptop in den Abfall schmeissen.)
Da schaltet man vor und nach dem Eintreffen der Wahlcouverts in den Haushaltungen vier oder acht wirklich seitendominierende Inserate mit lesbaren Anhängernamen, verpackt in eine gute Fortsetzungsgeschichte.
Im Gegensatz zu einfallslosen Politslogans („Brückenbauer“, „Neuer Mut“) lesen die Leute Namen von Unbekannten, weil sie denken, da könnte ja einer darunter sein, den ich kenne. Und dass das mit der Fortsetzungsgeschichte klappt, weiss der hinterletzte Glotzengucker.
Mit anderen Worten: Es ist durchaus möglich, mit relativ wenig Mitteln, einen wirkungsvollen Wahlkampf zu machen. Einzige Voraussetzung ist allerdings, dass man etwas von der Sache versteht.
Und das tun die wenigsten Wahlkampfleiter und PR-Stümper.
Old (@trashbarg) meint
OK, ich geb’s zu ich war der 307. der sich das nichtssagende Filmchen angeschaut hat. Meine Stimme hat trotzdem Weber bekommen.
U. Haller meint
„Da erreicht man im Gegensatz zur BaZ und zur bz alle: vom Lehrling bis zur Führungskraft, Männer und Frauen.“ (Zitat MM).
a) das stimmt, leider…
b) das stimmt mich aber auch nachdenklich, wenn ich tagtäglich im Tram oder Zug zusehen muss, welch‘ oberflächlichen Schrott (und zugleich unnötigen Papierverschleiss) unsere Gesellschaft konsumiert. Ich jedenfalls mache einen weiten Bogen um diese Volksverblödungs-Journaillen.
lha meint
Tu nicht so elitär Urs. Die sog. Qualitätszeitungen erzählen die gleichen Fakten in Lang mit viel Geschwurbel drum rum.
merlinx meint
20min hat als print das richtige Format, kommt frisch und farbig daher, klares, übersichtliches layout, guter Druck. Das einzige, was mir fehlt, ist ein abendlicher „Veranstaltungskalender“ für die Stadt und Umgebung, man möchte sich doch ständig weiterbilden und auf dem Laufenden bleiben, obwohl der Blick auf Ganze längst verloren gegangen ist und man nur noch wissen möchte, wer denn eigentlich die Pyramiden erbaut hat …
Also, für die Viertelstunde im Tram am morgen reicht dieses Blättchen bestens (wobei das meiste bereits gestern online verfügbar gewesen war), wichtig ist mir das fortgesetzte Vergnügen mit sherman und calvin & hobbes …
Aber – halt nur in der BZBL kann man lesen, dass Aeschbi sich eincremt, damit er nicht schwanger wird …
peter meint
„der eine oder andere Qualitätsjournalist“ wie denn , wo denn, was denn ? Ist das nun nostalgie, zukunft oder doch eher utopie.
gotte meint
warum soll die wirtschaftskammer den solo-kandidaten lauber mit so viel geld sponsern? damit sichtbar wird, dass auch er nur von altmarkts gnaden regiert? oder wird der büza-eierkuchen am sonntag mit nussbaumers wahl zusammengefallen sein, wenn die svp zum hallali auf den cvp-sitz blasen wird?
M.M. meint
Bereitstellen bedeutet nicht ausgeben.