Ich meine, jeder bewirtschaftet sein Thema dann, wenn er auf die höchstmögliche Aufmerksamkeit des geneigten Publikums hoffen kann, also zum Beispiel den Klimawandel. Das Thema ist immer dann gut, wenn es ein paar Tage so richtig heiss ist oder wenn sich sibirische Kälte übers Land legt. Dann wird uns erklärt, dass Wetter nicht Klima sei, aber als Folge des «menschengemachten Klimawandels» wir uns dennoch vermehrt auf solch extreme Tage einrichten müssen.
In einer Sonntagszeitung hat sich termingerecht zum Ende der 36-Grad-Hitzewelle einer der wortführenden Klimawandelwissenschaftler zu Wort gemeldet. Vier von fünf heissen Tagen seien dem Klimawandel zuzuschreiben, mahnt der Angestellte der ETH. Das sei die Faktenlage. «Wie wir darauf reagieren, ist weniger klar.» Nun, die Antwort ist simpel: gar nicht.
Gut, man könnte auch bei uns wie in Deutschland die Landschaft mit Windrädern verspargeln oder, statt Mais zu pflanzen, Sonnenkollektoren auf die Felder stellen. Und daran glauben, dass das die Welt verändert. Man könnte auch sein Verhalten ändern. In heissen Ländern käme es nun wirklich niemanden in den Sinn, sich in der Hitze des Tages in ein Strassencafé zu setzen, weil es die genau aus diesem Grund dort nicht gibt. Dafür sind in diesen Ländern Klimaanlagen so selbstverständlich wie bei uns Heizungen.
In Gegenden, in denen 36 Grad normal sind, kommt ausser Touristen niemand auf die Idee, sich halb nackt in die Sonne zu legen. Im Gegenteil, man schützt sich mit langärmeligen Hemden und Blusen vor deren Brennkraft. Und man trinkt viel Flüssigkeit, zum Beispiel lauwarmes Wasser und heissen Tee, isst scharf gewürzte Suppen. Und überhaupt: Während der Mittagshitze sucht man sich einen schattigen Platz und döst vor sich hin. Wenn also, wie vorausgesagt, es jedes Jahr ein paar Hitzetage wie die eben erlebten geben wird, sollte man das tun, was der Mensch schon immer getan hat: sich an die neuen Bedingungen anpassen.
Insofern ist «gar nicht» als Entgegnung auf den Befund des ETH-Mannes nicht ganz zutreffend. Aber er meint ja das auch mehr in Richtung Motor abstellen, Heizung drosseln und anderer Verzichteleien. Doch auch das kann man getrost bleiben lassen, weil man sich erstens auf den Erfindergeist des Menschen und zweitens auf die Marktwirtschaft verlassen kann.
Weshalb ich optimistisch in die Zukunft blicke.
Auch wenn das Klima sich verändert, aus welchen Gründen auch immer. In Norwegen beispielsweise waren im ersten Quartal dieses Jahres satte 33 Prozent der neu zugelassenen Personenwagen Elektrofahrzeuge. Wir reden hier nicht von Autos aus Kleinserienbasteleien, sondern von komfortablen Teslas, BMWs, Toyotas etc.
Bis ins Jahr 2035, so eine amerikanische Studie, soll der Verbrennungsmotor durch alternative Antriebe weitgehend verdrängt worden sein. In Peking wird derzeit ein Tankstellennetz für Elektroautos aufgebaut, Ladezeit: drei Minuten.
Überhaupt: In ganz China sind schon heute nur noch Motorräder und Scooter mit Elektroantrieb zugelassen.
2014 – Sie erinnern sich an diesen miesen Juli? – war nicht nur das bisher wärmste Jahr, sondern auch das Jahr, in dem gemäss der Internationalen Energieagentur erstmals der CO2-Ausstoss nicht mehr angestiegen ist. Weltweit, trotz Wirtschaftswachstum.
Nebenbei: Was ist eigentlich aus dem Ozon geworden, das uns früher den Sommer vermiest hat?
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 29. August 2015
Michael Przewrocki meint
Passt dazu:
https://medium.com/matter/it-s-not-climate-change-it-s-everything-change-8fd9aa671804
Sullivan Frisch meint
Es ist wie in der Liebe. Man kann es geschehen lassen, und dann denken ist kommt schon gut, es wird schon ewig dauern.
Oder, man nährt sie…
Liebt man die Welt und das Lebeb, kann man nicht einfach nichts tun. Sei es noch so wenig, es lohnt such, etwas zu tun! Man lebt mit Zufriedenheit weiter. Tut man nichts, stirbt man langsam kange bevor man tot ist!
Müllersays meint
Werter MM, zwar glaube ich gern, dass Sie öfters schneller als der Rest sind. Beim Checken und Denken und so. Möglicherweise wollen Sie auch immer voraus sein. Aber auch Sie sind an die Zeit gebunden: Nicht nur wir, auch Sie befinden sich noch im 29. Juli. Und noch nicht im 29. August.
M.M. meint
Ach kommen Sie, am Samstag ist ja schon wieder August. Wegegen den drei Tagen…
Grummel meint
Aber ja, wir nehmen’s wie’s kommt:
Die Tornados, die Hitzewellen, die Ernteausfälle, die Überschwemmungen, die Waldbrände, den Schwund des Permafrosts in den Alpen, den erhöhten Meeresspiegel, den Wandel von Fauna und Flora zur Kärglichkeit und alle anderen Kleinigkeiten.
