Lese gerade ein Buch, das im Jahr 1929 endet. Im gleichen Jahr also, in der diese Krimiserie des Deutschen Fernsehens spielt, bei der ich bei Folge acht ausgestiegen bin, weil es mich nicht mehr interessiert hat, wie es weitergeht
Überhaupt befürchte ich, dass mir die Lust auf Serien abhandengekommen ist.
Netflix hatte ich im September noch vor unserer Japanreise gekündigt.
Jetzt, wo die Nächte nicht mehr enden wollen, dachte ich, dass ich denen nochmals eine Chance geben sollte. Weshalb ich mich für einen Probemonat neu angemeldet habe.
Kostet ja nichts.
Aber es sieht nicht danach aus, als könnten sie mich nochmals begeistern.
Auf alle Fälle. Dieses Buch.
Da kommen Ludwig Wittgenstein und Walter Benjamin vor, neben Heidegger und Cassirer.
„Gott ist angekommen, ich traf ihn im Fünf-Uhr-Fünfzehn-Zug“, soll John Maynard Keynes nach seiner ersten Begegnung mit Wittgenstein notiert haben.
Das Buch ist ebenso unterhaltsam wie spannend geschrieben, als handle es sich um das Drehbuch für eine Netflix-Serie.
Und ich frage mich, ob es heute noch solche Biografien gibt von Denkern wie Wittgenstein und Benjamin, die nicht ins Leben reinpassen, aber Gedanken hinterlassen, die zuvor noch nie ein Mensch zu Papier gebracht hat.
Schnörkellos, klar und über weite Strecken unverständlich.
Oder ist es einfach so, dass es die Umstände waren – die Folgen des Ersten Weltkriegs, Inflation und Wirtschaftskrise, Arbeitslosigkeit und private Liebesverstrickungen – die den besonderen Nährboden bildeten, wo solche Genies zur Hochform auflaufen können?
Und der zu solcherart Einsicht führt: „…dass das, was wichtig ist im Leben, sich nicht sagen lässt, sondern sich zeigen muss“.
Was man heutezutage, zugegeben, auch als banalen Kalenderspruch verstehen könnte.
Doch wer liest die noch.
Der Autor sagt, die vier hätten im Gegensatz zu heutigen Philosophen (staatsbeamtete, müsste man beifügen) ihr Denken verkörpert, eine „Denkpersona“ kreiert.
Sie waren schon zu Lebzeiten Kultgestalten der damaligen Bildungselite.
Auf alle Fälle scheint es fast so, dass Kreativität widrige Umstände braucht für den grossen Auftritt.
Oder vielleicht einfach neue Themen, als die so bedeutungsschwere deutsche Philosophie.
Zum Beispiel das iPhone.
altro due elle meint
Ja, diese „Krimiserie des Deutschen Fernsehens“, ein bisschen kitschig, – wenn schon, dann das Buch „Der nasse Fisch“, oder die Hörspielfassung dazu (SWR2).
Das iPhone, dieser schicke Faustkeil, zugleich Herrschaftsinstrument und Schlüssel zur „brave new world“. Ganz frei von Abrakadabra.
paule meint
Vielleicht lebt es sich in wirtschaftlich guten Zeiten trotzdem besser , auch wenn der Horizont den Blick nicht allzuweit schweifen lässt. Zum Beispiel nur bis einem locker beschneiten Bergzug bei schönem Wetter. Sollen sich doch die Nachfahren selbst was denken.
Paula meint
Bei sovielen Klugheiten muss man unbedingt noch Goethe zitieren, sonst wird das nichts : „Wer nicht verzweifeln kann, der muss nicht leben.“