Bologna. Auf der Durchreise.
Abstimmung in der Schweiz.
Bin für einmal bei der Mehrheit. Bei allen drei Themen. Man könnte sagen – es bewegt sich trotz allem etwas.
Stimmung in Italien.
Das Land steht am Abgrund. Schreibt die Rom-Korrespondentin der Sonntagszeitung in einem Essay.
Was ihr die Freiheit gibt, ziemlich faktenfrei ihrem Ärger über das Italien der Italiener Luft zu machen, die lieber Frau Meloni im Palazzo Chigi haben wollten, als Herrn Draghi.
Was erlaube Strunz!
Draghi wollte Italien vorwärts bringen, schreibt sie, während Meloni zurück zur Tradition wolle.
Oder wie sie schreibt: „Draghi schaute nach vorne, Meloni guckt in den Rückspiegel.“
Was das beispielsweise heisst: keine neuen Kinderkrippen, keine Wasserstoffproduktion, keine „nachhaltige Fleischalternativen aus dem Labor(!).“
Eine Politik also fast wie in der Schweiz.
Nur mit dem Unterschied, dass sich Italien das alles und noch einiges mehr von der EU hätte finanzieren lassen können.
Denn Draghis „Projekt Luftschlösser“ hatte in Brüssel eine grosse Fangemeinde gefunden.
Und Milliarden Euros.
Denn endlich sollte Italien so werden – ja wie denn, wie Deutschland etwa?
Doch weil Italien die Milliarden aus Brüssel aus Mangel an konkreten Projekten nicht abholen kann, droht dem Land „ein ernstes Schulden- und Konjunkturrisiko“.
Schreibt Ulrike aus Rom.
Mal wieder, zucke ich mit den Achseln.
Oder besser: Noch immer.
Oder kann sich jemand an eine Zeit erinnern, als Italien „kein ernstes Konjunktur- und Schuldenrisiko“ hatte – egal wer gerade regiert hat?
Und was ist mit Corona, das Italien besonders hart getroffen hat und wie anderswo auch Langzeitwirkung entfaltet.
Oder die veheerenden Überschwemmungen in der Emilia gerade eben, in der Gemüsekammer des Landes? (Ein Kilo Tomaten kosten 4 Euro 50, soviel wie bei uns in der Migros.)
Wenn ich mich umsehe in Triest, in Bologna und anderswo in Italien und das, was ich sehe und erlebe der Abgrund sein soll, dann muss ich festhalten: Gar so schrecklich, wie wir es uns vorstellen, ist es nicht, am Abgrund zu leben.
Trotz allem.
Die Italiener scheinen ganz offensichtlich die Prioritäten anders zu setzen als wir.
Und wie die in Brüssel.
Wenn schon untergehen, dann aber mit Stil und gutem Essen.
Massimo meint
Ja, es scheint, als wärst Du, so wie fast alle seit Goethe, in die trappola italiana gefallen, die italienische Falle.
Vor lauter Prosecco und Sonne übersehen fast alle das echte Drama. Italien hält noch, dank der famiglia, den staatlichen Rentenzahlungen und der gigantischen Steuerhinterziehung /betrug. Und weil die Frauen tapfer mitkrampfen für elende Löhne.
Ihre Rache ist aber brutal: Sie setzen keine Kinder mehr in die italienische Welt.
Die Alten pflegen, den Haushalt schmeissen und noch arbeiten gehen für häufig eine Miseria – che palle!
Aber für far bella figura vor dem Touri, der wenigstens noch ein Trinkgeld bezahlt, macht man alles, um Italia felice hochleben zu lassen.
Dumm nur, zahlt der Durchschnitts-Italo nicht mal 5 Cents Trinkgeld, eher gar nichts. Um so mehr lächelt man dem Fremden entgegen und zelebriert l’Italia felice – damits Portemonnaie aufgeht und man bella figura machen kann,.
Aber der Alltag der italienischen Durchschnittsfamilie ist – gelinde gesagt – schwierig. Da können sie Dir noch so fröhlich entgegenlächeln. Im Blick haben sie Dein hoffentlich üppiges Trinkgeld.
Sorry für die Italien-Entzauberung.
M.M. meint
Kurz zusammengefasst also: Italien ist ein potemkinsches Dorf für Touris….
Seit 1776.
Ja, es ist schon so – in der Schweiz leben wir auf einer europäischen Insel der Glückseeligen.
Woraus folgt: Von hier aus beurteilt ist Italien tatsächlich…