„The Eagle has landed„, ist man versucht zu schreiben. Die Basler Zeitung, genauer Michael Rockenbach, hat heute ein grosses Stück geschrieben. Herr Rockenbach bringt mit seinem seitenfüllenden Beitrag das an die Oberfläche, was seit Monaten im Baselbiet schwelt – der Konflikt zwischen dem die Politik dominierenden Oberbaselbiet und den diese Politik finanzierenden Unterbaselbieter Gemeinden.
Den Stein endgültig ins Rollen gebracht hat der Arlesheimer Frischluft-(liberale Grüne, nicht zu verwechseln mit Grün-Liberalen)-Gemeindepräsident Karl-Heinz Zeller. Mit seinem Vorschlag, statt 9 Millionen Franken jährlich ins obere Baselbiet zum Bau von Mehrzweckhallen zu transferieren, den Kostenanteil des Baselbiets ans Theater Basel zu übernehmen – („Das Theater bietet ein Topangebot und macht das Leben rund um Basel attraktiv“)-, hat er die aktuelle Unterbaselbieter Befindlichkeit auf den Punkt gebracht.
Denn so tönt es aus dem oberen Baselbiet zurück:
Die reichen Gemeinden müssten zahlen, Punkt. Schliesslich sei der Finanzausgleich gesetzlich geregelt, stellt der Bauer, SVP-Landrat und ehemalige Gemeindepräsident von Rümlingen klar. Und überhaupt, das System sei schon gut: «Ein Dorf wie Rümlingen ist darauf angewiesen.» Wie sonst sollte man sich etwas Grösseres leisten können? Eine Mehrzweckhalle für die Vereine zum Beispiel.
Besonders der von Oberbaselbietern dominierte FDP-Parteileitung müsste der heutige BaZ-Artikel ein Weckruf sein. Die SVP-nahen Parteileitungsmitglieder müssten erkennen, dass sie zwar in diesem oder jenem Dorf jenseits von Liestal mit ihrem strammen Anti-Baselkurs vielleicht punkten können. Das liberale Wählerreservoir der Partei, das es abzuschöpfen gilt, befindet sich jedoch im unteren Baselbiet.
Die FDP-Arlesheim, deren Parteipräsident Balz Stückelberger Herrn Zellers Idee unterstützt, hat denn folgerichtig die Allerweltswahlslogans aus der Liestaler Zentrale verworfen und die Unterbaselbieter Befindlichkeit in eine gut verständliche Forderung umgesetzt, die gleichzeitig eine Kampfansage an die Oberbaselbieter SVP ist:
Mehr unteres Baselbiet nach Liestal.
Das ist ein erster Erfolg der Theatervorlage. Sie richtet die Scheinwerfer aufs Wesentliche: das Verhältnis zwischen dem Baselbiet und der Stadt einerseits und den beiden Kantonsteilen andererseits.
In den nächsten Wochen wird sich die Diskussion noch weiter akzentuieren. Dann nämlich, wenn es nicht mehr um Befindlichkeiten geht, sondern um Handfestes, um die desolaten Baselbieter Finanzen.
Die Baselbieter Welt wird nach der Abstimmung vom 13. Februar nicht mehr dieselbe sein.
PS: Amüsant, Herr Rockenbach verweist in seinem Beitrag auf meine Lieblingsleserbriefschreiberin, auf Frau Ziegler aus Zunzgen (mein Lieblingskaff im Landkanton).
Niggi ULLRICH meint
Ich könnte ja als „betroffener Kulturbeauftragter“, dem die Sache des Theater Basel aus wohl plausiblen Gründen besonders am Herzen liegt, ob des Oberbaselbieter-Gemeindebashings mitheulen. Tu ich aber nicht. Aus verschiedenen Gründen:
1. Abstimmungen im Baselbiet werden im Unterbaselbiet gewonnen! Da liegen die Mehrheiten und nicht in Ammel und Brätzbel! Nirgendwo anders. Man muss nicht von den Oberbaselbietern mehr verlangen als in anderen Landregionen in der Schweiz auch. Verlieren wir die Theater-Abstimmung, haben wir hier unten zu wenig mobilisiert. Das war 1969 übrigens nicht anders.
