Vorneweg: Der Titel ist kein Scherz. Die Frage wurde gestern an der Gemeindeversammlung in Arlesheim allen Ernstes von einem seeeeeeeeeeeeehr besorgten Stimmbürger gestellt:
Wollt ihr mit dem Quartierplan Atomkraftwerke in Indien finanzieren?
Der Hintergrund: Der Hauptaktionär von Steiner, die auf diskutiertem Feld bauen will, ist ein indisches Unternehmen. Die Gewinne aus dem Verkauf der Arlesheimer Wohnungen, wurde an die Wand geteufelt, würden direkt an die indische Finanzgesellschaft nach Mumbai überwiesen.
Und die ist führend beim Bau von Atomkraftwerken in Indien.
(Um die Energiefrage gleich abzuhaken: Der SP-Antrag, Steiner müsse zwingend Solaranlagen auf den geplanten Flachdächern der Überbauung erstellen (vier Voten), wurde Alle gegen SP und etwas Frischluft abgelehnt.)
Man kann nicht bestreiten, dass die direkte Demokratie durchaus Unterhaltungswert hat. Es sind ja immer diese etwas schrägen Vögel, die mit ihren mit Herzblut vorgetragenen Voten die staubtrockene Materie mit Leben erfüllen.
Wer gestern Abend dabei war, kam in der rangelvollen Turnhalle durchaus auf seine Kosten. Zum Beispiel wenn Zaha Hadid oder Herzog & de Meuron als Architekten für die Planung der Einfamilienhüsli gefordert wurden.
Ernsthaft.
Apropos: Weil Herr Huber (Werbeslogan „Ihre treue Hand“) den Antrag gestellt hatte, man solle beim Quartierplan in den Modus „geheime Wahl“ schalten, weiss man auch, wie viele da waren: exakt 450 Stimmbürgerinnen und Stimmbürger.
Ein neuer Rekord.
Machen wir’s kurz: mit 227 Ja zu 207 Nein wurde dem Quartierplan Händehoch zugestimmt. (Stimmenthalter müssen sich nicht outen.)
Nach einer kurzen Pause ging es dann weiter, u.a. mit der Rechnung 2012. Zu all diesen Geschäften gab es keine Gegenstimmen mehr.
Es waren keine Nein-Stimmer mehr in der Turnhalle.
Gut 200 Partikularinteressler hatten unmittelbar nach der Abstimmungsniederlage die Domplatzturnhalle fast schon fluchtartig verlassen.
Jetzt sammeln sie Unterschriften fürs Referendum.
PS: Diese analoge Veranstaltung ist ja das eine. Was sich in den Social Networks so tut, ist ja auch nicht ohne. Wie beim Sonntags-Tatort. Ohne Twitter- und Facebookkommentare ist so ein Krimi nur die halbe Miete. Gestern also wurde während der Gemeini getwittert, unter dem Hashtag #gmeini4144.
Maya meint
Lieber Herr Mesmer
Als Gegner der Gegner können Sie sich ruhig lustig über deren Argumente machen. Bessere wäre es allerdings, den Gegnern auch einmal genau zuzuhören. Nicht alle Argumente der Gegner sind gut. Aber auch Argumente der Befürworter sind Scheinargumente und Ablenkungsmanöver.
Im Kern der Angelegenheit geht es um die Entwicklung von Arlesheim. Die Befürworter argumentieren mit vielen Grünflächen und städtebaulicher Entwicklung. Auch der Gewinn der Firma Steiner wird als Argument verwendet!
Wo aber bleibt die Arlesheimer Bevölkerung, das lokale Gewerbe? Es wäre seitens der Gemeinde anständig gegenüber der Bevölkerung und dem lokalen Gewerbe gewesen, im Rahmen des Quartierplans auch eine Mindestquote von Aufträgen für Firmen aus der Region festzulegen. Es gibt diese in genügender Anzahl und Qualifikation um die Bauten zu erstellen. Ausser dem Gewinn der Firma Steiner spricht nichts gegen dieses Vorgehen.
Um den Kreis zu schliessen: Dieses Argument stammt von einem Redner an der GV. Nur wurde es nicht gehört. Hier wird es hoffentlich gelesen.
