Na klar muss man sich nicht mit zwanzig oder dreissig Gedanken über die Zeit danach machen. Mit dreissig habe ich mir meine paar Pensionskassenfranken auszahlen lassen und wir sind mit dem Geld für ein halbes Jahr in die USA. Ich habe von New York aus für Schweizer Tageszeitungen Artikel geschrieben. Aber von den Honoraren konnte ja niemand wirklich leben.
Doch mit dreissig ist es an der Zeit, sich ernsthaft mit dem Gedanken zu befassen, ob man nun Kinder haben möchte oder nicht. Wir Babyboomer sind bekanntlich die erste Generation, seit der Homo sapiens Afrika verlassen hat, die sich darüber Gedanken machen kann/muss.
Wir haben uns für Kinder entschieden, d.h., ich brauchte etwas länger für den Entscheid als sie. Von wegen persönlicher Freiheit und so. Und überhaupt wollten wir nach Amerika. Für länger, wenn nicht für immer. Dass sie schwanger ist, haben wir von ihrem Arzt mitgeteilt bekommen, als das mit Amerika – Verträge, Journalistenvisa, Flug etc. – geregelt war. Im achten Monat sind wir dann wieder zurückgeflogen.
Es war eine gute Entscheidung.
Und dass wir danach noch drei weitere Kinder bekommen haben, erst recht. Ich würde gar behaupten, dass diese vier Kinder das weitaus beste und nachhaltigste Investment war, das wir in den letzten dreissig Jahren getätigt haben.
Der Vertreter der übernächsten Generation, der uns mit seiner Anwesenheit beglückt, ist quasi ein immerwährender Bonus.
Klar habe ich mich auch so ab Mitte dreissig um die zweite Säule zu kümmern begonnen. Aber das war eher verbunden mit der Sorge, durch eine Krankheit oder einen Unfall als Hauptgeldmittelbeschaffer auszufallen. Ernsthaft, d.h., mit einem leichten Anfall von Panik, hat mich die Altersrentenfrage erst mit 55 beschäftigt.
Wir haben das dann mal nachrechnen lassen, (für Geld, das wir uns hätten sparen können). Und haben ein neues Wort in unseren aktiven Wortschatz aufgenommen: Versorgungslücke.
Was dazu geführt hat, dass wir von da ziemlich konsequent unsere Finanzplanung durchgezogen haben.
Die letzte Phase der Finanzoptimierung erreichten wir, als wir uns vor vier Jahren vom letzten Mitarbeiter trennten, die Büros in der Stadt kündigten und Arbeiten und Wohnen unter einem Dach vereinigten, (sie und ich arbeiten seit Mitte der 90er Jahre zusammen, ein Glücksfall). Das Timing war insofern gut gewählt, als sich das PR-Business in den letzten fünf, sechs Jahren rasant verändert hat, (ich halte es für tot). Dank den zeitgenössischen Kommunikationsmitteln, war es unseren Kunden ziemlich egal, wo wir unsere Büros hatten.
Hauptsache, wir standen 24/7 zur Verfügung.
Die letzten beiden Jahre hatten wir noch je eine Woche Ferien und klar habe ich auch während dieser Zeit gearbeitet. Denn Unternehmenskrisen finden immer dann statt, wenn man sich eigentlich etwas anderem widmen möchte.
Für uns stand eigentlich immer fest, dass wir unsere Pensionskassengelder nicht auszahlen lassen. Das ist eine Art Wette auf die Zeit. Überdies habe ich weder die Nerven noch den Sachverstand, mich aktiv auf Jahre hinaus um Anlageoptimierungen kümmern zu müssen. Was den Vorteil hat, dass man bis zur offiziellen Pensionierung Nachzahlungen in die 2.Säule vornehmen kann. Hinsichtlich Steueroptimierung lohnt sich das besonders in den letzten drei Jahren vor der Pensionierung. Dies ist, in Zeiten wie diesen, in denen Aktienbesitz einen nervös macht und Obligationen kaum Geld abwerfen, eine gute Kapitalanlage.
Weil man sein Leben und dessen Umstände nicht wirklich planen kann, muss ich eingestehen, dass wir – eigentlich immer – ungemein Glück hatten.
