Zum einen möchte ich mich für die engagierte Diskussion hier über „pyromanische Baselbieter Kämpfer“ bedanken.
Zum anderen könnten wir jetzt gleich zur Abstimmung übergehen.
Denn das wird bis September nichts mehr mit neuen Argumenten. Weil wir nach dem aufmerksamen Lesen der Kommentare (mit Reich-Ranicki) feststellen können: „Und so sehen wir betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.“
Das eigentliche Thema, mit dem man sich auseinandersetzen müsste, ist „Veränderung“. Und da verstehe ich, dass es eine Mehrheit gibt, egal wo, die sich vor der Veränderung, dieser unberechenbaren Dame, fürchten, in eine Art Urangst fallen.
Nun ist es aber eine Binsenwahrheit, dass es nichts gibt, wo nicht früher oder später die Veränderung ans Tor klopft und energisch ihr Recht einfordert.
Insofern kämpfen die pyromanischen Baselbieter Kämpfer auf verlorenem Posten.
Mir ist derzeit völlig egal, ob es dereinst zum Zusammengehen der beiden Kantone -Stadt und -Land kommt. Was mich interessiert, ja geradezu fasziniert, ist die Gelegenheit, den unvermeidlichen Veränderungsprozess bewusst, aktiv, überlegt, kreativ, geistreich, klug, gescheit, ideenvoll, originell, einfallsreich, ja und warum auch nicht auch, gewitzt zu gestalten.
Es geht nicht um das Resultat in, sagen wir, zehn Jahren. Es geht um den spannenden und herausfordernden Weg dorthin.
Mich wundert, dass ein an sich kluger Kopf wie Herr Weibel, der sein Geld als Unternehmensberater just mit Veränderungsprozessen verdient, in eine politische Schockstarre verfällt, wenn das Wort „Fusion“ fällt.
Die Ausarbeitung einer gemeinsamen Verfassung ist nichts anderes als ein Parallelprojekt zum politischen Tagesgeschäft. Bei beiden geht es um die Gestaltung einer imaginierten Zukunft.
Der Verfassungsrat ist eine Art Think-Tank, der losgelöst und doch mittendrin sich die Idealform eines Kantons denken kann.
Man muss kein Hellseher sein, um vorauszusagen, dass sich dieses Land in den nächsten zehn Jahren verändern wird wie kaum zuvor. Dinge, die heute nicht mal gedacht werden (dürfen), werden in zehn Jahren eine Selbstverständlichkeit sein. Das Frauenstimmrecht, das Bank(kunden)geheimnis lassen grüssen.
Es ist deshalb nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern geradezu ein Gebot der Stunde, in einer solchen Zeit der Umwälzung eine Standortbestimmung vorzunehmen. Damit man vom Veränderungsprozess nicht einfach überrollt wird.
Solche Standortbestimmungen sind ja selbst für den Landkanton nichts Ungewöhnliches.
1984 hat das Baselbiet der sechsten Version seiner Verfassung zugestimmt, nachdem die seit 1892 geltende über zwei Dutzend Mal geändert worden war.
Bringen wir es auf den Punkt: Die pyromanischen Baselbieter Kämpfer fürchten sich nicht vor dem Resultat des Verfassungsprozesses, sie fürchten sich allein schon vor dem Prozess.
Weil sie wissen, dass dieser Prozess das Baselbiet verändern wird. Weil man sich ohne auf Höhenfeuer ausweichen zu können den Fragen stellen muss: Wer sind wir, was wollen wir?
Denn selbst wenn das Ergebnis dereinst lautet: ein Zusammengehen der beiden Kantone bringt nichts, es wird nie mehr so sein, wie heute. Der Verfassungsprozess wird die politische Landschaft umpflügen, so wie in den sechziger Jahren, als der Kanton Baselland dank der Fusionsdebatte überhaupt erst zu einem modernen Staatswesen wurde.
PS: Die Diskussion um die Kosten, ist ein Witz. Den Status quo zu verwalten kostet deutlich mehr, weil er keine Veränderungen zulässt, siehe Spardebatte.
isaac reber meint
wer nichts wagt, nichts gewinnt?
Beat Hermann meint
Interessant ist das Fragezeichen nach der Aussage.
Yves Krebs meint
Selbstverständlich wäre es effizienter, wenn fünf Weise im stillen Kämmerlein innerhalb eines Jahres eine Verfassung ausarbeiten. ABER: Stellen Sie sich mal den Aufschrei vor innerhalb der SVP BL! Ich höre schon Schlagworte wie „Eliteprojekt!“, „am Volk vorbei!“, „undemokratisch“. Egal welchen Weg wir wählen, es gibt NIE die perfekte Lösung und IMMER Argumente gegen das jeweilige Vorgehen.
Weshalb wurde der VR auf 125 aufgebläht? Das war eine Kompromisslösung, weil sonst jeder das Gefühl hätte, zu kurz zu kommen. Die kämpferischen Scharfmacher haben die paritätische Aufteilung als verfassungswidrig bezeichnet. Deshalb war man gezwungen, den VR nach den Bevölkerungsstärke aufzuteilen, um diese Argumente zu entkräften. Nun folgen Argumente wie „ungleiche Partner“ oder „aufgeblähtes Monstrum.“ Irgend ein Haar in der Suppe findet man immer. Und den Kämpfer-Jüngern kann man es eh nie recht machen. Das ist auch klar.
Der VR muss noch keinen fixfertigen Kanton auf dem Tablett präsentieren. Dies wäre in fünf Jahren möglich. Ein Kanton ist sowieso immer im Wandel. Jedes Gesetz, jeder Verfassungsartikel kann nachträglich jederzeit geändert werden. Lasst den VR einfach mal arbeiten. Oberstes Ziel muss sein, dass der Prozess in Gang kommt. Der Startschuss ist immer das Schwierigste.
