Gehen wir doch auf den Beitrag des Galliers ein. Politik ist schliesslich Diskurs.
Gallier: „Zur FDP: zwei Männer, zwei Frauen, zwei u50, zwei ü50.“
Also ich zähle eine Frau und zwei Männer. Dass die FDP Frau Strobel als die ihre bezeichnet, mag vor vier Jahren berechtigt gewesen sein.
Die Absicht war, dass die bürgerliche Machtdemonstration der FDP mit einer Parteilosen nicht so auffällt und die Hoffnung war, Frau Strobel werde irgendwann mal der FDP beitreten.
Sie ist noch immer parteilos und geht dieses Mal sichtbar auf Distanz zur FDP. Weil sie als Kandidatin des AGIV die FDP für ihre Wiederwahl nicht mehr braucht.
Was wir auch nicht verschweigen sollten, lieber Gallier, dass Brigitte Treyer sich seinerzeit mit Händen und Füssen gegen die Strobel-Strategie des Parteipräsidenten und des Gemeindepräsidenten gewehrt hat. Weil sie befürchtete, sie könne von Monika Strobel aus dem Amt verdrängt werden.
Strobel fuhr denn auch – zur Überraschung/zum Entsetzen der FDP-Granden – prompt das beste Ergebnis aller Kandidaten ein (Treyer letzter Platz der Gewählten, lediglich 20 Stimmen mehr als die Frischlüftlerin).
Der Erfolg der Parteilosen scheint jetzt auch die FDP zu beflügeln. Deren Wahlinserate kommen ohne das Parteilogo daher. Wir sind jetzt auch parteilos, scheint die zentrale Botschaft zu sein.
Gallier: „…diesen Job will einfach keiner machen, da mit sehr viel Arbeit verbunden.“
Völlig einverstanden. Wir müssen in der Tat froh sein, dass sich überhaupt noch Frauen und Männer fürs Gemeinderatsamt zur Verfügung stellen. Das bedeutet jedoch nicht, dass wir, wenn es dann jemand tut, vor Ehrfurcht erstarren.
Gallier: Wie aus Insiderkreisen bekannt wurde, musste selbst Hartmut Vetter mit vielen Diskussionen und Überzeugungsarbeit dazu bewegt werden, für das Amt zu kandidieren.
Köstlich.
Wie in Insiderkreisen allgemein bekannt ist, musste Lukas Stückelberger von seinem Bruder monatelang bearbeitet werden, dass er für den Gemeinderat kandidiert – der beste Finanzminister übrigens, den die Gemeinde in den letzten Jahrzehnten hatte.
Wie in Insiderkreisen allgemein bekannt ist, musste Markus Eigenmann wochenlang bearbeitet werden, damit er für den Gemeinderat kandidiert. Erst als man aus Verzweiflung drohte, einen Mann aufzustellen, den niemand wollte, gab sich Eigenmann einen Ruck. Ziemlich intensiv war es, ihn fürs Gemeindepräsidium zu bewegen.
Wie in Insiderkreisen allgemein bekannt ist, musste Pascal Leumann und so weiter und so fort.
Doch kommen wir zum Punkt: Die Stimmung im Dorf ist schlecht, sie ist grottenschlecht.
Mit wem man auch spricht, das Misstrauen gegenüber Gemeinderat und Verwaltung ist der grosse gemeinsame Nenner.
Stellvertretend für das Unbehagen über die Summe aus vielen „Details“, steht die Ortskernplanung (TZP).
Ich habe diese inzwischen hunderte von Seiten mit detaillierten Darlegungen überflogen. Zusammenfassend muss man feststellen, es braucht inzwischen professionelle Kenntnisse, um zu verstehen, was die da genau meinen.
Wer Recht hat und wer falsch liegt, ist schon längst nicht mehr wichtig.
Bleiben wir deshalb bei der Politik, also beim grossen Ganzen.
Das sieht so aus: Der Gemeinderat hat das Geschäft TZP während Jahren dahin plätschern lassen, bis man den Ärger der Hausbesitzer im Dorfkern wegen der Planungsunsicherheit nicht mehr ignorieren konnte.
Erstaunlich ist, dass bei diesem Geschäft nicht von vornherein mit Widerstand gerechnet wurde. Schliesslich bedeutet die Unterschutzstellung eines Gebäudes im Dorfkern einen grundlegenden Eingriff ins Privateigentum.
Wie kann man da erwarten, dass es mit ein paar PR-Veranstaltungen schon gut werde. Zumal man am Domplatz zunächst gar nicht wusste, was man mit dem Dorfkern eigentlich konkret beabsichtigt.