In den drei letzten Arbeitseinkommensjahren konnten Projekte, die seit fünf, sechs Jahren mal mehr oder weniger zur Diskussion standen, nun realisiert werden. Dann kam noch diese und jene Unternehmenskrise dazu. Ausserdem konnten wir die Ernte einer gut zehnjährigen Onlinestrategie einfahren, (u.a. auch meine Bloggererfahrung, weil ich immer mal wieder gefragt werde, ob ich denn mit der Bloggerei Geld verdiene) mit immerhin zehn Webprojekten.
2009 haben wir uns das Ziel gesetzt, im Juli 2012, aufzuhören.
Ich habe am Tag nach der letzten Pressekonferenz alle meine Anzüge, Vestons, Business-Hosen und -Hemden in die Kleidersammlung geschmissen. Ausser dem einen, den man für Hochzeiten und Beerdigungen braucht. Was brauch ich einen 3er BMW (ich hatte auch mal einen Porsche), wenn’s ein Opel Corsa auch tut, (gut, der hat, wie der 3er, immerhin eine Lenkradheizung, bei diesen Nulltemperaturen nicht unbedingt ein Luxus)? Punkt 2:
Es gibt kein Zurück.
(Nein, von meiner Schuhsammlung habe ich mich nicht getrennt, was den Vorteil hat, dass ich bis zum Ende meiner Tage ausser Sommerlatschen, keine Schuhe mehr kaufen muss).
Wir hatten zudem insofern Glück, als unsere Hypotheken genau zu dem Zeitpunkt ausliefen, als der Hypozins seinen Tiefstpunkt erreicht hat.
Wir haben unsere Bedürfnisse runtergeschraubt und damit auch unsere Lebenshaltungskosten. Nicht weil wir sparängstlich geworden sind, sondern weil man einfach sehr viel weniger braucht, wenn man mal draussen ist. Und das ist eine echte Erleichterung, ja die eigentliche Befreiung.
Reduce it to the max – lautet das Motto.
Denn, so die Nummer vier auf unserer Liste:
Es ist völlig egal was du tust und es ist völlig wurst, was andere von dem denken, was du tust.
Wird fortgesetzt.
merlinx meint
Das habe ich anders verstanden, etwa, dass man(n) im Alter endlich die geschlechtsspezifischen Rollen ablegen kann (wie frau im Film „la vieille dame indigne“).
Selber Brot backen ist eine schönes Beispiel für die wiedergewonnene Freiheit und Musse, nach all den Jahren des „Kampfes“ ums tägliche Brot.
gotte meint
da packe ich doch mal die moralkeule aus! es ist mir nicht egal, was andere tun und ich finde, es sollte den leuten auch nicht nur wurst sein, was die andern leute von ihnen denken. leute, die demonstrieren, dass ihnen die gedanken der andern wurst sind, verhalten sich gewöhnlich so, dass ihr verhalten den andern leuten eben gar nicht wurst sein kann, weil deren freiheit durch die wurstigkeit ihres gegenübers empfindlich berührt wird. ich gehöre zu denen, die „care“, wenn jemand seine katze misshandelt, seine schuhe auf dem sbb-sitz platziert, völlig besoffen in der stadt rumgrölt, andere menschen plagt oder seinen abfall überall liegen lässt. rentner sollen auch „care“, dass sie ihren stutz nicht einfach verjubeln oder dem nachwuchs zuschanzen, um dann auf ergänzungsleistungskosten den feierabend im altersheim zu verbringen. ich finde, man geht sich etwas an, wenn man in einer gesellschaft lebt.
M.M. meint
Na ja, ich widerspreche Ihnen auch überhaupt nicht. Doch das Gegenteil von sich innerhalb der Konventionen zu bewegen, ist ja nicht, verantwortungslos auf Kosten von anderen zu leben.
Aber ich werde das noch erklären, unter dem Stichwort: Ändere dein Leben.
Jetzt muss ich Brot backen, für morgen. 🙂
Isaac Reber meint
Punkt 4 kann man kürzer fassen: who cares.
M.M. meint
So ist es 🙂
Rauch meint
Isaac Reber lebt!
Falls er es wirklich ist?
M.M. meint
Er ist es – ausser jemand hat seinen privaten E-Mail-Account geknackt.