Strukturreformen in unserer Region sind sowieso unabdingbar. Es kann so nicht mehr für weitere Generationen weitergehen. Sonst verliert unsere Region bald den Anschluss. Diese Alibi-Bonsai-Wirtschaftsoffensive kann ja wohl kaum unsere Zukunftsperspektive sein.
Die wichtigsten Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fusion – egal ob staatliche Gebilde oder Unternehmen – sind der Wille nach einem WIR-Gefühl und der Glaube an die Chancen. Eine UBS-Studie zeigt klar auf, inwiefern unsere Region profitieren würde von einem einheitlichen Auftritt. Ausser der Wirtschaftskammer begrüssen sämtliche Wirtschaftsverbände den Fusionsprozess. Dies sollte den Hülftenschanz-Wirtschaftsexperten mal zu denken geben, welche nur Schreckensbilder verbreiten wie Steuererhöhung usw.
Eine häufige Strategie der NEIN-Sager ist, den „Fusionisten“ (sie denken, dies sei eine Beleidigung) vorzuwerfen, noch keine Vorteile einer Wiedervereinigung aufgezeigt zu haben. Dabei wollen sie gar keine solchen Argumente hören. Sie sind in Schockstarre mit ihrem Anti-Stadt-Weltbild und denken, in einem vereinten Kanton wären Trachten und Banntage verboten. Anstatt den Jodlerchor Arisdorf oder das Dorftheater Rothenfluh gäbe es nur noch elitäre, hoch subventionierte Hochkultur. Wer für die Fusion ist, ist so oder so links-sozialistisch und ein vegetarischer Wagenplatz-Sympathisant. Falls sich trotz allem mal jemand Zeit nehmen will für PRO-Argumente, kann ich die Webseiten von einbasel.ch und besonders jugendfuereinbasel.ch sehr empfehlen.
Thomas Lüthi meint
Dieser Kommentar ist aus der Perspektive eines Unterbaselbieters geschrieben, der nie im Leben im Oberbaselbiet leben würde. Er gibt die städtische Sicht wieder. Indem die Stadt ihr verlorenes Umland zurückbekommt, geht es dann auch diesem Umland besser, ist offenbar die Meinung. Dabei wird suggeriert, der Kanton Baselland stehe vor dem Abgrund. Da wird von Strukturreformen geschwafelt, die in unserer Region unabdingbar seien. Es könne so nicht mehr für weitere Generationen weitergehen. Ja mehr noch: „Sonst verliert unsere Region bald den Anschluss“.
Da frage ich mich: Von was spricht dieser Mann hier? Was kann nicht weitergehen? Dass Baselland weiterhin selbständig bleibt? Dass es seine Finanzen nicht selber in Ordnung kriegt? Welchen Anschluss verliert unsere Region? Den Anschluss an die übrige Schweiz? Verliert Baselland den Anschluss, wenn es nicht mit Basel fusioniert? Oder verliert Basel den Anschluss, wenn es nicht mit Baselland zusammengeht? Das ist doch alles Gerede. Die Städter wollen ihr Land zurück, die Agglomerationisten fühlen sich als Städter und damit hat es sich. Dass es Herrn Krebs offenbar stört, dass Baselland in einem Verfassungsrat mehr Sitze erhalten soll als Basel-Stadt, zeigt ja wohl genug, welche Bedeutung er der Stadt auch in einem fusionierten Kanton beimisst. Sie soll schon von Anfang an relativ gesehen im Verfassungsrat dominierend sein, damit das mit dieser Verfassung bloss gut herauskommt – im Sinne der Stadt nämlich.
Warum schreibt eigentlich nie jemand, welches die Motive der Stadt Basel sind, um zu fusionieren? Ihr geht es finanziell gut. Die wirtschaftlichen Aussichten sind bestend. Aus Sicht der Fusionisten ist der Kanton Basel-Landschaft ja nicht fähig, sich wirtschaftlich vorwärts zu bringen. Aber warum bloss will die Stadt dieses marode, am Abgrund stehende Baselbiet „heiraten“? Möchte die Stadt womöglich, dass es dem Baselbiet dadurch besser geht? Wohl kaum. Kürzlich habe ich gelesen, dass Fusionsgegner aus der Stadt befürchten, in einem Kanton Basel würden die Bürgerlichen auch in der Stadt das Szepter übernehmen. Auf der Landschaft haben sie ja schon die Mehrheit. Das ist natürlich Blödsinn. Nach ein paar Jahren käme es zu den ersten Eingemeindungen. Was ja in einem Kanton Basel durchaus Sinn machen würde. Fazit: Die Stadt Basel wird mächtiger und politisch dominanter gegenüber der Landschaft. Oder glaubt noch jemand im Ernst, dass in einem fusionierten Kanton Liestal zur Hauptstadt erkoren würde?
Also: Arbeiten wir zusammen in guter Partnerschaft. Der Wille dazu ist da. Statt viel Energie in eine unnötige Fusion zu investieren, pflegen wir unsere Partnerschaft in politischer Unabhängigkeit voneinander. Und gewissen Fusionisten empfehle ich, den Spott und Hohn etwas zu dämpfen, den sie über den Anhängern eines selbständigen Baselbiets immer wieder ausschütten. Denn wenn sie so weitermachen, fahren sie am 28. September garantiert eine Niederlage ein.
G. Koller meint
Da wäre ja auch noch die Befindlichkeit all der Menschen zu berücksichtigen, die in den letzten, sagen wir mal, fünfzig Jahren zugezogen sind. Sie fühlen sich weder als Basel-Städter noch als Basel-Landschäftler, sondern als Bewohner einer Region, die durch den Jura ein wenig von der übrigen Schweiz abgeschnitten ist.
