Wir können es ganz nüchtern so auf den Punkt bringen: Im Grunde genommen ist es völlig egal, wer die Nachfolge von Conradin Cramer im Erziehungsdepartement antritt.
Weil die Erziehung jenes Departement ist, wo der Vorsteher am wenigsten zu sagen, den kleinsten Handlungsspielraum hat.
Was im Basler Erziehungswesen geht oder was nicht entscheidet allein die (Spitze der) Gewerkschaft der Lehrpersonen, die Freiwilligen Schulsynode Basel-Stadt (FFS).
Und dann mischt noch der VPOD mit.
Dabei gilt die Zwangsmitgliedschaft: Wer eine Stelle als Lehrperson im Kanton Basel-Stadt antritt, ist mit seiner Unterschrift unter den Anstellungsvertrag automatisch Gewerkschaftsmitglied des FFS.
Wer nicht Mitglied by default werden will, muss einen schriftliche Austrittsantrag liefern.
Zu ergänzen ist, dass sich der FSS nur für die Lehrpersonen einsetzt. Andere Fachkräfte, die in den Schulen arbeiten wie Sozialpädagogen, Schulleitungen, Praktikanten, Zivis und so weiter und so fort, sind der Organisation egal.
Die politische Pointe der gewerkschaftlichen Arbeit: Sie verkaufen ihre Forderungen zwar so, als ob sie sich um die Kinder sorgten, in Tat und Wahrheit geht es jedoch immer und ausschliesslich um Vorteile ihrer Mitglieder.
Das regelmässig schlechte Abschneiden Basler Schülerinnen und Schüler spricht Bände.
Wie mächtig die Lehrer/innen-Gewerkschaft in Basel-Stadt ist, demonstriert sie einmal im Jahr mit einem Grossaufmarsch ihrer Mitglieder in der St. Jakobhalle.
Dieses Jahr hatten sich 4000(!) Lehrkräfte versammelt.
Dem Vorsteher des Erziehungsdepartments fällt an diesem Gewerkschaftstag jeweils die Rolle des launigen Unterhalters zu; Conradin Cramer hatte immer genügend Lacher in seine Reden eingebaut, so dass er den Ansprüchen der Versammlung an ihn genügte.
Die Pointe, die er bei seinem letzten Auftritt lieferte, ist denn Programm für den Neuen: Er habe bei seinem Antritt, sagte Cramer, „keine Ahnung“ von dem gehabt, was auf ihn zukomme.
Wahrscheinlich weiss er genau so wenig, was er eigentlich all die Jahre getan geschweige denn erreicht hat.
Wenn also Mustafa Atici und Luca Urgese im Wahlkampf ihre Ideen für Förderklassen Wahlkampf simulieren, dann lehnt sich das Vorstandspersonal des FFS gelangweilt zurück.
Conradin Cramer ist letzten November mit seinem Konzept für Förderklassen, als Gegenvorschlag der Regierung zu einer hängigen Initiative der Gewerkschaft, ziemlich heftig aufgelaufen. (Was ihm wohl den Entscheid, das Departement zu wechseln, enorm erleichtert hat.)
Das Problem dieser Gewerkschaftsherrschaft, an die sich keine Partei, kein Politiker herangetraut, ist, dass ihr Fokus ausschliesslich auf die (auch vermeintlichen) Interessen ihrer Mitglieder ausgerichtet ist.
Die Leitlinie: Geht es den Lehrpersonen gut, dann ist das auch gut für die Kinder.
Die Macht der Einheitsgewerkschaft hat dazu geführt, dass sich Basel-Stadt das teuerste Schulsystem der Schweiz leisten muss.
Pro Kind und Jahr gab Basel-Stadt 2021 20’361 Franken aus, 5’000 Franken mehr als Baselland und fast 6’000 mehr als der Durchschnitt aller Schweizer Kantone.
All das viele Geld bringt schon seit Jahren wenig Qualität hervor.