Maya
Siro meint
zum glück verbieten die wirtschafts- und eigentumsfreiheit solche eingriffe. wenn bei jeden bau, einkauf, auftrag etc. solche vorschriften aufgestellt würden, wären wir wirtschaftlich wieder im 18. jahrhundert.
Urs P. Haller meint
Das ist ein völliges Kindergartengeplänkel, werte Maya, nicht mehr und nicht weniger. Dass dieses, nicht nur beim MM, sondern auch bei vielen andern, Stürme der Erheiterung hervorruft, ist mehr als verständlich. Aber um wieder auf den Boden der Realität zurückzukommen, möchte ich hier doch einmal eine Lanze für solche Personen brechen, die, anständig wie sie nun mal sind, sich an der Gemeindeversammlung nicht auch noch in die emotional aufgeladene Diskussion eingemischt haben. Es geht konkret um die Baukommission, in welcher zwei Architekten Einsitz haben, die ich bestens kenne und die den ganzen Prozess von Anfang an eng begleitet haben. Glauben Sie mir, für diese beiden kompetenten (was dem Gegnern grösstenteils abgesprochen werden muss, leider) und geradlinigen Personen, die keinerlei Verstrickungen kennen, nicht zur Abzocker-Gilde gehören, nichts mit einem AKW am Hut haben und umweltschützerischen Anliegen volles Verständnis entgegenbringen, lege ich meine Hand ins Feuer. Die anderen, die ich weniger gut kenne, werden wohl am selben Strick ziehen. Das ist bei der ganzen Diskussion leider zu kurz gekommen. Es ist einfach hanebüchen, mit an den Haaren herbeigezogenen Scheinargumenten Spezialisten, die zum Dorfbild Sorge tragen und die auch die dafür nötige Kompetenz aufweisen, Paroli bieten zu wollen. Noch etwas: Was ihre Heidiland-Idylle von Aufträgen für das einheimische Gewerbe anbelangt nur dies: Ich wohne neben einer ähnlichen, vor über zwei Dezennien erstellten Grossüberbauung und habe die Arbeiten des mehrheitlich „einheimischen“ Gewerbes hautnah mitverfolgt. Zu einem rechten Teil inkompetente und unausgebildete Leiharbeiter aus dem Ostblock, zum Teil verwendetes Biligstmaterial, jahrelange Prozesse um Bauschäden.
Maya meint
Darf ich Ihr Statement wie folgt zusammenfassen?
– Die Baukommission und die FDP Arlesheim sind sehr kompetent
– Personen welche sich am Projekt stören sind inkompetent
– Bei der Überbauung in Ihrer Nähe vor über 20 Jahren wurde durch Leiharbeiter aus dem Ostblock gepfuscht
… und deshalb muss Uf Dr Höchi gebaut werden. Wenn dies von inkompetenten und unausgebildeten Leiharbeitern geschieht, ist dies OK.
… nur ja nichts aus der Vergangenheit lehren
M.M. meint
Spielen Sie sich hier nicht so auf. Sie tun so als ob es sich bei den in den letzten Jahren dort oben hingestellten Einfamilienhäusern um architektonisch wertvolle Bauten handle.
Die Realität ist jedoch so trist wie halt die Einfamilienhäuserhaufen in unserem Land überhaupt: Stein gewordene Träume des Kleinbürgers.
Dagegen sind die Steinerpläne geradezu ein Lichtblick. Im Lee, Schappe und Zum weissen Segel sind gute Vorbilder.
Es geht jedoch um etwas anderes, nämlich um die Frage, wie die Allgemeinheit mit den schwindenden Baulandreserven umgeht. Da gilt inzwischen: sowenig Grünlandverlust wie möglich bei grösster ökologischer Umsetzung wie machbar.
Dazu hat eine sehr deutliche Mehrheit Ja gesagt.
Und schliesslich: lassen Sie sich in der Gemeinde in ein Amt wählen, wenn Sie der Meinung sind, die seien allesamt unfähig.
U. Haller meint
Jetzt habe ich echt Gewissensbisse, weil ich trotzdem „Ja“ gestimmt habe. Die ganze Geschichte mit Indien ist halt #Neuland für mich…..