Historisch betrachtet kann man die Aversion von Basel-Landschaft gegen eine Fusion noch nachvollziehen, zuerst wurde sie von ein paar adeligen Familien beherrscht, dann fünfhundert Jahre lang von der Stadt als Untertanengebiet bewirtschaftet. Das ist im 19. Jahrhundert Teil des Gründungsmythos geworden, und dient heute immer noch als Legitimation des Dagegenseins.
Das hat nichts mehr mit der Realität, wie sie sich heute präsentiert, zu tun. Wie viele Menschen aus dem Baselbiet finden ihr Auskommen und ihren Verdienst in der Stadt? Wie viele Menschen sind, während sie genau dieser „Abhängigkeit“ zur Stadt sich erfreuen, aufs Land gezogen? Das ist doch ein Geben und Nehmen, wie man es schöner nicht beschreiben könnte.
Man könnte nun noch untersuchen, ob sich der Menschenschlag, um diesen altmodischen Begriff wieder mal zu gebrauchen, in der Stadt und auf dem Land wirklich so fundamental unterscheidet. Die Bevölkerung ist doch längst in Ausmass durchmischt, dass man nicht mehr von grundlegend verschiedenen „Stämmen“ oder Völkern reden kann.
Als Zugezogener kann man diese Anti-Einstellung nicht nachvollziehen. In wessen Interesse wird dieser Mythos eigentlich am Leben erhalten? Es scheint ein Geheimnis zu sein.
Wenn man etwas aus der (neueren) Geschichte lernen kann, dann dies, dass Veränderungen meist von aussen her nicht nur angestossen, sondern auch aufgezwungen worden sind, – es wird auch diesmal nicht anders sein. Und die Frage, was wird dann aus dem Stedtli (Liestal), dürfte dann wohl kaum im Mittelpunkt stehen. Und so oder so, wir alle werden Opfer sein.
Thomas Lüthi meint
Ich weiss nicht, wie Zuzüger über den Kanton Baselland denken. Ob sie sich als Baselbieter fühlen oder als Regionalisten oder einfach nur als Menschen an einem Ort, der geradesogut woanders sein könnte. Das ist völlig unwichtig für die Fusionsdebatte. Auch die historischen Gründe für die Selbständigkeit des Baselbiets interessieren heute nicht mehr. Das haben die Fusionisten auch noch nicht begriffen.
Hingegen – und das müssen wir diskutieren – gibt es Mentalitätsunterschiede zwischen Stadt und Land. Ich sage es ganz offen: Das Land interessiert sich vielmehr dafür, was in der Stadt abläuft und nimmt die Stadt als wichtiges Zentrum wahr. Umgekehrt ist das anders: Die Stadt, oder besser gesagt, viele Städter interessieren sich nicht für die Landschaft als politisches Gebilde, schon gar nicht das Oberbaselbiet. Als Wandergebiet mag diese Region willkomen sein. Zur Erholung. Es gibt dort frische Kirschen, knuspriges Brot vom Bauern etc. Die Bräuche hier oben sind den Städtern schon wieder fremd. Das Dorftheater, der Eierläset, das Wurstfest etc. – das alles ist für den Städter gut und recht. Aber für ihn sind das alles nicht gleichwertig wie mit der städtischen Kultur, mit dem Theater, der Oper, den Nachtclubs, den Szenelokalen etc. Moderne Urbanität, wie sie die Städter lieben, und rurale Bescheidenheit der Landschaft – da wird es immer Gefühlsunterschiede geben. Die Ortsnamen aus dem Oberbaselbiet kennen die meisten Städter nicht. Bis Liestal reicht die Erinnerung, vielleicht noch nach Sissach, aber dann ist Schluss.
Dass sich die Landschaft seine politische Unabhängigkeit und Selbständigkeit erhalten möchte, ist doch nur zu selbstverständlich. Eine politische Grenze stört doch dieses Leben in unserer Region nicht. Warum kann man sich nicht gegenseitig als politisch eigenständige Partner respektieren. Mentalitätsunterschiede zwischen Stadt und Land werden mit einer Fusion nicht verschwinden. Aber die Leute sind zufriedener. Lebenswirklichkeit, um dieses Wort der Fusionisten zu verwenden, Lebenswirklichkeit impliziert immer auch politische Grenzen. Der Osten des Kantons Aargau und der Westen des Kantons Zürich sind längst zu einer wirtschaftlichen Einheit verschmolzen. Das ist Lebenswirklichkeit. Die politische Grenze dort stört niemanden. Ebensowenig jene zwischen den Kantonen Genf und Waadt. Dort ist Lebenswirklichkeit schon längst, dass man zusammen arbeitet. Eine Fusion von Genf und der Waadt war übrigens auch schon ein Thema, hatte aber politisch keine Chance.
Ich habe ein gutes Gefühl für den 28. September. Beenden wir diese sinnlose Debatte um die Fusion und wenden uns wieder den echten Problemen zu.
gotte meint
noch ein wort zu den angeblichen kulturunterschieden. genauso, wie es in basel-stadt laienbühnen, laienchöre, fasnachtscliquen, trachtengruppen, schwingervereine, turnergruppen oder lesezirkel gibt, genausowenig ist jeder oberbaselbieter ein laienschauspieler, ein turner, ein dorfmusiker oder eine fahnenschwingerin. das ist doch einfach LÄCHERLICH, hier von kulturunterschieden zu sprechen oder hier einen stadt-land-gegensatz zu basteln, der einem politischen miteinander entgegenstehen würde. die baselbieter, die behaupten, im baselbiet sei alles noch währschaft und ursprünglich, tun so, als wäre baselland ein agrarkanton! bitte??? (schon im 19. jh. war das oberbaselbiet eng mit der wirtschaft der stadt basel verbunden, deshalb wollte es sich gar nicht von der stadt lösen). wie viele oberbaselbieter sind denn heute noch in der landwirtschaft tätig? warum werfen wir denn den baslern vor, sie würden uns minderwertig behandeln und so tun, als würde uns der mist an den schuhen kleben, wenn wir bei anderer gelegenheit SELBER SO TUN, als wäre dem so? das ist doch einfach absurd, es entspricht doch in keiner weise der lebenswirklichkeit der menschen in dieser region!
und noch was: versuchen Sie mal einem amerikaner, einer schwedin oder einem italiener zu erklären, worin der kulturelle gegensatz zwischen einem basel-städter und einem binninger, einem arlesheimer, einer birsfelderin oder einem oberwiler besteht. auch das sind ja baselbieter, nicht nur die ammeler und die diepfliger.