Für die Hausbesitzer war jedoch von allem Anfang an klar: Das kostet uns jede Menge Geld. Die Gemeinde wiederum hätte das enorme Prozessrisiko erkennen müssen.
Als die Kacke so richtig am Dampfen war, zog der Gemeinderat die Notbremse: Markus Eigenmann erklärte das Geschäft zur Chefsache. Doch zu spät. „Da war aber wohl der Schaden schon angerichtet“, wie man intern bei der FDP selbstkritisch anmerkt.
Eigenmann gelang denn auch kein Reset, im Gegenteil, die Fronten verhärteten sich noch weiter. Das hat viel mit seiner spröden Art zu tun und zum anderen mit dem Dauerzorn der Wortführer der Gegenseite.
Die unversöhnlichen Positionen: Für den Gemeinderat sind Fruschd und pro 4144 Giftspritzen, während diese überzeugt sind, beim Gemeinderat handle es sich um einen Haufen selbstherrlicher Diktatoren.
Doch drehen wir das emotionale Rad ein wenig zurück, dann können wir feststellen, dass die Verwaltung und Gemeinderat inzwischen gute Arbeit geleistet haben, (auch der Kanton hat korrigierend eingegriffen).
Doch es gilt eben auch die Vereinigung „Fruschd“ zu loben.
Lässt man deren Unter-der-Gürtellinie-Beschimpfungen beiseite, so haben die Hausbesitzer ehrliche und professionelle Arbeit geleistet, sehr viel Arbeit sogar.
Eigentlich kann man feststellen, dass dieses Projekt mit einer aktiven Bürgerbeteiligung vorangetrieben wurde, wie man sie sich eigentlich nur wünschen kann.
Wenn man sagt, die sollten statt auf Opposition zu machen, „aktiv im Gemeinderat mitarbeiten“, dann ist das einfach Parteienunsinn. Weil es nicht einfach ist, zu akzeptieren, dass sich Demokratie auch ausserhalb (überkommener) Parteistrukturen abspielen kann.
Was der Gemeindeversammlung am 8. Januar vorgelegt wird, ist nicht mehr das Papier des Gemeinderates, sondern das Ergebnis eines demokratischen Ringens von Bürgerinnen und Bürgern auf der einen Seite und der Verwaltung und dem Gemeinderat auf der anderen.
Was bitte, soll da schlecht sein?
Doch die Unversöhnlichkeit der Lager können mit der voraussichtlichen Zustimmung zu diesem Geschäft nicht mehr aus der Welt geschaffen werden.
Es braucht ein Reset im Gemeinderat, um in Hinblick auf die nächsten emotionalen Geschäfte den Dialog mit den Bürgerinnen und Bürgern neu zu starten.
Deshalb bin ich nach wie vor der Meinung, dass dieser nach den Rücktritten im Gemeinderat nur mit einem neuen Gemeinderatspräsidenten oder einer neuen Gemeindepräsidentin zu schaffen ist.
Weil Markus Eigenmann, ein sympathischer Mann mit Qualitäten, der politische Instinkt fehlt. Quod erat demonstrandum.
Weitere Jahre mit einem solchen Streit im Dorf sollten wir uns nicht leisten.
PS: Zur goldenen Gondelstation: Der Bau wird einiges teurer, hört man. Man spricht inzwischen von 14 Mio. Franken. Ein grosszügiger Spender hat schon mal eine Million zugesagt.
Majestix der Gallier meint
Lieber Manfred
Vielen Dank für die Replik – M.M. is back. Damit kann gearbeitet werden.
Dass die Stimmung im Dorf vergiftet ist, dürfte diskussionslos akzeptiert werden. Wenn Majestix hier einen Zeitpunkt benennen soll, wann das alles angefangen hat, würde er spontan den Quartierplan «Schneckenbündten» benennen (ja, es gab auch schon interessante Gemeindeversammlungen beim Quartierplan «Auf der Höhe», aber da war alles noch ein wenig anders). Da hat eine kleine Gruppe von Betroffenen den Aufstand geprobt und mit einer gut geplanten Mobilisierung damals die Gemeindeversammlung überrannt – dies, obwohl sämtliche Parteien im Dorf einer Meinung waren. Es war auch die Geburtsstunde der verbalen Angriffsstrategien: mit Kommunikation, (Des-)Information und sozialen Medien wurde strategisch clever agiert und die Gemeindeversammlung so eingenommen. Und hier passierte der erste Fehler des Gemeinderats: er verfiel in eine Schockstarre. Und plötzlich bestand ein Machtvakuum, welches durch die Interessensvertreter gefüllt werden konnte. Es folgte der Teilzonenplan und der Schiessstand und in gleicher Manier haben es die Interessensgruppen geschafft, hier die Sache selber in die Hand zu nehmen.
