Wenn Politiker den Citoyens eine Vorlage mit einem anschaulichen Titel präsentieren, müssen die Alarmglocken schrillen. Gestern war es wieder mal so weit: Der bisher ziemlich glücklos agierende Baselbieter Finanzminister Anton Lauber hat ein Papier «betreffend Stärkung der finanziellen Steuerung» präsentiert.
Was, in Klartext übersetzt, heisst: Herr Lauber will sich von uns einen Blankoscheck fürs Schuldenmachen ausstellen lassen, in dem er die Defizitbremse durch eine Schuldenbremse ersetzt.
Welch ein Start ins neue Jahr.
Während bis anhin gilt, dass, wenn das Eigenkapital unter 100 Millionen Franken fällt, die Steuern rauf müssen – was dieses Jahr ohne die 20 Millionen aus der Stadt bereits der Fall sein könnte –, müsste künftig lediglich «eine allfällige Unterschreitung dieses Mindestwerts innerhalb von fünf Jahren beseitigt werden».
Ich bitte Sie – fünf Jahre, kennen Sie einen Politiker, der in Fünfjahresperioden denkt?
Oder gar in acht, wenn man noch den Satz zur Erfolgsrechnung zitiert: Diese soll inskünftig «innert vier Jahren unter Berücksichtigung der vergangenen vier Jahre» ausgeglichen werden.
Nun ist es in unserer Demokratie so, dass so eine Kehrtwende nicht so mir nichts, dir nichts von einer Regierung beschlossen werden kann. Und auch nicht vom Parlament. Nein, für diese «Teilrevision der Kantonsverfassung» braucht es das Votum der Stimmbürger.
Es wird lebhaft werden.
Denn am selben Tag wird die 2013 eingereichte SVP-Initiative mit der süffigen Headline «für gesunde Staatsfinanzen ohne Steuererhöhung» zur Abstimmung gelangen.
Sollte die Regierung nicht noch in letzter Minute tricksen.
Eigentlich hatte die SVP gehofft, dass ihre stockbürgerlichen Anliegen in die Lauber-Vorlage übernommen würden. Zum Beispiel, dass «Aufwandüberschüsse mit linearen Ausgabenkürzungen» zu kompensieren seien, dass der Landrat in die «volle Verantwortung» genommen wird.
Der Kernpunkt der Initiative: Für Steuererhöhungen und die Einführung neuer Steuern müssen zwingend Volksabstimmungen stattfinden.
In Anbetracht des ruinösen Steuerwettbewerbs mit Basel-Stadt ist das alles andere als absurd.
Fänden sich solche Bestimmungen in der Vorlage, hätte die SVP ihre Initiative zurückgezogen. Entsprechende Gespräche mit Herrn Lauber haben denn auch stattgefunden. Man war sich im Prinzip einig, schliesslich hatten die Büza-Präsidenten unter Mitwirkung von Herrn Lauber das Feld immer mal wieder entsprechend abgesteckt.
Doch siehe da: Nicht einen einzigen Buchstaben hat das Finanzdepartement in die Vorlage aufgenommen. Was nicht überrascht. Schliesslich sind in Laubers Direktion noch immer dieselben Leute tonangebend, die schon die katastrophale Finanzpolitik seines Vorgängers zu verantworten haben.
Interessant wird nun, wie die politischen Fronten verlaufen werden.
Klar ist, dass die CVP stramm hinter ihrem Vertreter im Regierungsrat hermarschieren wird. Die FDP wird zwischen Anti-SVP-Reflex und wirtschaftsrationalen Grundsätzen oszillieren.
Doch wirklich interessant ist die Frage, wohin das SP-Führungsduo – der talentierte Herr Koller und Oppositionsführerin Locher – seine Partei führen wird. Wird sie sich erneut als einzige Partei stramm regierungsfreundlich geben oder ganz mutig den linken Aufstand wagen?
Mit dem Side-Effect, dass sich die Sozialdemokraten in einer Allianz mit der «rechtskonservativen» SVP wiederfinden?
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 6. Januar 2016
Marc Schinzel meint
Stäfis wie die SVP-Initiative wollen die Aufgaben- und Ausgabenplanung aufeinander abstimmen und in einen nachhaltigen Bezug zur konjunkturellen Entwicklung setzen. Stäfis wie die SVP-Initiative sehen Steuererhöhungen als „ultima ratio“ vor, wenn alle anderen Optionen zur Sanierung der Kantonsfinanzen ausgeschöpft sind. Schwer vorstellbar, dass die SP dem zustimmt. Die Bürgerlichen müssen aufpassen, dass sie am Schluss nicht mit leeren Händen dastehen. Mal schauen, was die Landratsdebatte bringt. Ich könnte mir auch ein doppeltes Ja vorstellen.
Grummel meint
Dann erklären Sie uns doch mal, Herr Schinzel, warum ein Staatsgebilde einen ausgeglichenen Haushalt benötigt.
Ich dachte bis jetzt immer, solange der Schuldendienst gewährleistet werden kann, sei alles in Ordnung (so ist es ja auch in der freien Wirtschaft [mit dem einen Abstrich, dass ein Staatsgebilde keine Shareholder befriedigen muss]).
angrymonk meint
„Was nicht überrascht. Schliesslich sind in Laubers Direktion noch immer dieselben Leute tonangebend, die schon die katastrophale Finanzpolitik seines Vorgängers zu verantworten haben.“
Mein Kommentar zum Blog vom 19.06.2014 (Die grossen Enttäuschung im Regierungsrat oder: Müssen wir bei Herrn Lauber schon 2015 die Reissleine ziehen?):
Die ganze Chefetage blieb beim Wechsel des Regierungsrates unverändert: Bammatter, Schwörer, Wenk und wie sie alle heissen (nicht zu vergessen: H. P. Simeon von der BLPK). Wie soll da ein Neuanfang möglich sein?
kolibri meint
dem kann man nur zustimmen! Was diese Herren seit Jahren an Geld verbraten haben…
Noch heute muss ich manchmal staunen, wie lange sich solche Personen halten können. Aber es wurde und wird natürlich jeder, der kritische konstruktive Fragen stellt, schnell entsorgt.
BoB meint
Ich wollte schon lange… aber heute MUSS es sein:
Ganz herzlich möchte ich mich als interessierter Leser für deine BaZ-Kolumnen bedanken. Auch wenn sie zuweilen auf den ersten Blick verstörend wirken: ich komme regelmässig ins Grübeln, beginne Zusammenhänge zu sehen und gelange so – mit etwas Glück – letztlich zu „eigenen“ Einsichten und Erkenntnissen.
Deine Kolumnen gehören zum Besten, was die BaZ jüngster Prägung zu bieten hat! Also VIELEN DANK dafür!