Siro meint
etwas off-topic: Es ist ihr gutes Recht, gotte, dass Sie hier anonym auftreten. Doch ich habe etwas Mühe damit, mit einem Phantom diskutieren zu müssen.
gotte meint
„gotte“ ist kein phantom, sondern eine persona. „gotte“ existiert ausschliesslich auf arlesheim.reloaded und verfolgt politische debatten im baselbiet, ganz nach dem motto: wer bin ich und wenn ja, wie viele?
Hp. Weibel meint
Lieber Siro ich sehe das gleich und nehme mir die Freiheit, Kommentare von Phantomen nicht mehr zur Kenntnis zu nehmen und nicht zu kommentieren. In einer Fundamentaldiskussion sollte man mit offenem Visier hinstehen können. Eingenverantwortung fängt bei der Identität an. Wer nicht eigenverantortlich handeln kann, kann auch nicht für sich in Anspruch nehmen, Verwantwortung für oder von Dritten wahrzunehmen. Wer sich politisch engagiert, weiss, dass er auch einstecken muss. Anonymität ist ein Mittel, sich dem zu entziehen. Man beschränkt sich dann aufs austeilen.
gotte meint
Zu herrn weibel: ich verzichte aufs kaempfen, erst recht mit offenem visier, denn ich brauche keinen schmiss fuers gluecklichsein. Ich beschraenke mich aufs schreiben und auf argumente. Der verzicht auf namen rueckt die sache selbst in den vordergrund, jedem ist freigestellt, beitraege zu lesen oder zu ignorieren.
Beat Hermann meint
Herr Lüthi, Ihr Gedanke ist dort interessant, wo Sie für eine Partnerschaft einstehen.
Jahrelang habe ich vor allem auch im Vergleich zu anderen Regionen wie Zürich, Bern, Basel, Lausanne, St. Gallen gedacht, dass eine Partnerschaft zwischen den beiden Basel die einzigartige Chance biete, Probleme des Ausgleichs zwischen Stadt und Umland auf Augenhöhe zu regeln. Dummes Zeug: aus im Einzelfall immer erklärbaren Motiven heraus hat der Eine immer den Anderen irgendwie brüskiert oder über den Tisch gezogen. Insbesondere Liestal hat sich diesbezüglich profiliert.
Ich bin zwischenzeitlich desillusioniert. Wir Baselbieter haben es nicht nur geschafft, die Partnerschaft zu schleifen, wir haben gleichzeitig den Kanton finanziell heruntergewirtschaftet, wir haben im Vertrauen auf das Geschäftsmodell „Speckgürtel“ die wirtschaftliche Entwicklung des Kantonsgebiets verpennt und zu guter Letzt spricht die Demographie gegen uns. Kulturelle Unterschiede hin oder her, Miststock hier oder dort, das Baselbiet ist reif für massive Veränderungen.
Das andere Element ist Europa und die historisch interessante Lage von Basel am Südende des Oberrheingrabens. Basel kann von den Ständen auf der anderen Seite des Jura nichts erwarten. Wir müssen uns das Hinterland selbst erschaffen, was der Stadtkanton mit den Tramlinien nach Weil und St. Louis, mit der Verlagerung eines Teils der Rheinhäfen wegen Reinhattan machen wird. Als Baselbieter ist die Frage eher, wie können wir Teil dieses Prozesses sein und vor allem die Zukunft mitgestalten?
Diese Gedanken wachsen in mir, wenn ich die Fussgängerpasserelle über den Rhein zwischen Hüningen und Weil überquere, wenn ich lese, dass Basel im Mittelalter den Wiederaufbau des kriegsversehrten Strasbourg finanziert hat. Es eröffnen sich Dimensionen, welche im täglichen Kleinklein völlig untergehen.
Siro meint
Kaum jemand interessiert sich mehr für die Vergangenheit. Das zeigen auch Ihre Ausführungen. Immerhin rund die Hälfte des heutigen Baselbietes hat mit der Stadt-Basler Herrschaft (praktisch) gar nichts zu tun. Durch einen historischen Zufall am Wiener Kongress gehörte das Bireck zwischen 1815 bis 1832 zum Kanton Basel. Das Laufental gar nie. Diese Gebiete könnten heute auch französisch oder bernisch sein.