Ein nationaler Schulvergleich von 2019 stellt ein „katastrophales Zeugnis für die Basler Schulen“ (NZZ) aus. Nicht mal die Hälfte der Schüler genügt in Mathematik und: „Auch bezüglich Sprachkompetenzen ist weniger erreicht worden als in fast allen anderen Kantonen“ (NZZ).
Die Basler Schule ist hinsichtlich Pädagogik völlig von gestern.
Lehrerinnen und Lehrer verstehen sich nicht als Team, sondern als freischaffende Angestellte, die ins Schulhaus kommen, um ihre Stunden zu geben.
Jede und jeder für sich allein, der Rest wird zuhause erledigt.
Das städtische Homeoffice-Paradies: Die Gewerkschaft hat durchgesetzt, dass für die baselstädtischen Lehrkräfte eine gemeinsame Anwesenheitspflicht in ihrem jeweiligen Schulhaus von lediglich zwei Stunden pro Woche gilt.
Andere Kantone sind dabei, die Anwesenheitspflicht am Arbeitsplatz an diejenige anderer kantonaler Angestellten anzugleichen. Zum einem ist die Präsenz bei den Tagesschulen unumgänglich und zum anderen will man weg, vom Einzelunterrichter hin zum Teamteaching.
Also weg vom Klassendenken, wo der Unterricht Privatsache der jeweiligen Lehrperson ist, hin zum Austausch und damit zur gemeinsamen Verantwortung.
Man ist nicht mehr nur für die Leistung seiner Klasse verantwortlich, sondern für die Unterrichtsqualität des gesamten Schulhauses.
(Urgese nimmt das auf, in dem er ein Ranking für die einzelnen Schulen fordert, was jedoch an den Strukturen und – you guess it, an der Gewerkschaft scheitern wird.)
Was auch bedeutete, dass Lehrerinnen und Lehrer das tun, was sie nie und nimmer tun werden: Den Kollegen, die Kollegin kritisch zu begleiten.
Weil alle gemeinsam das Qualitätsziel ihrer Schule erreichen möchte. Also etwas, was in jedem anderen Unternehmen (und an Privatschulen) eine Selbstverständlichkeit ist.
Um den Titel aufzunehmen: Im Grunde genommen ist es völlig egal ob Atici oder Urgese gewählt wird (oder gar Sutter wechselt), das Sagen haben im Erziehungsdepartement die Gewerkschaften.
Und die können sich bei ihrem Tun voll und ganz auf die grosse Abneigung ihrer Mitglieder gegenüber Veränderungen verlassen.
Punkt.
Claude Wiedmer meint
ich habe keine Zweifel, dass Herr Urgese gewählt würde, wenn die Landschäftler auch in der Stadt ihre Stimme abgeben dürften. Vorläufig ist das ja aber auf ausdrücklichen Wunsch der Baselbieter nicht möglich.
Die Ergüsse vom Rampass finde ich praktisch immer peinlich bis lachhaft.
Die Erwiderung von gotte ist zutreffend.
Rampass meint
Teamteaching? Da freuen sich die Minderleister. Sie können dann noch mehr zurücklehnen. Kennt man ja von früher: der Seriöse bestreitet die Gruppenarbeit fast im Alleingang, begleitet von Trittbrettfahrern.
Das Bildungswesen in Basel ist ziemlich am A…, wie dort beschäftigte Bekannte immer wieder bestätigen. Da helfen weder mehr Geld noch neue Köpfe an der Spitze. Eigentlich ein Trauerspiel. Passt aber gut zum schleichenden Niedergang der Stadt.
gotte meint
als rampass(en) sollten wir etwas vorsichtiger sein, der stadt einen schleichenden niedergang zu attestieren, in einer situation, in der dort im budget eine halbe milliarde plus sprudelt, derweilen wir von unserem superstar toni l. ein minus von 100 millionen serviert erhalten. und man soll bitte nicht so tun, als sei dies selbstverständlich, weil pharma und co.: es ist eine nicht geringe leistung der basler regierung, dass diese firmen trotz der globalisierungsorgie nach wie vor in bs sind und dort weiterhin investieren. das war jetzt kein statement für atici, aber eines gegen eine bornierte bl-sicht.