Diesen Interessensgruppen muss man neidlos zugestehen: A) sie können krach machen, als wären sie das karthagische Heer und B) sie können zweifellos mit ihren zur Verfügung stehenden Mitteln mobilisieren.
Der zweite Fehler des Gemeinderates war, dass man blauäugig die Gemeindeversammlung zum Teilzonenplan abgewartet hat und schlichtweg verpasst hat, wie die Interessensgruppe die Leute zu mobilisieren. Die Schockstarre und die fehlende Mobilisierung – zwei kapitale Fehler, für welche man nun Schläge einstecken muss. Und somit hast du Recht, Manfred: Es wurde Fehler gemacht – und nicht nur von der FDP, sondern hier ist der gesamte Gemeinderat gemeint, sogar auch sämtliche Parteien im Dorf, welche stets immer in diesen strittigen Dossiers geschlossen hinter dem Gemeinderat standen.
Zum Teilzonenplan nachher noch mehr.
Zuerst zu Monika Strobel an: dass sie sich von der FDP abwenden solle, höre ich zum ersten Mal – und brauche hierzu nicht einmal Insiderwissen. Aber korrekt: Monika Strobel braucht für die Wiederwahl nicht die FDP, denn sie wird genügend durch das überparteiliche AGIV getragen. Dies gilt aber nicht für die tägliche Arbeit im Gemeinderat: ohne den grossen Partner FDP würde sie zwischen den Fronten von FDP und Frischluft gleichermassen zermalmt werden wie bisher die SP. Somit scheint es doch ein strategisch cleverer Zug, hier in Vorbereitung zur Wahl diese Sonderstellung zum AGIV herauszuschälen – da nennt man USP. Alles andere ist dein Wunschdenken.
Wer am Ende des Tages die Wahl gewinnen wird, dürften wiederum ein paar wenige Stimmen ausmachen – und ja, es kann zu einer Machtverschiebung kommen. Ob diese marginale Machtverschiebung sich dann in der Arbeit des Gemeinderates bemerkbar machen wird, darf man bezweifeln. Wie die letzten Jahre gezeigt haben, dominiert in der Exekutive die Sach- und nicht die Parteipolitik.
Dass dein Wunsch, der gesamte Gemeinderat hätte zurücktreten sollen, reine Utopie ist, sollte doch auch dir klar sein. Selbst die FDP wäre wohl nicht in der Lage, kurzfristig genügend Kandidaten zu generieren, welche als brauchbarer Ersatz eingesetzt werden könnten. Bei den anderen Parteien gehen ja jetzt schon die Kandidaten (sprich die Pensionäre) aus.
Bevor nun nochmals der Teilzonenplan zum Thema wird, erlaube Majestix ein paar Rechenbespiele, die er damals von den Griechen gelernt hat:
Im Moment reden wir wohl von irgendwo 50 Direktbetroffenen (sprich Liegenschaften). Es ist bekannt, dass nicht alle dieser Betroffenen auf der Seite von Fruschd stehen. Lass uns also von 30-40 Liegenschaftsbesitzer sprechen, die nach wie vor erhebliche Mühe mit dem Teilzonenplan haben. Zählt man die Familienmitglieder zusammen, sind wir höchstens bei 100 Personen, die direkt involviert sind. Dann haben wir noch eine paar Dutzend Nichtbetroffene, von denen sich eine Hand voll in immerwährend gleichen Leserbriefen und Flyern im Namen der Gerechtigkeit für die Sache einsetzen. Leider oft auch im Irrglauben, dass wenn man je lauter und unflätiger kommuniziert, man besser gehört wird. Nope – die gehen wohl mittlerweile den meisten auf die Nerven.
Das Mobilisierungspotential haben wir an der entsprechenden GV gesehen – diese rund 150 Personen können sich durch Mobilisierung auf ca. 300 Personen verdoppeln, wie die letzte Gemeindeversammlung gezeigt hat Und da wurden auch Oma und Opa reingeschoben, wie auch eine Vielzahl von Personen, die offensichtlich zum ersten Mal eine Gemeindeversammlung besucht haben.
