Am Sonntag konnte man in der „Sonntag“ Erstaunliches lesen: FDP-Nationalrat Hans Rudolf Gysin soll mit einer der FDP-Nationalräte sein, die schon seit Langem an vorderster Front für eine Offenlegung von Parteispenden kämpft. Die anderen beiden sind Herr Steinegger und Frau Ergeszegi.
Mein nicht vorhandenes Pferd wieherte derart laut, dass ich die Zeitung weglegen musste.
Ausgerechnet Herr Gysin, der grosse Vorsitzende seines eigenen Systems sorgt sich um Transparenz in der Politik.
Seine Lage ist ziemlich verzweifelt. Sie ist so verzweifelt, dass er sich neben dem Amt als Vorkämpfer für Transparenz auch als Ständeratskandidat in die Bresche schlagen würde. Hauptsache, er kommt wieder auf die Nationalratsliste – und wird nochmals gewählt.
Für den 71Jährigen geht es um Sein oder Nichtsein.
Und zwar nicht in erster Linie als Politiker, sondern als oberster Lenker der Wirtschaftskammer. Denn wird H. R. Gysin im Oktober nicht noch einmal Nationalrat, dann sind nicht nur seine Tage als Wirtschaftskammerdirektor gezählt, dann kann er sich seinen Wunsch, ins Präsidium zu wechseln, nicht mehr erfüllen.
Dann wird’s hart für ihn.
Denn sein Nachfolger, kommt er nicht aus dem eigenen Stall oder ist nicht dank eines Deals an den Direktionsposten gelangt, wird als Erstes das Unterste nach oben kehren müssen.
Aus Selbstschutz und auch um zu beweisen, dass jetzt eine neue Ära beginnt. Was da alles zum Vorschein käme, wäre möglicherweise alles andere als lustig für Herrn Gysin.
Der Mann hat tiefe, sehr tiefe Spuren hinterlassen. Bei Freund und Feind.
Gysin braucht unbedingt einen Nachfolger, der bereit ist, die nächsten drei, vier Jahre im Vorzimmer des Präsidenten die Stellung zu halten. Und zu schweigen. (Bild Wikipedia)
Es kann auch eine Direktorin sein.
Hans Rudolf Gysin läuft die Zeit davon. Denn die Landratswahlen haben ihm einen dicken Strich durch seine Nachfolgeplanung gemacht. Obwohl es wohl eine der teuersten individuellen Wahlkampagnen gewesen ist, sein Favorit für die Nachfolge, Markus Meyer, ist nicht in den Landrat gewählt worden.
Man muss sich das mal vorstellen: Der stellvertretende Direktor der Wirtschaftskammer und SVP-Kandidat wird nicht in den Landrat gewählt!
Da muss schon sehr viel schief gelaufen sein.
Weil die Lage also ziemlich verzweifelt ist, kann man davon ausgehen, dass, sollte es sich abzeichnen, seine Partei keine Lex Gysin (Applaus statt geheimer Wahl) für die Nominationswahlen vom 10. Mai duldet, er seine ihm verbliebene Heimwehr sofort in Bewegung setzen wird.
Der waidwund gehetzte grosse Vorsitzende bläst zum letzten Gefecht.
Es gibt kaum jemanden in diesem Kanton in Amt und Würden, der nicht irgendwann auf seinem Weg zum Posten nicht dem Direktor der Wirtschaftskammer begegnet ist. Was heisst begegnet: Im Landkanton galt bis März 2011 das geflügelte Wort, wer von Herrn Gysin unterstützt wird, ist so gut wie gewählt.
Denkbar ist also einiges.
Beispielsweise ein Antrag auf Statutenänderung, moralische Appelle von Leuten, denen Gysin zu Amt und Würden verholfen hat, eine Wahlempfehlung alter Weggefährten.
Doch ein Machtmensch wie Gysin, der mit dem Rücken zur Wand steht, wird auch nicht davor zurückschrecken, sich von seiner Partei abzusetzen und mit einer eigenen Wirtschaftsliste anzutreten.
Schliesslich wäre so ein Bruch nur ein Krach mehr in der FDP.
Es dürfte ihm nicht schwer fallen, sechs weitere prominente Mitstreiter zu finden, die mit dem Wirtschaftskammerdirektor in dessen letztes Gefecht zögen.
Verlierer wären am Ende beide – Hans Rudolf Gysin, der nicht gewählt wird und die FDP, die ohne Gysin möglicherweise den einen Sitz verlustig ginge.
Wir sind Zeugen des Untergangs eines Systems, das in den letzten dreissig Jahren die Politik des Landkantons nicht nur geprägt sondern schlicht und ergreifend bestimmt hat – das System Gysin.
Markus Heiniger meint
„Jede kunnt und jede goot
nüt hebt ewig, wo entstoot
uf em Wasser herrscht Verkehr
und dr Fluss, dä fliesst ins Meer…“
Marks Heiniger, frei nach Tinu Heiniger
manuel meint
Wie zu lesen ist, entscheiden die Delegierten der FDP (aus dem Bauch?) wer kandidiert.
Daher: Nicht nur auf der Wirtschaftskammer-Liste, auch auf der FDP Nationalratsliste müssen nicht unbedingt Frauen stehen. Oder Kandidaten aus verschiedenen Regionen. 7 Nobodies (das sehen die Michael-Herrmanns dieser Welt natürlich anders) gehen auch gut auf die Liste.
Wahlerfolg? Dazu wäre schon eine Strategie der Parteileitung nicht zu verachten. Da hat der Gysin schon Recht.
de gustibus non est disputandum meint
Erinnern wir uns noch schwach an das Verhalten der FDP bei der Bekanntgabe des (strukturellen) Baselbieter Defizits? Nach nebulöser Einflussnahme durch HRG verschwanden plötzlich alle Vorstösse kritischer FDP-LandrätInnen.
Gleiche Vorgehensweise nun im Zusammenhang mit der Nationalratsnomination: Wenn keine Lex Gysin akzeptiert wird, dann scheint eine Wirtschafts-(kammer-)Liste nicht unwahrscheinlich.
Die Kandidaten dafür kann man ohne weiteres aus den überparteilichen Komitees der letzten Abstimmungen zusammen stellen. Kandidatinnen wird es darauf keine geben, HRG setzt einzig auf Männer, die ihm einen Gefallen schulden. Deswegen ist auch die Wahrscheinlichkeit einer Frau als Wirtschaftskammer-Direktorin sehr klein.
Michael Przewrocki meint
Gysin ist genauso ein Wendehals wie Blocher. Die Quittung wird für beide kommen, so oder so. Auch für mich als Fotograf. Die Wahrheit wird nicht goutiert. Schon gar nicht von des Freundesfreunden.
gotte meint
gysin wird m.e. auch als nummer 1 der fdp liste nicht mehr gewählt. trotz des enormen wahlkampfs wurde er vor 4 jahren mit einem eher schlechten ergebnis auf dem 6. platz vor der cpv gewählt. in den letzten vier jahren hat er v.a. schlagzeilen als grosser abwesender in bern und streithahn mit malama hinterlassen. dieses jahr wird es wohl gar nicht mehr reichen, wenn man den allgemeinen fdp-abwind noch dazu kalkuliert.