Meury Christoph meint
Nachdem man sich gegen die Städter eingeschossen hat, kann man den Kreis der «Parasiten» noch etwas erweitern und die Agglomerationsgemeinden als Gegner dazu nehmen. Alle wollen den Oberbaselbieter nur Böses. Daher darf man diese Gegner auch als «Fusionisten» betiteln, welche selbstverständlich nur egoistisch handeln und deren Motivation eigentlich in der reinen Landnahme (Annexion) besteht. Das ist jetzt doch ein bisschen einfach gestrickt. Darf man bei dieser Gelegenheit erwähnen, dass das absolut selbständige Oberbaselbiet finanziell folgendermassen aufgestellt ist: 20 Gemeinden zahlen 2013 im Kanton Baselland in den Finanzausgleichstopf. 66 der insgesamt 86 Gemeinden erhalten dagegen Ausgleichszahlungen. Diese betragen total 63,5 Millionen Franken. Der finanzielle «Anschluss» ist vorläufig also noch gewährleistet. Aber ob dies immer so bleiben wird, steht vermutlich in den Sternen…
Also gibt es offensichtlich unterschiedliche strukturelle Probleme, welche langfristig gelöst werden müssen. Dies auch, weil die Gebergemeinden nicht mehr gewillt sind hier grenzenlos solidarisch zu sein. Solidarität scheint sowieso für die Oberbaselbieter eher eine Einbahnstrasse zu sein und wird nur moniert, wenn’s dem eigenen Geldbeutel dient. Die Usanz des Finanzausgleichs strapaziert den inneren Zusammenhalt, wenn diese Probleme nicht gelöst werden. Spätestens jetzt, wo einzelne Gebergemeinden rigoros sparen müssen und der Bevölkerung unangenehme Sparpakete präsentieren, ist das Murren unüberhörbar. Es muss also etwas getan werden. Es ist daher eine kühne Behauptung zu sagen, dass es keine Probleme gibt und alles paletti ist. Den Kopf in den Sand stecken und eine selbstgefällige Autonomie proklamieren ist wenig lösungsorientiert, sondern verschiebt alle Problem zur nächsten Generation. Problem ignorieren und aussitzen ist sicher eine Baselbieter Stärke, aber keine mit Zukunft.
Siro meint
Eine Verfassung zur erarbeiten ist das Eine: Sie können eine moderne Verfassung nehmen und diese weitgehend kopieren. Bei einigen Bestimmungen sind die Ortschaften, Bezeichnungen und Zahlen auswechseln, und das meiste wäre erledigt. Der Prozess beginnt erst danach. Jede einzelne Sache muss dann in Gesetzgebungsverfahren geregelt werden.
Ich möchte das am Beispiel der Steuern der juristischen Personen aufzeigen:
Die Verfassung von BL sagt heute:
– § 131 Kantonale Steuern
1 Der Kanton erhebt: (…) b. Ertrags- und Kapitalsteuern von den juristischen Personen; (…).
– § 132 Gemeindesteuern
1 Die Gemeinden erheben: (…) b. Ertrags- und Kapitalsteuern von den juristischen Personen. (…).
Die Verfassung von BS sagt heute:
– § 122. Steuern und andere Abgaben
1 Der Kanton erhebt von natürlichen und juristischen Personen direkte Steuern.
– § 61. Steuern, Kausalabgaben, Gemeindevermögen
1 Die Einwohnergemeinden erheben: a) eine Einkommenssteuer von natürlichen Personen, b) Grundstückgewinnsteuern.
2 Das Gesetz kann die Einwohnergemeinden ermächtigen, weitere Steuern zu erheben.
Es ist ein Leichtes, sich im Verfassungsrat für die Variante BL oder BS zu entscheiden. Doch erst im Gesetzgebungsverfahren zeigt sich, welche Auswirkungen diese enorm wichtige Frage hat: Wer erhält welchen Anteil von hunderten Millionen Franken an den Steuereinnahmen der juristischen Personen? D. h. wie viel versteuern diese im Kanton und/oder in den Gemeinden?
Versteuern die Unternhemen (weitgehend) in den Gemeinden, würden die Einwohner der Gemeinde Basel davon profitieren (Big Pharma …), versteuern die juristischen Personen (weitgehend) im Kanton, würden die Bewohner der anderen 88 Gemeinden profitieren. Die politischen Kämpfe um diese Frage dürten enorm sein, doch davon hat der Verfassungsgegber (rechtlich gesehen) noch keine Ahnung.
Die Auseinandersetzung in dieser Sache und in tausenden von anderen Dingen dürfte sich bei einer seriösen Arbeit über Jahre dahinziehen.
Gehört der Speigelhof dem Kanton oder der Gemeinde, wer bezahlt wem eine Entschädigung? Ist der Morgartenring Kantons- oder Gemeindestrasse? Wer bezahlt die Renovation des Münsters? Subeventioniert die Gemeinde Basel das Theater? Wem gehören die IWB? Was wird aus den BVB? Soll die Gemeinde Allschwil ihr Schulhaus noch renovieren müssen? Wer verbietet Temp 30 in der Grenzacherstrasse? Was geschieht mit dem stillgelegten Hallenbad in Birsfelden und mit der Bauruine in Gelterkinden? Wird die Ortsdurchfahrt in Langenbruck noch mit Baselbietern Geldern saniert oder zögert man die Sanierung hinaus, damit auch die Einwohner in Basel, Riehen und Bettingen mitfinanzieren?
In der ganzen Zeit des Fusionsprozesses müssen die bestehenden Kantone weiterexistieren. Sie müssen planen, investieren, entscheiden, sie müssen gut regiert sein. Und wenn das Volk zu wichtigen Gesetzen wie dem Steuergesetz sein Placet nicht erteilt, gerät der Prozess für Jahrzehnte ins Stocken. Für die Bürger und die Politik ist Rechtssicherheit und Planbarkeit jedoch unerlässlich und einer der Standortvorteile der Schweiz.
