Letzte Woche waren wir in Florenz. Mit dem Frecciargento ist die Stadt nicht mal eineinhalb Stunden von Rom weg.
Kostete uns 80 Euro für die Hinfahrt und 40 Euro zurück.
Weil irgendein Algorithmus bestimmt hat, wir seien dran bei der Aktion zwei für eins.
In Italien herrscht auf den Highspeed-Strecken Konkurrenz.
Ich glaube, es ist gut 25 Jahre her, seit wir das letzte Mal in Florenz waren. Die Zeit vergeht.
Damals sind wir mit den Kindern fast jeden Herbst in die Toskana gefahren, mit dem Auto, ohne festes Ziel.
Auf dem Heimweg über Florenz haben wir ein paarmal im Hotel «Porta Rossa» übernachtet, oben im Turm. Heute gehört das Hotel zu einer internationalen Hotelkette der Luxusklasse.
Der Turm ist jetzt die «Presidential Suite», mit einem Preisschild von 600 Euro die Nacht dran.
Das passt zu Florenz.
Zumindest was den historischen Stadtkern anbelangt. Florenz ist zu einer Destination der absoluten Luxusklasse geworden. Zwar mag es noch ein paar kunstsinnige Nordeuropäer geben, welche wegen dem David, der Kathedrale, den Uffizien und überhaupt dem, was die Baukunst der Renaissance so einzigartig macht, herkommen.
Der Rest kommt zum Shoppen in die Stadt. Vor allem Japaner.
Der Februar liegt ohne Frage ausserhalb jeglicher Tourismussaison. Deshalb muss man für den Besuch der Kathedrale nur gut eine Stunde anstehen.
Und überall Japaner.
So viele Japaner wie letzte Woche in Florenz habe ich zuletzt im Sommer vor sechs Jahren auf der Kleinen Scheidegg angetroffen. Beim Nachtessen waren wir die einzigen Europäer im voll besetzten Restaurant.
Die Japaner, überhaupt Asiaten, lassen das Herz jedes Tourismus-Direktors bis zum Infarkt höherschlagen.
Denn die haben Geld.
Was Gucci & Co. veranlasst hat, Florenz als Shopping-Hotspot auf die Tourismuslandkarte zu setzen. Die grossen Modemarken dieser Welt haben sich, man kann es nicht anders sagen, das historische Zentrum unter den Nagel gerissen und es in eine weltweit einmalige Shopping-Mall umgewandelt.
Der Hotelconcierge meint denn auch, die meisten Japaner blieben für eine Nacht und die erste Frage laute nicht selten, wo sich der Prada-Shop befände.
Oder der von Armani, Max Mara, Dolce&Gabbana, Louis Vuitton.
Jetzt hat sich auch noch Apple im Zentrum niedergelassen. Der Shop sieht genau gleich aus wie der in Basel. Oder London. Oder Tokio.
Den Renaissance-Palazzo für ihren Flagship-Store an der Piazza della Repubblica habe Apple, sagt unser Hotelconcierge, zu einem «unverschämt günstigen Preis» bekommen.
Weshalb sich die Amerikaner verpflichtet haben, die Kosten für die Instandstellung des Platzes vor ihrem Shop zu übernehmen.
Die Florentiner meiden nun auch in der Nebensaison das Zentrum. Die vom Tourismus forcierte Gentrifizierung der historischen Altstadt ist vollzogen.
«Basel Card soll noch mehr Touristen in die Stadt locken», sagt Basels Tourismus-Direktor Daniel Egloff. Mit der Gratiskarte gibt’s Weltklassekunst und den Ballettabend im Theater zum Aktionspreis.
Beim Gedanken an das Potenzial in Asien und den Golfstaaten bekommt Herr Egloff feuchte Augen. Denn die 1,3 Millionen Übernachtungen vom letzten Jahr sind noch längst nicht genug.
Es müssen immer mehr sein.
Warum also nicht zwei, drei oder gar fünf Millionen Touristen? Das ist die Logik des Marktes.
Darüber muss auch in Basel demnächst diskutiert werden.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 21. Februar 2018
Rudolf Mohler meint
Das ist aus meiner Sicht eine sehr zutreffende Forderung: zuerst darüber nachdenken, ob man das wirklich will.
Wir waren letzten September in Florenz, dieser eigentlich prächtigen Stadt. Was wir da an Touristen (zu denen wir ja auch zählten) erlebt haben, ist wie Morgenstraich hoch 3 während 24 Stunden.
S. meint
Auch wenn ich selbst mitspiele: Die billige Mobiltät von Personen (und Waren) ist Irrsinn. Der SBB-Preis (ohne Halbtax und GA) ist vermutlich der Mindeste, den ein Personenkilometer in Auto, Bahn oder Flugzeug(!) eigentlich kosten müsste. Aber bei jedem System, das aus den Fugen geraten ist, kommt irgendwann der grosse Zusammenbruch.