Ich habe ihm in den vergangenen Wochen auf verschiedenen Kanälen zugehört. Und gestern Nacht noch dieses Interview auf bazonline gelesen.
Sein erstes und wichtigstes Problem ist die Sprache. Das kann man nicht schönreden
Ja, er spricht Deutsch (zum Glück hat er sich nicht am Dialekt versucht).
Man kann sogar sagen, dass er, als fremdsprachiger Einwanderer nach 32 Jahren in der Schweiz Alltagsdeutsch beherrscht.
Was für seine bisherigen Jobs durchaus genügt, ja selbst fürs Parlament.
Denn zu seinem Alltagsdeutsch gehören auch Sätze aus dem politischen Alltag; überdies beherrscht er das geforderte sozialdemokratische Vokabular.
Man kann also festhalten: Aticis Politalltagsdeutsch ist ebenso akzeptabel.
Klammer: Trotzdem wundert mich, dass Mustafa Atici, der seit bald mal zwanzig Jahren in der aktiven Politik ist und sehr wohl um sein sprachliches Defizit weiss, noch nie auf die Idee kam, intensiv Deutsch zu lernen. Ich meine, der Mann ist ja Akademiker, brächte also die intellektuellen Voraussetzungen mit, ein fehlerfreies Deutsch zu lernen. Ist es Ignoranz, ist es „kei Luscht“ oder ist es eine „ich bin so wie ich bin-Attidüde“?
Oder finden seine Genoss*innen seine Sprache „jö wie niedlich, ein emanzipierter kurdischer Mann“?
Ich meine, der Mann wollte letztes Jahr allen Ernstes Bundesrat werden – hier gehts zur Homestory der Schweizer Illustrierte Klammer zu.
So bleibt das Problem, dass er zwar Alltagsdeutsch beherrscht und auf das Wohlwollen seiner Zuhörer zählen kann, das beim Zuhören seine Sätze in Gedanken ergänzt und gleichzeitig sich hinzudenkt, was er denn genau meint, wenn er etwas sagt, das so tönt, als sei es ein Gedanke.
Beispiel – wenn er sagt, er wünsche sich beim Theater mehr Mitwirkung der Zuschauer, dann kann man den Satz mit eigenen Vorstellungen auffüllen.
Doch dann ergänzt er den Satz mit der Ortsangabe „vor und auf der Bühne“, und man fragt sich: Weiss er in welchen Kontext man Mitwirkung + Theater + Zuschauer setzt, was erwartet er, was „Zuschauer auf der Bühne“ tun sollen?
Das Theater kennt ja in der Tat „Mitmachinszenierungen“, nur ist das wahrscheinlich nicht das, was Atici meint.
Vielleicht, so kann man weiter spekulieren, fordert er mehr experimentales Theater, ein hierarchieloses gar – Zuschauer und Schauspieler sind gleichwertig beteiligt und diskutieren gemeinsam den Ausgang des Stücks.
Oder malt er mit „vor der Bühne“ gar den Teufel an die Wand?
In England geben sich Zuschauer inzwischen derart emanzipiert, dass sie während der Ausführung ihre Hamburger verdrücken, herumgrölen und laut miteinander reden.
Dass bei Musicals oft mitgesungen wird, gilt inzwischen als normal und wird toleriert.
Nun, das mag jetzt etwas weit hergeholt sein, aber wenn Herr Atici mehr Mitwirkung auf der Bühne des Theaters fordert, dann kommt mir solches Zeugs in den Sinn.
Sorry.
Eigentlich schwurbelt er ständig solches Zeugs. Mal sagt er, er sei für temporäre Förderklassen (bajour), um ein paar Stunden temporäre Förderklassen kritisch zu bewerten, „weil sie zu viel Unruhe ins Klassenzimmer bringen“ (baz).
Das ist bei ihm jedoch nicht Taktik, um unverbindlich zu bleiben, wie das andere im Wahlkampf zu tun pflegen.
Nein, er ist davon überzeugt, mit seinen Aufzählungen und seinen in Wort Fallereien ganz konkrete Vorschläge zu machen, einen Beitrag zu Debatte zu leisten und plausible Vorstellungen auf den Tisch zu legen, über das, was er denn täte, wenn…
Weil er zwar Alltagsdeutsch beherrscht, aber nicht die Sprache, sagt er, was ihm gerade so in den Sinn kommt, ergänzt durch Sätze und Begriffe, die er (oder wer auch immer) vorbereitet hat.
Mehr ist da nicht. Mehr ist da auch in Zukunft nicht zu erwarten.
Vielleicht noch ein letzter Gedanke: Ich hatte mal eine wirklich sprachbegabte Geschäftspartnerin. Sie beherrschte Englisch, Spanisch, Italienisch, Deutsch und dann noch den völlig akzentfreien Dialekt.
Ihre Muttersprache war jedoch Französisch.
Was mich jedesmal verblüffte: Wenn Sie mit Kunden und Journalisten Französisch sprach, verwandelte sie sich in eine völlig andere Person.
Französisch – das war dann wirklich sie.
Vielleicht müsste man Mustafa Atici mal auf Türkisch argumentieren hören, um ihn zu verstehen.
Rampass meint
Die eingewanderten Akademiker, die nach einigen Jahren immer noch nicht mehr als „Guten Tag“ sagen können, erlebt man täglich im Büro. Hat mit nicht viel mit den intellektuellen Voraussetzungen zu tun. Sondern mit dem Willen, wirklich ankommen zu wollen. Die kalte Dusche kommt dann am Elterngespräch in der Schule wenn kein Dolmetscher aufgetrieben werden konnte.
Daniel Flury meint
Die Zukunft im ED heisst dann wohl: «Leichte Sprache».
https://www.zh.ch/de/webangebote-entwickeln-und-gestalten/inhalt/barrierefreiheit/regeln-fuer-leichte-sprache.html
Für alle gut verständlich, auch komplexe Verhältnisse präzise abbildend, so dass jeder versteht, dass er wirklich etwas gelesen hat, auch wenn er nicht weiss um was es geht.
So geht «Zukunft» in Basel-Stadt.