Noch selten hat ein Einzelner in so kurzer Zeit das politische Weltgeschehen derart durcheinander gebracht, wie dieser ex-NSA-Leiharbeiter Snowden.
Derzeit lese ich die Snwoden-Analysen und -Berichte aus meiner Twitter- und RSS-Feed-Timeline prioritär. (Wobei dieses News-Ereignis trefflich zeigt, dass Schweizer Medien als alleinige Informationsquelle nicht mehr genügen. Sie sind derzeit auf die Rolle von Übersetzungsdienstleistern zurückgestutzt.)
Hatte man annehmen müssen, dass sich die Sache nach den Hongkong-Aufzeichnungen im Dunst verläuft, kommen Tag für Tag neue geheimdienstliche Abgründe der Supermacht ans Tageslicht. (Amüsant diese Tagesschaujournis, die immer von den vier Laptops quasseln, die Herr Snowden mit sich führen soll. So im Stil, da wählt sich der Snowden im Transitterminal in Moskau mal schnell ins Netz ein und schickt dem Guardian eine E-Mail mit einer neuen Datei.)
Die Frage ist, wie wir als Citoyens mit der neu gewonnenen Erkenntnis umgehen, zum einen, dass nämlich der totale Überwachungsstaat wahr geworden ist und zum anderen Big Brother anders, als wir es immer erwartet hatten, kein totalitäres Kommunisten-Nazi-Terror-Monster ist.
Es hockt mitten im „Land of the Free“ auf bestem Farmland für Serverplantagen.
The scale of the harvesting of data about citizens around the world is mind-boggling.
Schreibt @johnkampfner in einer lesenswerten Analyse im London Evening Standard.
Was die politischen Denker, die wenig denkenden Politiker und die Anti-USA-Reflexler derzeit eher sprachlos macht, ist der Umstand, dass dieser neueste Leak nicht eine konkrete Sache zum Gegenstand hat – also Schummeleien von Bankern, schiessende Helikopterbesatzungen, Klatsch aus US-Botschaften – sondern einen Vorgang.
Ähnlich wie bei Cablegate gibt es einen informellen Konsens der handelnden politischen Akteure, die für sich ein Recht auf derart undurchsichtige Verfahren beanspruchen, stets mit Verweis auf die besonderen Sicherheitszwänge.
Hält @drbieber auf Antrobius, Fachzeitschrift für Machtfragen, fest.
Alle unsere E-Mails werden von den Amerikanern abgefangen und gelesen. Die NSA verfolgt uns auf Geheiss des Friedensnobelpreisträgers auf Schritt und Tritt im Netz. Mit einem speziell konstruierten U-Boot tauchen sie ab in die tiefe des Atlantiks, um die Datenleitungen anzuzapfen – eine Story besser als alles was Hollywood so liefert.
Weil das offensichtlich nicht reicht, wollen sie mit internationalen Verträgen und gerichtlichen Androhungen den automatischen Datenaustausch flächendeckend durchsetzen, quasi als Doppelcheck ihrer Geheimdiensterkenntnisse.
Oder – wahrscheinlicher und deshalb noch bedenklicher – weil jede US-Bundesbehörde gerade dabei ist, ihre eigenen Methoden zur Totalüberwachung unseres Datenverkehrs (und Handelns) entwickelt.
Es wird Zeit, dass wir die zentrale Botschaft der Amerikaner zum Nennwert nehmen: Wir sind deren Feinde.
PS: Wenn die neutrale Schweiz Guantanamo-Häftlingen politisches Asyl gewährt und den USA damit aus der Patsche hilft, muss man sich überlegen, ob nicht auch Herrn Snowden ein sicherer Hafen angeboten werden muss. Schliesslich sind er und die Guantanamo-Häftlinge die beiden Seiten desselben American Silver Eagle.
Wahrsager meint
Nachdem im Netz nachzulesen ist dass alle vier CH-Satellitenstationen in Ausländerhand sind(in welcher wohl?) war glasklar das alles Elektronische gescannt wird was aus der CH kommt und geht.
Rampass meint
Vielleicht keine Kommis und keine Nazis, aber allemal totalitär.
Christoph Maurer meint
Nicht nur wir sind deren Feind:
„Die amerikanische Regierung hat Edward Snowden wegen Spionage angeklagt. Unter Spionage verstehe ich den Geheimnisverrat an den Feind. Tatsächlich aber hat Herr Snowden ein Geheimnis an das amerikanische Volk verraten. Das heißt für mich im Umkehrschluss, die amerikanische Regierung betrachtet ihr eigenes Volk als Feind.“
– Congressman Ron Paul
Jakob Rohrbach meint
Es mag vorher Whistleblower gegeben haben, es mag sie vermutlich auch in Zukunft (eher weniger) noch geben, aber eines ist sicher:
Es gibt eine Zeitrechung vor Snowden und eine Zeit danach. Die Welt wurde durch die Enthüllungen ihrer Unschuld beraubt. Nichts ist mehr so wie es scheint und nichts scheint mehr so wie es war. Wem darf man noch was glauben? Wenn man nun noch die äusserst betrübliche Asyl-Geschichte von Herrn Snowden betrachtet, dann müsste sich eigentlich jeder langsam fragen: wie unabhängig sind Staaten eigentlich noch in ihrem Handeln? Jeder düstere Sience Fiction Geschichte wird durch die Realität zum Kindermärchen degradiert.
Ja, mir bereiteten die Geschehnisse Sorgen, weniger die Tatsache, dass da irgendwer mithört (das musste jeder halbwegs im IT-Business kundige annehmen), sondern die Monströsität, der Umfang und die erst jetzt langsam sichtbaren Auswirkungen.
Für mich sind die Ideale meiner Generation zu Grabe getragen worden.