Es gibt Themen, die sind vermeintlich weit weg. Zum Beispiel wie China seine Minderheiten überwacht und die anderen Bürger einem rigiden Bonus/Malus-System unterwirft.
Und dann gibt es da noch Facebook, das wegen der Cambridge-Analytica-Affäre – der bisher grösste Missbrauch persönlicher Nutzerdaten eines Social Networks – gerade eben zu einer Busse von 5 Mia. Dollar verknurrt wurde.
Oder Microsoft: Das Unternehmen behauptet auf der Website, einen der grössten Gesichtsdatensätze erstellt zu haben. Die Sammlung, genannt MS Celeb, umfasste über 10 Millionen Bilder von mehr als 100.000 Menschen.
Was soll’s.
Ich kenne eigentlich kaum jemanden, der wie ich nur mit einem VPN im Netz unterwegs ist. Auch nicht via öffentliche Hotspots. Gut, die meisten sind sich immerhin bewusst, dass man auf dem Flughafen keine Banktransaktionen vornehmen soll.
Aber die Buchung fürs nächste Hotel?
Genau so unbekümmert werden die vielen Apps genutzt. Wer schaut schon nach, was die Dinger alles im Hintergrund abfragen?
Nun habe ich also zu all dem Übel noch diese smarten Thermostate installiert.
Eine tolle Sache.
Ich kann, wo immer ich bin, die aktuelle Temperatur in der Wohnung ablesen und die Heizung rauf und runter schalten.
Der Clou der Sache ist der, dass sich das System nach den Lebensgewohnheiten der Bewohner reguliert.
D.h., die App registriert, wenn der letzte Bewohner die Wohnung verlässt. Wenn der sich 200 Meter entfernt hat, schaltet die Heizung ein paar Grad runter. Nähert sich der erste wieder dem Haus (Wohnung), fährt die Anlage hoch, so dass es bei der Ankunft wohlig warm ist, so als hätte man die ganze Zeit durchgeheizt.
Das ist doch toll – jedoch…
Das funktioniert nur, wenn man ständig via Internet mit den Servern des Herstellers verbunden ist. Und damit stellt sich sofort die Frage, wieviel ich von meiner Privatsphäre freiwillig opfern möchte, um mit dem Klimaschutz ernst zu machen.
Denn mit diesen Smartdingern wird vieles, das bis anhin privat war, gespeichert und ausgewertet: „Dazu gehören beispielsweise Daten über Raumtemperaturen, Temperatureinstellungen, Heizzeitpläne und Heizungsbus-Überwachungsdaten, die die tado° Geräte erfassen, die mit Ihrem Konto verbunden sind.“
Es ist noch nicht oft vorgekommen, dass ich die Geschäftsbedingungen und die Ausführungen zum Datenschutz nicht einfach nur akzeptiert sondern tatsächlich auch gelesen habe.
Man kommt ins Grübeln.
Wenn man zum Beispiel liest, dass „für die Fortbildung des Personals, alle persönlichen Daten, die wir erfassen“, benutzt werden können.
Oder der eine, geradezu zukunftsweisende Punkt unter dem Kapitel „Mit wem wir Ihre persönlichen Daten teilen“: Mit „der Regierung oder Aufsichtsbehörden: wenn wir gesetzlich dazu verpflichtet sind oder ihre Untersuchungen unterstützen.
Es wird wohl in absehbarer Zeit soweit kommen, dass der Staat nicht nur – wie seit gut zwei Jahren in Basel-Stadt – vorschreibt, welchen Typ Heizanlage wir kaufen dürfen, sondern dass wir auch Rechenschaft ablegen müssen, wie wir diese nutzen.
Das ist nicht nur der Traum jedes Freitagsdemonstranten, in Richtung Überwachungs- und Kontrollstaat zielen deren Forderungen.
Es herrscht schliesslich der Notstand.
Ich verzichte auf die Bewegungsmelderfunktion, auch darum, weil unser Bodenheizungssystem dafür zu träge ist.
Uff, gute Begründung.
PS: Ich regle die Anlage nicht mit der Tado-App, sondern über Apple Home via ein iPad zuhause als Zentrale. Ist im Moment wohl das kleinere Übel.
PS2: Wer nun meint, mit seiner analogen Heizanlage sei er fein raus, irrt. Die müssen demnächst ersetzt werden und die neuen Heizkessel verfügen alle über internetfähige Fernsteuerfunktionen. Die zu Nutzen wird zur Pflicht.
Christoph Brutschin meint
Also, Basel-Stadt schreibt nicht vor, welche Systeme bei einem Heizungsersatz zu verwenden sind. Sondern nur, welche nicht.
Peter meint
Der ist gut, nach dem Motto: Wir schreiben nicht vor, dass sie nur Frauen anstellen dürfen, wir sagen Ihnen nur, dass sie keine Männer anstellen dürfen.
Christoph Brutschin meint
Ja, ist es, mit einem Unterschied: Menschen sind grundsätzlich entweder Mann oder Frau. Heizsysteme gibt‘s aber deutlich mehr (Gas, Oel, Luft-Wasser- oder Erdsonden-Wärmepumpen, Holz, Fernwärme). Aber lassen wir es und geniessen den Sommer!
Marc Schinzel meint
@Christoph Brutschin: Das mit dem „grundsätzlich entweder Mann oder Frau“ ist jetzt aber eine Glatteispassage. Die nicht ganz so Grundsätzlichen wären dann die Trans- und Intersexuellen … Ich höre gut zu in den Landratsdebatten, und nicht nur dort … 🙂 Zum Glück sind wir im Hochsommerloch, da schmilzt das Glatteis rasch. Zusammengefasst: Noch gibt es mehr unterschiedliche Menschen als unterschiedliche Heizungssysteme 🙂