Die Marktwirtschaft wird’s richten.
Die Frage ist: Mit welchen Instrumenten? Denjenigen, die uns soweit gebracht haben?
Ihr naiver Fortschrittsglaube entlarvt eine ganze Generation: Nämlich die, der am wenigsten lange zu leben bleibt und immer die in den Krieg schickt, die noch am längsten zu leben hätten.
M.M. meint
Ja, ja und irgendwann fällt uns allen der Himmel auf den Kopf.
Und das mit dem früheren Ableben, also an Ihrer Stelle wäre ich mir da mal nicht so sicher. Ich habe bereits zwei Kommentatoren hier überlebt.
Grummel meint
Hinz und Kunz, nehme ich an. So ging’s mir auch schon.
gotte meint
hmmm? welche kommentatoren haben denn das zeitliche gesegnet?
M.M. meint
Ein bekannter Journalist, der hier lange Zeit mitdiskutiert hatte und dann noch ein in der Politszene bekannter LDP-Mann. Ist jedoch schon eine Weile her.
urbanus meint
Zu deiner Frage zum Ozon:
Auszug aus 20Minuten online vom 6. Juli 2015 (schnell gegoogelt)
«Schweizweit massiv zu hohe Ozonwerte (…) Die Hitze macht vielen Menschen zu schaffen. Doch nicht nur sie: Die hohen Temperaturen haben in den letzten 30 Tagen auch die Ozonwerte in die Höhe getrieben. Die Luftbelastung durch den gesundheitsgefährdenden Schadstoff nimmt dramatische Ausmasse an. Ein Blick auf das Mess-Netz der Kantone Aargau, Basel-Landschaft, Basel-Stadt und Solothurn zeigt, dass die Ozonhöchstwerte der letzten 30 Tage alles übertreffen, was die Stationen dort in den vergangenen vier Jahren gemessen haben – das letzte Mal gab es in diesem Gebiet im Jahr 2010 höhere Ozonwerte als 2015. (…)»
Link: http://www.20min.ch/schweiz/news/story/Schweizweit-massiv-zu-hohe-Ozonwerte-14515211
M.M. meint
Ist ja immer eine Frage der Grenzwerte. Die Alarmwerte von 180 μg/m³ sind bei uns nun wirklich nicht dramatisch gewesen. Die Statistik zeigt, welch miesen Juli wir letztes Jahr hatten.
Und überhaupt: Im Schnitt der letzten Jahre hatten wir eine hervorragende Luftqualität bei uns 🙂
Bucher meint
Sehr geehrter Herr Messmer
Dieser Text ist voll von Denkfehlern.
1. Die Marktwirtschaft wird es schon richten? Ja genau, die Marktwirschaft ist bekannt dafür, negative externe Effekte zu berücksichtigen. Und perfekt funktionieren tut sie ja sowieso. Oder wie war das nun mal mit der Finanzkrise?
2. In Norwegen sind 33 Prozent der Neuwagen Elektrofahrzeuge, weil der Staat (die Politik) diesen Kauf fördert. Die Marktwirtschaft hat damit nichts zu tun. Eine Verdrängung des Verbrenners bis 2035 ist ohne politische Anreize nicht zu haben. Denn solange die Anbieter zu überhöhten Preisen Technik aus dem letzten Jahrhundert verkaufen können (Stichwort: Dieselfahrzeuge), solange werden sie es tun.
3. Sie haben nichts mehr vom Ozonproblem gehört, weil die Internationale Politik das Problem vehement und erfolgreich angegangen ist (googeln Sie mal nach dem Stichwort „Montreal Protokoll“). Auch hier hat die Marktwirtschaft nichts selber auf die Reihe gekriegt (erinnern Sie sich noch an die negativen externen Effekte aus Punkt 1?).
Nur traurig, dass viele Leute diesem Text noch Glauben schenken werden.
M.M. meint
Wenn Sie einen Tesla kaufen, können Sie auswärts gratis die Batterie laden, zum Beispiel im Elisabethenparking in Basel. Weil das im Preis des Autos inbegriffen ist, Marktwirtschaft halt.
Dazu kommt in Norwegen, dass die für Neuwagen nicht nur eine exorbitant hohe Kaufsteuer bezahlen müssen, sondern auch noch 25% MwSt. Die fallen weg, was so ein Elektroauto etwa so billig macht, wie bei uns ein Auto mit Verbrennungsmotor kostet. Also mit anderen Worten: Der Staat verteuert zuerst den Kauf der Autos – in Dänemark wird z.B der Preis verdreifacht – und streicht dann diese Steuern bei Elektrofahrzeugen und das nennt man dann Subvention. Tolles sozialistisches Rezept.
Bei uns verkaufen sich die Teslas auch ohne solche Marktverzerrungen überaus gut.
Sullivan Frisch meint
Genau das ist staatlich gelenkt. Nur die Elektroautos erhalten eine Steuerreduktion. Die anderen eben nicht!
M.M. meint
Dann sollte man doch auch bei uns den Preis für Autos verdreifachen, gelle.
Die Schweizer kaufen Teslas auch ohne Subvention.
Baresi meint
Es ist ein wenig frisch heute für diese Kolumne finde ich …