Nein, der Mann ist nun wirklich nicht zu beneiden.
Seit Monaten geht das nun schon so: Eine Schlagzeile löst die andere ab. Und jedes Mal denkt man: Das kann doch nicht wahr sein.
Nein, Herr Dürr ist nicht zu beneiden. Weshalb sich langsam so etwas wie Mitgefühl unter die allgemeine Empörung mischt. Weil wir alle das auch schon durchgemacht haben: Es gibt Zeiten, da hat sich das Schicksal gegen einen gewendet. Kaum hat man ein Problem gelöst, meldet sich das nächste. Dies nährt die Vorstellung beim Publikum, dass das alles irgendwie einen Zusammenhang hat.
Nur so kann es sich einen Reim aufs Chaos machen.
Ja, Herr Dürr hat recht: Zwischen den einzelnen Ereignissen, die sein Departement heimsuchten, die manchmal auch als Skandal betitelt wurden, gibt es keinen Zusammenhang. Das sind schlicht und einfach Vorfälle, wie sie in einem Unternehmen mit 2000 Mitarbeitenden in dieser oder jener Form an der Tagesordnung sind.
Menschen zu führen ist bekanntlich eine Kunst. Man muss dazu Vorbild sein, Verantwortung übernehmen, motivieren, die vorhandenen Talente klug kombinieren und Grenzen setzen können.
Soweit die Theorie.
Im Alltag sieht es dann so aus, dass man als Chef ziemlich oft Fehler macht. Manchmal lässt man den Mitarbeitern zu viel Spielraum, ein anderes Mal setzt man zu enge Grenzen. Und ist dabei selten zufrieden mit sich selbst.
An der Spitze zu sein, bedeutet vor allem, allein mit sich selbst zu sein.
Und dann das Personal.
Man ist überzeugt, nach dem xten Dossier und Gespräch die passende Person gefunden zu haben. Und dann stellt sich heraus – der Kerl taugt nichts. Das ist nicht nur mir schon öfters passiert. Das ist auch in gros- sen Konzernen Alltag.
Ich habe schon mehrmals Verwaltungsratspräsidenten dabei unterstützt, von den Medien hochgejubelte CEOs wieder loszuwerden. Eine ziemlich nervenaufreibende, Kräfte zehrende Übung.
Wenn also Baschi Dürr sich jetzt vom Polizeikommandanten Lips getrennt hat, offenbar nach einem schon eineinhalb Jahre dauernden Gesprächskreis unter Polizeioffizieren zu «führungskulturellen Differenzen», dann liegt der Unterschied zur Privatwirtschaft einzig darin, dass versucht wurde, mithilfe eines Moderators die Sache ins Lot zu bringen.
Auch in der Privatwirtschaft ist die Trennung von einem CEO kaum je eine Hauruckübung. Ein Jahr für einen solchen Prozess ist die Regel.
Wo liegen denn nun die Chancen für diesen Wechsel?
Klar: Baschi Dürr kann nun einen Chef suchen, der seinen Vorstellungen von Führung entspricht. Und dem er freie Hand für weitere Personalentscheide lässt.
Aber vor allem hat Herr Dürr jetzt die Chance, endlich zu dem zu werden, was er ist und immer bleiben wird: Baschi Dürr, der Mann, der es dank eigenwilliger militärischer Biografie und Waschmaschinentag an die Spitze des Justiz- und Sicherheitsdepartements geschafft hat.
Ohne diesen männerbündelnden Stallgeruch, den so eine eingeschworene Mannschaft Uniformierter auch vom politischen Chef des Departements wie selbstverständlich einfordert.
Das ist seine eigentliche Stärke, die er einsetzen muss.
Baschi Dürr hat nichts zu verlieren. Das Stimmvolk wollte ihn nicht als Stadtpräsidenten und hat ihn im zweiten Wahlgang nur knapp vor einer Extremlinken im Amt bestätigt. Und die Kette aller Problemfälle ist lang.
Welch eine hervorragende Ausgangslage für einen, der gewillt ist, sich aufzurappeln.
Ganz locker.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 31. Mai 2017
G. Koller meint
Schön und ruhig geschriebener Text. Und man möchte sich nachher nie mehr eine Kravatte umbinden müssen …
Eben, deswegen ist guter Rat so teuer.
Vereinfacht gesagt gibt es ja in diesem Bereich nur zwei Positionen: Vor der Kulisse, oder hinter der Kulisse, souveräner Amtsträger oder williger Zuträger.
Seit der Antike ist bekannt, dass es nicht gut kommt, wenn Philosophen (Platon) ein politisches Amt übernehmen, – anscheinend gilt das heute auch für ehemalige Unternehmensberater …
Man(n) begreift es nicht.
Roland Stark meint
Ähnliche Schwierigkeiten können auch im Sport auftreten. Niemand kommt zum Beispiel in der obersten Fussball-Liga auf die Idee, einen Mann mit zwei linken Füssen und starken Koordinationsproblemen als Stürmer oder Verteidiger einzusetzen. Man kann Baschi Dürr wirklich keinen Vorwurf machen. Er wollte ja eigentlich nie Polizeidirektor werden. Die letzten beiden Fluchtversuche auf dem Spiegelhof sind aber missglückt Nun ist er halt sitzen geblieben. Zu seinem grossen Unglück und zum Schaden für den Kanton.
Chienbäsebärti meint
Eine (all zu) wohlwollende Darstellung für einen Selbstdarsteller, der anscheinend angetreten ist, sich eigenwillig über Konventionen und Gebräuche hinweg zu setzen und sich dabei des Sauglattismus bedient . Im Militär hatte Dürr vielleicht gesehen, dass Führen vor allem auch heisst, „Mir nach…“, also Vorbild sein. Nun steht er als Akteur verkrampft lächelnd mit dürftiger Leistungsbilanz da und wundert sich; Lockerheit ist seine Sache ja nicht.
NB: Sein jüngstes eigenwilliges Hinqwegsetzen über Gebräuche: Den Liestaler Bannumgang absolvierte der Baschi ohne Hut mit Maien und ohne Stock….und niemand (Vorbildfunktion) wird ihm nachfolgen.
M.M. meint
Weil er noch drei Jahre bleibt und jetzt die Chance für einen Neuanfang bei der Polizeileitung besteht, kann man ja mal auf das Prinzip Hoffnung setzen.
Wenn er’s jetzt nicht packt, na dann ist halt Schluss.
Roland Stark meint
Hier darf man die Namen derjenigen Regierungsräte einfüllen, bei denen auch Legislatur für Legislatur auf das Prinzip Hoffnung gesetzt wurde. (BL und BS)
– ………..
– ………..
– ………..
– ………..