Ich befürchte, dass wir uns beim von den Initiatien bzw. vom Gegenvorschlag vorgeschlagenen Prozess extrem schwächen und unseser Standort gegenüber sämtlichen Kantonen extrem an Attraktivität verlieren wird. Es gäbe andere Prozesse, die dieses Problem vermieden hätten.
gotte meint
alles, was Sie ansprechen, ist richtig – bloss: Sie verkennen, dass alle die fragen, alle probleme, die Sie ansprechen, letztlich nicht durch die fusionsdebatte ENTSTEHEN, sondern allesamt bereits heute in genau dieser art existieren. die fusionsdebatte ist vielmehr eine OPTION, eine mögliche lösung für diese fragen zu finden. denn: alles, was Sie ansprechen, ist letztlich die frage der verteilung des geldes (und des wohlstands) zwischen den städtischen gemeinden und den ländlichen gemeinden. und zwischen den einwohner- und der bürgergemeinden. dieses thema ist nicht nur ein interkantonales thema, sondern auch ein BL-thema erster güte. die bürgergemeinden des oberbaselbiets schwimmen im geld, während die einwohnergemeinden darben und sich vom speckgürtel alimentieren lassen. auch in der schweiz: die ländlichen kantone dürfen ihre wasserzinsen behalten, während die städtischen kantone ihre einkommenssteuern teilen müssen. auch das geschacher, ob der heuweg in oberlupfigen kantons- oder gemeindestrasse ist, findet sich im bund wieder, siehe das gezerre um autobanhnkilometer. müssen wir nicht endlich dieses kässeli-hin-und-her-schieben beenden? würde es nicht darum gehen, eine staatsform zu finden, die zwischen den gemeinwesen nicht anreize schafft, dem andern den eigenen mist aufzubürden (nein, die antwort hierzu ist nicht zentralismus und einheitsstaat). die chance auf diese debatte bietet sich. und noch was: wenn Sie selbst oder die bürgerlichen parteien in BL lösungen präsentieren könnten zu diesen fragen, dann wäre doch der sache gedient. (und mit höhenfeuern hat dies nun definitiv nichts mehr zu tun).
Siro meint
Dann bringe ich ihnen ein anderes Beispiel, bei dem es um die Beziehung Bürger-Staat geht und bei der Rechtssicherheit und Planbarkeit ebenfalls von hoher Bedeutung sind: Bauvorschriften.
Nehmen Sie an, Ihnen wurde ein Sonnensegel im Garten gestohlen. Sie möchten dieses – tatsächlich – ersetzen. Wenn Sie nicht wissen, ob es dafür künftig eine Baubewilligung braucht, oder ob es überhaupt noch erlaubt ist, schaffen Sie sich vielleicht (noch) ein Sonnensegel an, solange es noch geht. Wenn es nicht um ein Sonnensegel geht, sondern um einen neuen Stararchitekten-Büro-Turm, der in Planung ist, wie verhalten Sie sich dann?
Oder: Sie müssen heute beim Ersatz einer Elektroheizung Sonnenkollektoren aufs Dach setzten. Wenn Sie nicht wissen, was in zwei Jahren für eine Bauvorschrift gilt, was machen Sie dann mit ihrer bestehenden Elektroheizung? Zuwarten oder bauen?
Sie haben ein denkmalgeschütztes Gebäude und müssen sanieren. Bisher haben Sie einen Beitrag erhalten. Bekommen Sie diesen künftig noch? In welcher Höhe? Für welche Arbeiten? Muss das Dachfenster historisch aussehen oder bewusst neu?
Überjahrzehnte galten diese (dümmlichen) Nutzungsziffern. Gibt es solche noch/wieder? Wintergarten und Dachstock noch schnell ausbauen?
Auch über Hecken kann politisch heftig gestritten werden: Darf die Hecke bleiben?
Exkurs zur Verwirrung: Wie sehen künftig die Steuerabzüge beim Liegenschaftsunterhalt aus, kann der Ersatz des Sonnensegels als Unterhaltskosten abgezogen werden?
All diese Fragen stellen sich grundsätzlich auch in den bestehenden Kantonen. Der Unterschied ist jedoch, dass innerhalb kürzester Zeit die gesamte Rechtsordnung in Frage gestellt werden muss. Und jeder politische Entscheid ist für den einzelnen Bürger unvorhersehbar und zuweilen willkürlich. Es gibt zum neuen Recht keine Praxis, keine Rechtsprechung. Alles wird neu entschieden und geändert, weil der Fusions-Prozess es verlangt.
Meury Christoph meint
@siro: Die Taktik ist so clever, wie schlitzohrig: Ich dokumentiere kurz an einem x-beliebigen Beispiel, dass das Erstellen einer neuen Verfassungsgrundlage komplex und nichts für Amateure ist, um dann zu folgern, dass man dies dem Fussvolk nicht zumuten kann, weil die aufgeworfenen Probleme & Fragen nur etwas für Profis sind. Damit ist offensichtlich weiterhin nur die bestehende Mannschaft gemeint. Ergo soll alles beim Alten bleiben, weil die bestehende Mannschaft dafür keine Zeit und keine Lust hat. Das Geldargument sollte man in diesem Zusammenhang nicht bemühen: a) weil dies eine Investition in die Zukunft ist, b) weil es richtig ist, neue personelle Ressourcen dafür zu akquirieren und c) weil wir das Geld im Kanton Baselland schon für bedeutend dümmere Sachen ausgegeben haben.
Ich gebe dabei aber auch zu bedenken, dass man eine Sowohl-als-auch-Haltung einnehmen, oder/und auch arbeitsteilig funktionieren kann: Die Einen führen den Betrieb weiter und die Anderen (vorwiegend die kommende Generation) engagieren sich für die zukünftige Verfassungsadaption. Man muss die Dinge ja nicht von heute auf morgen entwickeln und Vieles wird auch nicht völlig neu sein. Die Überprüfung des Bestehenden und die Weiterentwicklung passiert einfach in einem grösseren Kontext und auf mehrere Köpfe verteilt und orientiert sich an unseren aktuellen Fragen.
PS.: Ist die bestehende Mann- und Frauschaft überfordert, kann man sie einfach abwählen und neue, frische und unverbrauchte Menschen wählen. Es scheint sowieso offensichtlich, dass, sowohl im Parlament, wie auch in der Regierung langsam vatikanähnliche Zustände sich breit machen. Nur noch ältere Herren scheinen dafür berufen. Regierungsräte über 50 scheinen bereits ein Muss (in der Wirtschaft sind Führungskräfte jünger und auch öfters kommen Frauen zum Zug).
