In der Wirtschaftskammer wird schon mal der Champagner kaltgestellt.
Die Champagnerlaune in Liestal gründet sich auf der Zuversicht, dass der Kandidat der Wirtschaftskammer, Herr Weber, am Sonntag ein, zwei Prozentpunkte vor dem im Januar als Favorit gestarteten Eric Nussbaumer liegen wird.
Gestützt wird Optimismus der Wirtschaftskammermänner durch Zahlen einer repräsentativen Umfrage, wie gerüchteweise herumgeschwiegen wird.
Sollte das Resultat tatsächlich so lauten, dann wäre das nicht ein Sieg des SVP-Kandidaten, sondern vielmehr ein persönlicher Triumph für den neuen Wirtschaftskammerchef Christoph Buser.
Mit dem Wahlsieg von Herrn Weber hätte der Nachfolger von Hans-Rudolf Gysin-Buser seine Machtbasis in nur sieben Monaten im Amt bereits konsolidiert; es wäre dann wieder so im Kanton Basel-Landschaft, wie es vor vier, fünf Jahren war, als Herr Gysin noch keine Altersschwäche zeigte.
Der Sieg von Herrn Weber, dessen nervöses Gesichtsmuskelzucken, für den Zuschauer zumeist unerwartet, zu dessen inzwischen bekannten Wahlgrinsen führt, was Leute schon vermuten liess, sein Mund sei mit einer Vorrichtung in seinem linken Hosensack verdrahtet – wenn er auf den Knopf drücke, ziehe es ihm die Mundwinkel links und rechts nach hinten fast bis zu den Ohren, mit dem Sieg von Herrn Weber also wäre im Landkanton wieder alles beim Alten.
Die Wirtschaftskammer bestimmt, wer aus dem bürgerlichen Lager politische Karriere macht und wer nicht. Sie entscheidet, wer Regierungsrat wird und sie mauschelt bei der personellen Besetzung der wichtigen Landratskommissionen mit.
80’000 Franken „aus dem Aktionsfonds“ – was bitte ist das? – hat die Wirtschaftskammer für ihren Kandidaten bereitgestellt und den grössten Brocken der hauseigenen Propagandaabteilung, dem „Institut für Wirtschaftsförderung (IWF)“, rübergeschoben. Das Wahlkampfunternehmen („Erbringung von Dienstleistungen und Beratungen in den Bereichen Politik und Wirtschaft“) hat vor Wochen die schon unter Herrn Gysin bewährte Propagandawaffe in Stellung gebracht: die Adresskartei-Stalinorgel.
Seither wird gezielt Brief um Brief abgefeuert – es fällt mir schwer, aufzuzählen, wie viele Wahlschreiben ich in den letzten Wochen und noch Tagen mit welchem Briefkopf erhalten habe. Fest steht lediglich: Wenn man einen gelesen hat, hat man im Prinzip alle gelesen. Es steht immer dasselbe drin.
Die geballte Wucht dieser Baselbieter Adressmaschinerie kann man mit den Berlusconi-Sendern in Italien vergleichen. Wer Zugriff auf die Adresskartei-Stalinorgel der Wirtschaftskammer hat, verfügt über einen kantonsweit konkurrenzlosen Kommunikationskanal.
Das Resultat vom Sonntag wird denn vor allem wegen der Beantwortung einer Frage interessant sein: Hat es Herr Buser geschafft, endgültig und auf lange Jahre hinaus die Machtstellung im Landkanton zu erobern, die sein Vorgänger und Onkel über Jahrzehnte hinweg für sich reklamiert hat?
Sollte das eintreffen, dann heisst der nächste Ständeratskandidat der FDP Christoph Buser. Weil er für den weiteren Aufstieg die nationale Bühne braucht.
Denn nicht Frau Pegoraro, sondern Herrn Buser hatte die Präsidentin im Hinterkopf, als es kürzlich unter den Parteipräsidenten um die Verteilung des Bärenfells ging. Und weil dieser gleichzeitig für den Nationalrat kandidieren wird, wird die Bisherige sang- und klanglos untergehen.
Sollte jedoch Herr Nussbaumer gewinnen, dann ist die Macht der Wirtschaftskammer auf lange Zeit im Eimer.
Dem liberalen Citoyen bleibt deshalb nur ein Wunsch: Der Kandidat der Wirtschaftskammer möge unterliegen, damit das System Gysin, das neu Buser hiesse, am Sonntag endgültig versenkt wird.