Arlesheim hat rund 6000 Stimmberechtigte – und hier liegt eigentlich das grosse Übel: den meisten ist der Teilzonenplan schlichtweg egal. Punkt. Das Thema wird also in einem sehr kleinen Kreis diskutiert und ausgefochten – zumindest im Rahmen einer Gemeindeversammlung.
Aber: der Gemeinderat und die Befürworter haben offensichtlich aus ihren Fehlern gelernt. Majestix erkennt in den letzten Tagen immer mehr Höhenfeuer der Mobilisierung, seien es Leserbriefe, Flyer und neu formierte Gruppen. Und es werden täglich mehr – es zeichnet sich eine erneute Schlacht bei den Thermopylen ab, wo 300 Spartaner dem Heer von Xerxes gegenüber stehen. Ob dies bereits schon an der nächsten Gemeindeversammlung der Fall sein wird, ist nicht absehbar, weil die Mobilisierung zwei Wochen vor der Versammlung halt dann doch relativ knapp bemessen ist.
Aber selbst ohne die Hilfe des Sehers in Anspruch zu nehmen, weiss Majestix mit Sicherheit: sollte an der Gemeindeversammlung der Teilzonenplan abgelehnt werden, wird dagegen das Referendum ergriffen. Die notwendigen 500 Unterschriften dürften problemlos erreichbar sein, stehen doch dann sämtliche Ortsparteien hinter dem Vorhaben. Die Urnenabstimmung, bei welcher dann 6000 Stimmberechtigte eine Meinung haben könnten, dürfte dann den 300 Spartaner ein Dorn im Auge sein – denn dann werden sämtliche Dorfparteien mobilisieren. Sind wir also gespannt, ob sich das dann alles so bewahrheitet.
Als Abschluss sei mir noch diese politische Schulung erlaubt: mit der Annahme des Teilzonenplans wäre die Geschichte abgeschlossen – weil ein Referendum ist in diesem Fall nicht vorgesehen. Dann würde es heissen: alea iacta est.
M.M. meint
„Dass dein Wunsch, der gesamte Gemeinderat hätte zurücktreten sollen…“ – das ist ein Missverständnis, vielleicht habe ich mich nicht klar ausgedrückt: Ich meinte, mit den Rücktritten von Seibert, Laager und Leumann und mit den neu Gewählten entsteht eine neue Gruppendynamik im Gemeinderat.
Besonders dann, wenn das Pendel wieder Richtung Frischluft/SP schwingt, was nicht auszuschliessen ist.
Mit einem Wechsel im Präsidium würde ein unschönes Kapitel geschlossen.
Aber klar doch: Die FDP wird wie noch nie zuvor die Wahltrommeln rühren, um Eigenmann den Rücken zu stärken. Es geht wie noch nie zuvor um den Machterhalt der Partei. Wird Eigenmann wieder Gemeindepräsident, dann ist das schön für ihn.
Doch seine letzten vier Jahre im Amt – oder will er noch länger bleiben? – werden ihm und der FDP keine Freude bereiten.
Merke: Das Timing für den Rücktritt beherrschen die wenigsten Politiker.
(Schwachstelle meines Plädoyers für den Wechsel: Will ein anderer überhaupt den Job machen?)
„…dass sie sich von der FDP abwenden solle, höre ich zum ersten Mal…“ Sie wendet sich nicht ab, sie geht mit ihrem Sololauf auf Distanz zur FDP. Diese erwähnt übrigens „ihre“ Kandidatin auf den Plakaten und in Inseraten, anders als letztes Mal, mit keinem Wort.
Ah ja, und dann noch diese Facebook-Gruppe „Pro Ortskern“. Da hat der Stücki morgens um halb zwei schnell mal was abgedrückt. Hinsichtlich PR bringt das gar nichts, weil viel zu spät und überhaupt – Facebook, ist da noch jemand?
Ausser Dad Jeans-Träger?
Ich würde sagen: Panik! Und zwar nicht wegen der Vorlage, sondern wegen Markus. Dazu passt, dass die FDP sich nicht mal mehr getraut, ihr Parteilogo auf die Werbemittel zu drucken. Die distanzieren sich von selbst.
Köstlich.
Balbina meint
Schlicht brillant, dieser Beitrag: klar, bündig und sachlich-überparteilich wird die Misere auf den Punkt gebracht. Die Analyse ist der souveränste (heilsamste?) Vernunftsbeitrag zu Arlesheims Genesung seit Jahren.
Fällt mir übrigens nicht leicht, M.M. derart über den goldenen Klee zu loben 😉