Obwohl zum Beispiel auch die SP junge fähige PolitikerInnen hat (Juso BL), stehen ihnen die Alten im Licht und in der Sonne. Das gilt für alle anderen Parteien analog.
Ein möglicher Zusammenschluss der beiden Kantone ist ein Zukunftsprojekt.
Ergo muss die kommende Generation diesen Diskurs führen und man muss ihnen dafür Raum, Zeit und Geld geben.
Bringold Margareta meint
Siro, Sie schreiben, es sei ein Leichtes für den Verfassungsrat, sich für die Variante BS und BL, sprich Steuergesetz BS oder BL zu entscheiden. Geht Ihre Gestaltungsphantasie nur so weit? Es geht doch nicht darum, dass der Verfassungsrat sich für eine bestehende Variante entscheidet. Es geht doch darum, dass sich ein paar fähige Leute überlegen, welches Steuergesetz wir brauchen, um bei Ihrem Beispiel zu bleiben. Beide Kantone BS und BL stehen im interkantonalen Steuergesetz schlecht da, denken wir nur an die exobitant hohe Vermögenssteuer. Da müsste sich der Verfassungsrat wohl über den regionalen Tellerrand beugen und sich an den attraktiveren Steuerstandorten orientieren und sich überlegen, wie ein attraktives, gerechtes und verwaltungsökonomisch effizienten Steuergesetz aussehen müsste. Grundsätzlich wäre es Aufgabe der bestehenden Regierung und Parlament, den Kanton weiterzuentwickeln und die Gesetze entsprechend anzupassen und zu erlassen. Unsere Regierung war aber die letzten vier Jahre in einem permanenten Wahlkampf und hatte offenbar keine Zeit zu regieren. Das Parlament war ebenfalls vor allem mit sich selbst beschäftigt und machte nicht mit wirklich innovativen Ideen von sich reden. Parteiaustritte und -uebertritte, Diskussionen um Fraktionsausschlüsse, Gipfeligate und Folkloregesänge bleiben mir in Erinnerung, wenn ich an die Arbeit des Landrates denke. Kein wirklicher Leistungsausweis für diese Legislaturperiode. Es wäre wirklich an der Zeit, wenn sich ein paar Leute Gedanken machen würden, wie die Zukunft unserer Region gestaltet wird. Ein Verfassungsrat wäre dafür meines Erachtens die richtige Instanz. Zu hoffen wäre dann allerdings, dass in diesem Verfassungsrat ein paar neue unverkrampfte Kräfte mitdenken, die ein bisschen mehr Fantasie haben als Sie.
Siro meint
Nein, da haben Sie mich nicht richtig verstanden. In den bestehenden Verfassungen steht nur, welche Steuern wer erhebt. Mehr nicht. Das Thema Steuern ist mit wenigen Sätzen erledigt. Was sie ansprechen steht in den Steuergesetzen und nicht in den Verfassungen. Wie hoch z. B. der Tarif einer Vermögenssteuer sein wird, wird der Verfassungsrat wohl kaum in der neuen Kantonsverfassung selbst regeln wollen. Dafür ist dann das neue Volk und das neue Parlament und zuständig, so das Verfahren gemäss Abstimmungstext, worüber im September abgestimmt wird.
Bringold Margareta meint
Ueber Ihre Hecken und Sonnenkollektoren wird der Verfassungsrat ja auch nicht diskutieren. Aber der Verfassungsrat wird darüber diskutieren, wie der neue Kanton aussehen kann und da braucht es meines Erachtens Politiker, die im Denken flexibel sind und auch neue Ideen zulassen und sich nicht nur auf das Bestehende in Basel-Stadt und Basel-Landschaft stützen.
Meury Christoph meint
«Mir ist derzeit völlig egal, ob es dereinst zum Zusammengehen der beiden Kantone – Stadt und Land – kommt. Was mich interessiert, ja geradezu fasziniert, ist die Gelegenheit, den unvermeidlichen Veränderungsprozess bewusst, aktiv, überlegt, kreativ, geistreich, klug, gescheit, ideenvoll, originell, einfallsreich, ja und warum auch nicht auch, gewitzt zu gestalten.»
Diesen Satz würde ich dick unterstreichen! Hier liegt doch die eigentliche Motivation einen Diskurs zu führen und Veränderungen auszuloten. Wir wollen die Welt, unser Gemeinwesen und unsere Zukunft aktiv gestalten. Das stumpfe Verwalten genügt uns nicht mehr. Das sollte Ansporn sein, sich mit den Fusionsfragen und zukünftigen Optionen auseinanderzusetzen. Die Zukunft wird sowieso kommen. Man kann sie nicht aufhalten und die Jungen und kommende Generationen werden früher oder später die «Alten Säcke» wegputschen oder in einem ritualisierten «Königsmord» ersetzen. Da nützt es nichts, wenn jetzt geklammert wird.
Keine Generation hat das Recht eine zukünftige Generation zu verhindern und ihre Ideen zu unterbinden und den Entwicklungen im Wege zu stehen.
«Es ist deshalb nicht nur eine Frage der Vernunft, sondern geradezu ein Gebot der Stunde, in einer solchen Zeit der Umwälzung eine Standortbestimmung vorzunehmen. Damit man vom Veränderungsprozess nicht einfach überrollt wird».
