Ausgangslage: Die Eidgenossenschaft will mit einem milliardenteuren Rheintunnel das Autobahn-Nadelöhr nach Deutschland angehen.
Damit ist die lokale Diskussion eröffnet – jeder und jede darf nun behaupten, was das individuelle Weltbild halt so hergibt.
Die Glaubensbekenntnisse: Links-bis-Grün – mehr Strassen gleich mehr Verkehr, wir müssen „die Anwohnenden“ entlasten; die Rechts-bis-Bürgerlichen: Wir müssen die Osttangente entlasten und damit auch die Anwohner.
Was es den Lagern leicht macht: Man hat die Freiheit, sich im Unpräzisen, nach Lagerlust und -Laune, die Zukunft herbei zu fantasieren.
Das nennen sie dann Politik.
Ich nenne das Blindflug-Quatsch.
Angesichts der Milliarden, die wir in den nächsten Jahren in Sachen Klimaveränderung, Wohnungsnot, Gesundheitskosten, Demografie und so weiter ausgeben müssen, wundert es mich schon ein wenig, dass es die Politik nicht präziser wissen will, was Sache ist.
(Beispiel: Als man die Millionen für die Verlängerung des 8er Trams nach Weil bewilligte, wollte man den Pendlerverkehr reduzieren. Wie sich jedoch zeigte, waren das Investitionen in den Bau grenznaher Verkaufsflächen für Basler in Deutschland.)
Fakt: Verkehrsdaten können zwar Informationen darüber liefern, wie sich der Verkehr in der Vergangenheit entwickelt hat und wie er derzeit aussieht, aber sie können keine Faktoren berücksichtigen, die in der Zukunft möglicherweise den Verkehr beeinflussen werden.
Zum Beispiel Veränderungen in der Bevölkerungszusammensetzung, künftige Wirtschaftsaktivitäten, Klimaveränderungen, politische Entscheidungen und so weiter und so fort.
Das Problem: Basel-Stadt besitzt (noch) kein Simulationstool – Stichwort „Smart City“ -, mit dem man die Auswirkungen dieses und anderer Bauprojekte mit unterschiedlichen Szenarien durchspielen kann.
Um bauchgesteuerte Behauptungen harten Fakten auszusetzen.
Also zum Beispiel, ob der Rückbau der Osttangente die Anwohner entlastet und mit welchen Auswirkungen woanders. Oder ob die Verlagerung des Transitverkehrs in den Rheintunnel Basler Binnenprobleme tatsächlich behebt, mit welchen Folgen für, sagen wir, Muttenz.
Einsicht: Weil politischer Blindflug herrscht, können wir getrost davon ausgehen, das beide Lager völlig falsch liegen.
Ohne Simulationen, d.h., ohne dass man unterschiedliche Szenarien – aka Wunschvorstellungen von links bis rechts – auf einem digitalen Zwilling durchspielt, weiss man so gut wie nichts.
Politische Freiheit: Man kann die Ergebnisse solcher Simulationen ignorieren, wenn einem das Ergebnis des Blindflugs noch immer besser gefällt.
Rampass meint
4 Spuren Osttangente durch 4 Spuren Rheintunnel ersetzen bringt sicher keine Entlastung. Auf den Nord-Südverkehr hat Basel etwa so viel Einfluss wie der propagierte „Klimanotstand“ Einfluss aufs Klima hat: keinen, nada, niente.
Dazu braucht’s kein Simulationstool.
Basel prügelt seinen Lokalverkehr über den Rhein auf die A2. Sevogelstrasse geschlossen, Elisabethenstrasse dicht gemacht, Tramhaltstellen mitten auf die Strassen verlegt. Sollte die Osttangente geschlossen werden, dürfte der Lokalverkehr durch endlose 30er-Zonen zur Schwarzwaldbrücke schleichen. Sicher „nachhaltiger“ als ein kilometerlanger Umweg durch einen Rheintunnel via Hagnau / Badischer Bahnhof.
Daniel Flury meint
Hatten wir alles schon mal. Und die Antwort der deutschen Seite war immer klar: Nein! Die Haltung verstehe ich, denn warum sollte das deutsche Umland um Basel die Hauptlast des Verkehrs um das Zentrum Basel herum tragen, nur damit das städtische Links/Grün-Milieu seinen spiessigen Traum von der flächendeckenden Begegnungszone weiterträumen kann? Entweder urbanes Zentrum, oder dann keins.
Phil Bösiger meint
Mein letzter Gedanke gestern Nacht kurz vor dem Einschlafen war…..
Könnte es möglich sein, dass beide politischen Seiten in und um Basel betriebsblind sind? Beim Astra nehme ich diesen Zustand als gegeben hin.
Es gibt doch da so eine klitzekleine, aber fixfertige nördliche Umfahrung auf vier Spuren. Nennen wir sie mal einfach A98, sie verbindet die schweizerische A2 mit der deutschen A5.
Klar, man müsste mit unseren deutschen Nachbarn Gespräche führen und wohl auch ein wenig investieren, vor allem in Rheinfelden-Warmbach.
Aber dieses Autobahn-Dingens steht bereits seit Jahren da, man müsste keinen Rhein untertunneln und keinen Abschnitt bei Schweizerhalle auf acht Spuren erweitern.
Und dann bin ich aufgewacht.