Zwerg meint
es ist nicht einfach ein sieg der wirtschaftskammer: mit der politischen beerdigung nussbaumers ist rebers wiederwahl gesichert
ps: … und auch ein sieg des gescheiterten regierungsrats krähenbühl: er durfte wieder mal ins regierungsgebäude, wenn auch als butler statt als regierungsrat
Chienbaese-Baerti meint
In der Tat geht es lediglich um die Etablierung von König Christoph. Es ist auch gar nicht leicht, in die Fussstapfen eines starkten Göttis zu treten.
Im Baselbiet ist es schon lange so, dass das „System Gysin“ bestimmt, wer in der Ochsenschüre hockt, und wer die Landratskommissionen dominiert.
Jedes Volch, so gar die Baselbieter, bekommen die Regierung die es verdient. Oder: nicht nur die dümmsten Kälber wählen ihre eigenen Metzger.
etwasanderekritik meint
Lieber Herr Messmer
Was haben Sie eigentlich gegen Ch. Buser? Gegen Gysin verstehe ich es!
Ich widerspreche Ihnen nicht, dass die Wirtschaftskammer mächtig ist. Das ist auch gut so. Nur, wieso hat H. R. Gysin (nach eigenen Angaben Urdemokrat) Kanon BL jahrelang diktatorisch kommandieren können? Weil er so stark war? Nein, weil andere schwach waren. Schon Schiller wusste: “Die Herrschenden werden aufhören zu herrschen, wenn die Kriechenden aufhören zu kriechen.”
…jedoch vergleichen Sie bitte nicht Christoph Buser mit H. R. Gysin. Es sind zwei unterschiedliche Systemen, zwei Generationen und v. a. zwei Persönlichkeiten.
Bekannterweise kann man sich aber die Verwandschaft nicht aussuchen. Auch der so mächtige Christoph Buser nicht!
Ich hoffe für den Kanton BL, dass Christoph Buser der nächste Ständeratskandidat wird und nicht die Fleiss-Vor-Denken-Opportunistin-Pegoraro.
gotte meint
also wenn man den wahlschacher-büza-groove der letzten wochen anschaut, hat man ja wahrlich nicht den eindruck, als hätte sich mit buser etwas geändert! im gegenteil: er beherrscht die gysin-logik bereits bestens, indem er den unprofilierten svp-scharfschützen zum brückenbauenden schafhüter umdichtet und sich damit einen regierungsrat sichert, der hörigkeit schuldet.
etwasanderekritik meint
Aber, aber… Wenn das Weber als RR zulässt, dass ihn Christoph Buser kommandiert, dann ist nicht Buser schuld sondern Weber und Büza, die freiwillig aus sich „Gefangene“ machen. .
Meines Wissens nach ist Sabine Pegoraro H. R. Gysin freiwillig hörig. Er zwingt sie nicht dazu! Wie gesagt, es ist nicht Gysins-Fähigkeit sondern Pegoraros-Unfähigkeit.
suburbansky meint
„Gestützt wird Optimismus der Wirtschaftskammermänner durch Zahlen einer repräsentativen Umfrage“ – durchgeführt unter 100 repräsentativ ausgewählten Firmenmitgliedern der Wirtschaftskammer oder was?
gotte meint
also: ab an die urnen, froue und manne vo schönebuech bis ammel, vo duggige bis zum rhy! es bietet sich die unvergleichliche chance, das katjuscha-system des wirtschaftspolitfilzes zu versenken und damit endlich einer liberaleren politik im baselbiet zum durchbruch zu verhelfen! postenschacher und gefälligkeitskarrieren sind nichts fürs 21. jahrhundert: gefragt sind ideen und tatkraft!
Old (@trashbarg) meint
Ouuu, das tut aber weh bei lesen …. Sie erwarten tatsächlich von einem SP RR eine liberalere Politik. Autsch.
U. Haller meint
Aufhorchen lässt aber, dass Nussbaumer im vermeintlich bürgerlichen Domdorf sage und schreibe 54% gemacht hat. Hängt dies etwa damit zusammen, dass es hierzulande viele Bürgerliche doch nicht so sehr goutierten, ums Verrecken den SVP-Kandidaten wählen zu müssen, nur weil die Machterhaltungs-Troika es so vorgab? Eine kleine Palastrevolte also….
Agglon meint
@Herrn Haller: das ist nicht der Punkt. Agglodörfer sind über kurz oder lang immer Frischluftdörfer, also pseudolinks. Bürgerliche haben da nichts zu melden: schauen Sie doch so glatte Typen wie die Stückelbergers an, da gibt es keine sichtbare Abgrenzung zu Kalle und Co. Selbst die Schwellen finden die prima.