2. Es ist noch nicht so lange her, da hat mir der besagte und hochwohlgelobte Gemeindepräsident aus meinem Wohnort auf dem Postplatz mit treuherzigem Blick erklärt, dass die Erhöhung der Theatersubvention seitens der Gemeinde keinesfalls in Frage käme. Finanziell sei das nicht möglich und auch gemeindepolitisch fragwürdig. Zuerst käme die eigene „Dorfkultur“! Zur Wahlzeit sieht das natürlich alles anders aus…
3. Es ist faktisch nicht so, dass das SVP-Elektorat signifikant in den Oberbaselbieter Gemeinden stärker beheimatet wäre. Die Sitzgewinne der letzten Jahre stammen fast alle aus dem Unterbaselbiet (wie in Bern und Zürich auch!). Alles andere ist Verunglimpfung einer ganzen Region – inklusive der Menschen, die durchaus „vernünftig“ sind.
Niggi Ullrich
l.h meint
glarus kopieren?
Blacky meint
Kann uns der Wahl-Mathematiker M. M. nicht einmal ausrechnen, wieviele Stimmen – beispielsweise – eine leserbriefschreibende Zunzgerin mit Mehrzweckhalle für einen Sitz im Landrat braucht? Und wieviele Stimmen zu gleichem Zweck ein Arlesheimer Theaterbesucher? Vielleicht kommt er zum Schluss, dass nicht nur in der südafrikanischen Apartheid nicht galt, was wir kennen unter „one man, one vote“.
Gotte meint
es scheint nun so zu sein, dass die hülfteschanz nicht mehr nur wie weiland die stadt vom land trennt, sondern neu sogar das baselbiet selbst durchtrennt. ich kann bestens nachvollziehen, dass die steuerzahler im unteren kantonsteil genug vom mehrzweckhallen-groove der oberbaselbieter haben. dass es jedoch soweit gekommen ist, hängt ganz DIREKT mit dem VERSAGEN des sogenannt „bewährten“ regierungskartells der bürgerlichen zusammen. es fehlt dem baselbiet von a-z an einer gesamtstrategie, was für ein kanton man denn sein will. abgrenzung von der stadt allein reicht definitiv nicht. im kanton aber weit und breit nichts zu hören, weder im hinblick auf eine konstruktive, nachhaltige strategie in der raumplanung, noch bei den finanzen noch punkto verbundsgemeinden – – – einfach nichts, nur alle vier jahre die gleichen plakate, auf denen man sich als „bewährt“ preist. armes baselbiet, selige hülfteschanz.
Mittelmass meint
Die Lichter der Grossstadt sind verlockend, aber man sollte nicht vergessen wie der Kanton BL entstanden ist, warum es einen Finanzausgleich gibt.
Eine Merhzweckhalle hat durchaus seine gleiche Berechtigung wie auch ein Theater. Für wen was wichtiger ist wird an der Urne entschieden.
Je mehr ich hier darüber lese, desto mehr habe ich den Eindruck, es geht hier um Elite gegen Fussvolk. Ich glaube nicht, dass die Ländler irgendeine Aversion gegen BS haben. Die einen sind nun mal weiter weg und können nicht jeden Abend schnell ein Feierabendbier in der Rio Bar trinken (welches leider zum Fumoir geworden ist).
Ein bisschen mehr Verständniss für andere Lebenswelten wäre – wenn man sich schon für Intelektuell in der Lage sieht ein Theater zu besuchen – dem Zusammenleben sehr hilfreich.
Andreas Spindler meint
Nun die Idee von Herr Zeller ist spannend. Es wäre aber sinnvoller gewesen Exponenten hätten sich zum neuen Finanzausgleichsgesetz im Kanton Baselland pointierter geäussert.
Es wurden Null Anreize geschaffen für Zusammenarbeit oder sogar Fusionen. Der Intressierte Leser sollte mal das FAG des Katons Aargau anschauen.
TEE meint
Wen aber muss man wählen, wenn man weder die baselsstädtischen Salongrünen noch die oberbaselbieter Landlobbyisten will? Welches Potential hätte Baselland als Fluchtburg vor Baselstadt, wenn es wie die Fluchtburgen von Greater Zurich verwaltet würde?
Paule meint
Herr Zeller hat meine volle Unterstützung. Ich habe diese Oberbaselbieter Arroganz gegenüber Basel schon seit langem satt. Den FDP-Wahlslogan der Arlesheimer lese ich zum ersten Mal. Den hätten sie auch in Bottmingen sofort übernehmen sollen. Genau um das geht es nämlich in diesen Wahlen: Mehr unteres Baselbiet nach Liestal!
Esther Jundt meint
Der Arlesheimer Frischluftgrüne lebt ganz nach dem Motto: „Wer Geld hat, befiehlt“. Das ist hoffentlich nicht mehrheitsfähig.
Baresi meint
Das Oberbaselbiet lebt ganz nach dem Motto: “Wer kein Geld hat, befiehlt”. Das ist hoffentlich nicht viel weniger mehrheitsfähig.