Welch herrlicher Sommer: Heiss wie im Süden, ein blauer Himmel von frühmorgens bis spätabends.
Und nachts der klare Sternenhimmel.
Das ist ein Sommer, wie wir ihn uns schon seit Jahren gewünscht haben: Berechenbar, weil das schon länger geplante Strassenfest tatsächlich stattfinden kann. Unterhaltsam, weil die Rheinpromenade ihrem Kosenamen «Riviera» alle Ehre macht. Entspannend, weil die Temperaturen unser Tempo drosseln.
Doch wir haben unsere Unschuld verloren.
Was früher einfach ein toller Sommer war, ist heute der Vorbote der Apokalypse: «Die Welt nähert sich dem Abgrund, doch statt zu handeln, stecken wir den Kopf in den trockenen Sand», steht auf Spiegel Online. «Es wird Chaos geben und Kriege, es wird Millionen von Toten geben und Aufstände und Flucht und Vertreibung von ungeahnten Ausmassen und ein Wegschauen und Grausamkeit und einen Verfall dessen, was wir als Zivilisation bezeichnen.»
Huch!
Wir sind im Juli für ein paar Tage nach Island geflogen. Die Isländer leben im Sommer in einem Kühlschrank, die Temperaturen erreichen tagsüber höchstens 14 Grad.
Island erreicht man mit dem Flieger in dreieinhalb Stunden.
Auf der Insel leben kaum Menschen und eigentlich ist dort auch sonst nichts los. Ausser Landschaft. Ich würde es so sagen: Island, das ist in erster Linie gutes Tourismusmarketing.
Wir sind mit einem Toyota Landcruiser unterwegs gewesen. Zwölf Liter Diesel auf 100 km.
Auf dem Rückweg übers Hochland nach Reykjavik sind wir beim Langjökull vorbeigekommen. Der Gletscher ist eine der zahlreichen Touristenattraktionen Islands. Man fährt in umgebauten Nato-Trucks im Schritttempo auf den Gletscher rauf.
Der Schnee ist sulzig.
Der Monster-Truck verbraucht für die zweistündige Fahrt hin und zurück so viel Most wie fünf Landcruiser.
Schätze ich mal.
Ziel der Fahrt ist ein Höhlensystem, das die Isländer für die Touristen in den Gletscher gebohrt haben. Damit sie die Eismassen für teures Geld von innen besichtigen können.
Es tropft von der Decke und von den Wänden.
Und die junge Frau, die uns durch die Gänge führt, sagt tief drinnen im Gletscher vor einer Schautafel, man könne hier sehr gut den Klimawandel ablesen.
Ich dachte: Die Isländer könnten doch auf den Tourismus verzichten. Da muss man ja nicht wirklich hin, auch wenns schön ist.
Ich gebe es unumwunden zu: Bei diesen Temperaturen liebe ich nichts mehr als Wassermelonen, deren rotes Fleisch ebenso süss wie saftig ist. Wir lagern das Prachtsding im Kühlschrank – als sommerlich-kühle Delikatesse.
Ja, ich weiss, Wassermelonen – das ist der Import von Trinkwasser aus Gegenden, die schon seit Jahren unter Wasserknappheit leiden.
200 Liter braucht es pro Kilo Wassermelone, die per Lastwagen (CO2!) zur Migros nach Arlese transportiert werden.
Wo ich dann mit meinem Auto (CO2!) hinfahre, weil ich das Kilowasserding und anderes Zeugs nicht schleppen will.
Gestern haben sie im Radio von den Arbeitsbedingungen in Süditalien berichtet, dort, wo die Melonen angebaut werden, die wir derzeit kaufen. Es sollen sklavenähnliche Arbeitsbedingungen herrschen.
Weil ich diese Kolumne so nicht beenden will, zum Schluss noch eine uneingeschränkt freudige Nachricht: Das war der beste 1. August seit Jahrzehnten.
Diese Ruhe.
Diese Besinnlichkeit ganz ohne Knallerei. Und die Feinstaubbelastung? Null. So könnte es doch jeden Sommer sein.
Ich meine das mit dem 1. August.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 15. August 2018.