Ein findiger Leser hat besser gegoogelt als ich und ist auf der Website ManagerSeminare.de auf einen Beitrag aus dem Jahre 1994 gestossen.
Dort wird unter dem Titel „Zweiter Lehrgang am Europainstitut der Universität Basel“ beschrieben, was es mit dem Titel „Master of Advanced European Studies“ auf sich hat.
Demnach handelt es sich um ein „interdisziplinäres, dreisprachiges Nachdiplom mit dem Schwerpunkt ‚Europa‘.
Ziel der Ausbildung ist die Vermittlung von Basiswissen und die Förderung von Denkstrukturen in internationalen Dimensionen.
Beim ersten Lehrgang hätten sich „27 Studierende aus sechs Ländern mit einem Durchschnittsalter von 34 Jahren“ für das Nachdiplomstudium eingeschrieben.
Wer die zwei Semester – Kosten damals 5000 Franken – erfolgreich absolviert, erhält den „akademischen Titel: „Master of Advanced European Studies“, der europaweit nur in Basel verliehen wird.“
Das ist interessant.
Wenn man sich an die damalige Diskussion um die internationale Anerkennung von akademischen Abschlüssen zurückerinnert, so hatten Schweizer Studienabgänger auf dem internationalen Parkett erhebliche Probleme mit der Anerkennung ihrer Diplome.
Während die angelsächsische Welt mit ihren Bachelor- und Masterabschlüssen gleichwertige Abschlüsse vorweisen konnten, hatten Absolventen schweizerischer Universitäten erhebliche Mühe, dass ihre Studienabschlüsse im Ausland anerkannt wurden.
Nicht nur in angelsächsischen Ländern, sondern auch im übrigen Europa.
Als Folge stellte die Eidgenossenschaft beglaubigte Zertifikate aus, welche die Bezeichnungen der schweizerischen Abschlüsse internationalisierte, d.h, ins angelsächsische Äquivalent „übersetzten“.
Dass das Europainstitut den Abgängern ein Diplom mit dem Titel „Master of“ überreichte, kann man als cleveres Marketing betrachten, schliesslich richtete sich das Angebot in erster Linie an ausländische Studenten.
Ein Abschluss nach den zwei Semestern wäre ohne die Bezeichnung „Master of“, wohl für diese wohl kaum attraktiv gewesen.
Damit ist auch gesagt, dass der „Master“ aus den 90er Jahren des Europainstituts nicht im geringsten vergleichbar ist, mit einem Masterabschluss von heute. (Den Basler Exklusivtitel gibt es denn auch nicht mehr.)
Weil die Anforderungen beim Europainstut-Master nicht mit einem Master of Arts MA / Master of Science MSc vergleichbar sind:
Die Zulassung zum Masterstudium setzt einen Bachelorabschluss im Umfang von 180 Kreditpunkten einer von der Universität Basel anerkannten Hochschule voraus.
Dies festgestellt muss man zur Kenntnis nehmen: Mustafa Atici keinen Masterabschluss gemäss den Bologna-Kriterien.
Sein „Master“ tönt zwar wie ein solcher Master, ist aber keiner.
Er weiss das ganz genau, weshalb er bei schriftlichen Hinweisen auf sein CV immer die korrekte Bezeichnung „Master of Advanced European Studies“ verwendet.
Aber er weiss auch, dass die Bezeichnung „Master“ durchaus akademisches Gewicht bedeutet.
Wenn die SP von ihrer Pressekonferenz berichtet…:
Mustafa Atici erzählt, wie er mit einem Universitätsabschluss aus Ankara nach Basel kam, um hier Wirtschaft zu studieren. Er blieb, machte einen Master, gründete eine Familie und zog ein Start Up in der Gastrobranche auf,
…dann ist dieses „machte den Master“ ganz bewusst gesetzt, weil der Titel eine hohe akademische Qualifikation fürs angestrebte Amt signalisieret.
Anita Fetz unterstreicht das, indem sie Atici gleich zwei Masterabschlüsse zuschiebt.
Was sind die Anforderungen für ein Regierungsamt? Zu diesem Thema berichtete die ehemalige Ständerätin des Kantons, Anita Fetz. Sie zählt kurz auf, was Mustafa Atici mitbringt: top ausgebildet mit zwei Masterabschlüssen; gestandene Führungspersönlichkeit, 20 Jahre politische Erfahrung mit Leistungsausweis aus Basel und Bern.
Das alles wollen wir gar nicht bezweifeln, ausser dass das mit den beiden Masterabschlüssen nicht stimmt.
Doch wir können zum einen davon ausgehen, dass Frau Fetz mit ihrer Bemerkung „zwei Masterabschlüsse“ in der Hitze der Begeisterung einfach ein Fehler unterlaufen ist.
Zum anderen wollen wir ihr zugute halten, dass sie, wie das übrige Publikum, wohl davon ausging, dass Aticis Master des Europainstituts einem Master nach geltenden Bolognaregeln vergleichbar sei.
Trotzdem stellt sich die Frage, ob das Publikum nicht irregeleitet wird.
Denn man will die besondere Eignung des Kandidaten fürs Erziehungsdepartement mit der Bezeichnung „Master“ unterstreichen.
Doch es sei einfach nochmals daran erinnert, dass inzwischen der „Master“ ein rechtlich geschützter Hochschultitel.
Dazu das Grundlagenpapier des eidg. Bildungsdepartements:
Art. 636 Titelanmassung
1 Mit Busse wird bestraft, wer:
a. einen geschützten Titel führt, ohne die erforderlichen Prüfungen bestanden oder ein gleichwerti-
ges Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen zu haben;
b. einen Titel verwendet, der den Eindruck erweckt, er oder sie habe die entsprechende Prüfung
bestanden oder ein gleichwertiges Qualifikationsverfahren erfolgreich durchlaufen.
2 Die Strafbestimmungen des Bundesgesetzes vom 19. Dezember 1986 gegen den unlauteren Wett-
bewerb bleiben vorbehalten.
PS: Interessant ist, dass für Mustafa Atici trotz Lehrgang bei seiner politischen Arbeit Europa kaum je vorkommt.
Timon meint
Unter Archive.org findet man noch die damalige Website der Universität mit den Infos zu diesem Studiengang:
https://web.archive.org/web/19980126150152/http://www.unibas.ch/euro/postgrad.html
angrymonk meint
Dies entspricht vom Aufwand her wohl einem heutigen Master of Advanced Studies (MAS),
mit 60 Kreditpunkten, was früher in etwa einem Nachdiplomstudium (NDS) entsprach. Ein Master (MSc) in Wirtschaftswissenschaften an der Universität Basel erfordert heute 90 Kreditpunkte. Kurz: Der MAS ist schon ein „Master“, aber eben ein Weiterbildungsmaster. Ich würde damit jetzt nicht offensiv hausieren gehen.
angrymonk meint
Stellt sich noch die Frage nach dem ersten „Master“ aus der Türkei, welcher in vier Jahren erworben wurde…
M.M. meint
das war kein Master, einfach ein Studium, wahrscheinlich sein höchster Abschluss weil keiner in Wirtschaft.