Hp. Weibel meint
„Mich wundert, dass ein an sich kluger Kopf wie Herr Weibel, der sein Geld als Unternehmensberater just mit Veränderungsprozessen verdient, in eine politische Schockstarre verfällt, wenn das Wort “Fusion” fällt. “
Zunächst bedanke ich mich für die Provokation. Ich verfalle keineswegs in eine Schockstarre und ich habe kein Hülftenschanzgen im Hinterkopf. Und ich habe genügend Veränderungsprozesse erlebt und begleitet, um die zentralen Mechanismen in der Praxis zu kennen. Politische Prozesse mögen da etwas anders ablaufen, andere Motive spielen eine Rolle, aber die Gesetzmässigkeiten sind immer die selben: Identifiziere in einem Veränderungsprozess mögliche Gewinner (und hinterfrage ihre Argumente auf Realisierbarkeit), verstehe die Ängste der potenziellen Verlierer und mache ihnen ein Angebot und motiviere die Gleichgültigen, sich für eine Gruppe zu entscheiden.
Dies haben diejenigen, die den Prozess angestossen haben, schlicht und einfach nicht oder völlig ungenügend gemacht und sie wollen diese Aufgabe nun einem 120-köpfigen Verfassungsrat während den nächsten 10 Jahren überlassen. So ein Prozess kann nur schiefgehen. Wir haben es mit moving targets zu tun; in der Zeit und in den Protagonisten. Weder BL noch BS können sich einen Stillstand erlauben. Beide Kantone müssen ihre Hausaufgaben lösen, dass sie überhaupt fusionsfähig werden könnten. Dies ist heute nicht der Fall. Annäherung über Kooperationen und Vereinbarungen ist ein durchaus vielversprechender Weg. Vermutlich sogar effizienter.
Aber wer heute behauptet, mit einer Fusion werde alles besser und v.a. auch günstiger, der ist ausserhalb aller Realitäten. Solange BS und BL es nicht schaffen, in wirtschaftlich guten Zeiten Schulden abzubauen und einen ausgeglichenen Haushalt anzustreben, fehlt eine ganz wichtige Basis für eine erfolgreiche Zukunft: Das umzuverteilende Geld! Und Verwaltungen (und davon gibt es in BS mehr als nötig!) sind nun einmal nicht wertschöpfende Gebilde, sondern im wesentlichen kostentreibende Steuerfaktoren (bitte mir jetzt nicht erklären wollen, dass staatliche Aufgaben notwendig sind; wir sprechen hier von Umfang und Notwendigkeit).
Der Fusionsprozess ist in meinen Augen falsch aufgegleist, ineffizient organisiert, über eine zu lange Zeit mit einem das übrige politische Leben lähmenden Prozess verbunden (alle warten wie die Katze vor dem Mausloch auf ein mögliches Resultat!). Und ich spreche hier nicht nur von den Kosten, sondern auch von den Unkosten, weil notwendige Veränderungen noch länger auf die lange Bank geschoben werden. Ich bin also weit entfernt von einer Schockstarre!
M.M. meint
Derzeit behauptet eigentlich niemand etwas. Aber eben, wer meint „so ein Prozess kann nur schiefgehen“ leidet unter Schockstarre.
„Annäherung über Kooperationen und Vereinbarungen“ bedeutet unter dem Strich Verwaltungslösungen unter Umgehung der Citoyen.
In zehn Jahren bist du 71 und ich 75. Also was soll’s. Unsere Kinder sollen entscheiden.
gotte meint
„fusionsprozess falsch aufgegleist“ – der prozess ist so aufgegleist, wie es die demokratie, die beiden kantonsverfassungen und die bundesverfassung vorgeben. „ineffizient organisiert“ – wir sprechen von gemeinwesen, nicht von firmen. „in BS gibt es mehr Verwaltungen als nötig“ – leider vergessen die BL-rotstäbler immer, dass es in BL noch die eine oder andere gemeindeverwaltung gibt.
was also spricht für den fusionsprozess? er ist das gefäss für die debatte, in welche zukunft sich die region (und sogar die schweiz) weiterentwickeln wird. und er bietet eine chance, durch diese debatte das polit-pulverfass der zukunft schlechthin vielleicht zu entschärfen: den stadt-land-gegensatz, der auf die dauer nicht nur für das baselbiet selbst (oben/unten), nicht nur für die region basel (stadt/land), sondern auch für die schweiz insgesamt eine recht gefährliche dynamik entwickeln kann. diese themen wären in einem verfassungsrat anzusprechen. und unter uns: ist es denn nicht bereits der erste erfolg der fusionsinitiativen, dass das baselbiet selbst in bewegung gerät? vielleicht wirken auch deshalb alle selbstgefälligen ausfälle (ich spreche nicht von den argumenten, sondern von den inszenierungen und den diffamierungen) der fusionsgegner so seltsam deplatziert.
Städter meint
Das Elementarste aller Argumente wird sein (um die Mehrheiten hinter sich zu bringen) : Synergie-Effekte in der Verwaltung, Kostenersparnisse. Hier sollte noch versucht werden, mehr Konkretes zu erarbeiten, um die Zweifler zu überzeugen. Wie man ja weiss, verwalten sich Beamtenapparate häufig selber. Wenn es gelingt, hier klare Vorgehensweisen aufzuzeigen, dann sind auch Mehrheiten im BL für eine Fusion möglich.
Thomas Lüthi meint
Die Verwaltung wird in einem fusionierten Kanton natürlich grösser, schwerfälliger, und sie verliert an Bürgernähe. Um das herauszufinden, brauchen wir keinen Verfassungsrat. Fusionisten sprechen immer nur über technische Fragen: Komplexe Verfassungsarbeit, Steuerrecht, wie muss das organisiert sein, wie jenes? Als ob zwei Firmen zu fusionieren seien. Aber hier geht es um Politik. Die Region Basel ist genau so stark oder schwach, wenn die beiden Kantone in Partnerschaft zusammenarbeiten. Eine Fusion ändert nichts. Oder glaubt etwa jemand, dass in einem Kanton Basel die Bundesparlamentarier dann geeinter in Bern auftreten werden als heute? Sind sich SP und SVP in einem fusionierten Kanton näher als heute? Wohl kaum.