Ich bin ziemlich sprachlos.
Dass die SP tatsächlich mit Mustafa Atici in die Regierung will (seine „Konkurrentin“ Edibe Gölgeli hat wohl kaum eine Chance aufs Ticket zu kommen, obwohl, wer weiss das schon bei der SP.)
Machen wir den ersten Schritt ins Minenfeld.
Denn wenn ich jetzt schreibe, der Mann hat hörbar ein Problem mit der deutschen Sprache (niemand fordert Dialekt), dann kann das weniger als objektives Kriterium für die Tauglichkeit fürs (Präsidial)-Amt, als vielmehr es bitzeli ausländerfeindlich verstanden werden.
Ja nu denn halt.
Doch bei der Ersatzwahl für Beat Jans geht es nicht darum, dem durchaus sympathischen Atici eine Chance zu geben, sondern darum, ob der Mann für den 300’000 Franken-Job geeignet ist.
Fakt ist: Zum Präsidialamt gehört, dass Basels Regierungspräsident regelmässig mit den Spitzen der Pharmaindustrie und anderen Wirtschaftsleuten am Tisch sitzt, mit den Vertretern der Partnerstadt Seoul (auf Englisch) redet, mit wichtigen Entscheidern in Strassburg und Paris (auf Französisch) parliert.
Zum Beispiel.
Die Peinlichkeit solcher Auftritte von Frau Ackermann, auch solche auf Deutsch, sind noch allzu gut in Erinnerung.
Nun könnten die Bürgerlichen die SP vor irritierenden Auftritten ihres dereinstigen Regierungsrats bewahren, in dem sie einen der ihren ins Präsidialdepartement beordern, in dem sie Conradin Cramer oder Lukas Engelberger zum Wechsel drängen.
Atici übernimmt dann die Bildung. Oder das Gesundheitswesen.
Aber warum sollten a) die Bürgerlichen das tun und b) warum sollten Cramer oder Engelberger wechseln?
Für die SP, um im Herbst bei den ordentlichen Wahlen von den Grünen angegriffen zu werden?
Eben.
Nun ist Mustafa Atici nicht einfach nur der nette Integrierte von nebenan, der es geschafft hat.
In der Politik und als Gewerbler.
Er ist auch einer, der davon überzeugt ist: Ich bin ein Mann, ergo kann ich das – ob Grossrat, Nationalrat, Bundesrat, Regierungsrat, egal.
Weshalb Mustafa Atici noch vor wenigen Wochen Bundesrat werden wollte.
Das war kein Scherz, wie ich und ein paar andere glaubten, nein, der war ernsthaft der Meinung, er hätte das Zeugs für das Amt eines Bundesrates.
Als Jans antrat, nahm er sich denn auch nicht sofort aus dem Rennen – aus Solidarität mit dem Basler mit der realistischen Chance – nein, man musste ihn tagelang dazu drängen, auf seine Kandidatur zu verzichten.
(Man stelle sich Atici ab Januar im Justizdepartement vor.)
Dieses sich selbst überschätzende Bin-ich-Mann-Muster bereitete seinerzeit Silvia Schenker einige schlaflose Nächte.
Denn Atici, der Nachrückende auf der Liste, war der Meinung, die SP-Nationalrätin soll in der Halbzeit der Legislatur gefälligst zurücktreten und Mann Platz machen.
Also subito.
Ruedi Rechsteiner, ex-Nationalrat, wetterte auf Facebook: „Wann lesen wir von deinem Rücktritt?“ Und weiter: „Ein bisschen Anstand stände dir gut an. Wenigstens ein bisschen.“ (Zitate SRF).
Das ging über mehrere Wochen so.
Schenker, hart bedrängt (und tief verletzt ob des Schweigens der SP-Frauen), blieb.
Atici musste zwei weitere Jahre warten.
Und wurde wieder nicht gewählt.
Erst der Rücktritt von Jans machte ihm, dem Ehrgeizigen, den Weg frei nach Bern. Um bei der erstbesten Neuwahl wieder nicht gewählt zu werden.
Ich bin sprachlos.
Ich bin sprachlos, weil das Personaltableau der wählerstärksten Partei derart ausgedünnt scheint, dass, nachdem die einen nicht wollen und die anderen abgesagt haben, am Schluss Mustafa Atici übrig bleibt.
Ein Kandidat der (parteiinternen) dritten Wahl.
Wenn die Bürgerlichen nicht spätestens jetzt aufwachen und geschlossen (also inkl. SVP) mit einer fürs Amt qualifizierten Kandidatin oder einem ebensolchen Mann zur Wahl antreten, um zu gewinnen, dann können sie sich auflösen.
Sanna meint
Präsidialdepartement auflösen.Punkt.
Rampass meint
„Wer Beat Jans nachfolgt, muss fliessend Französisch sprechen“ war hier vor ein paar Tagen zu lesen.
Nun, wie man ja mitgekriegt hat, zählen bei der SP andere „Kompetenzen“. 1. Parteilinie, 2. Geschlecht – je nach Lust und Laune natürlich oder wenn ein Kandidat ausgebremst werden soll.
Klaus Kirchmayr meint
Es scheint so, dass einige potenzielle SP-Kandis zwar wollten, aber das Präsidium für sie nicht in Frage kam….
Man muss feststellen, dass die aktuelle Konstruktion des Präsidiums und insbesondere der Wahlprozess eine klare Fehlkonstruktion sind ….
M.M. meint
Seh ich auch so, aber daran wird sich auf absehbare Zeit nichts ändern lassen.