Lassen wir mal eine mögliche Betroffenheit beiseite.
Schauen wir auf die Dinge aus höherer Warte.
Dann können wir von unserem Balkonsitz aus ein äusserst spannendes Experiment mitverfolgen.
(Wer mag, kann sich ruhig eine Schale Popcorn bereit stellen.)
Das Experiment, das wir nächstes Jahr mitverfolgen werden, dreht sich um die Frage, wer bis Ende 2020 das bessere Verhandlungsergebnis mit der EU erzielt: Die Schweiz oder Grossbritannien?
Die Ausgangslage ist klar.
Die Schweiz hat das Problem mit der Begrenzungsinitiative zu erledigen, welche die Kündigung der Personenfreizügigkeit zum Ziel hat und danach steht das Rahmenabkommen auf dem Programm, eine Art Norwegen light.
Grossbritannien muss mit der EU ein Handelsabkommen aushandeln, das weder die Personenfreizügigkeit noch den Europäischen Gerichtshof als Entscheidungsinstanz beinhaltet, also so etwas wie Kanada, allenfalls noch plus.
Spannend ist nicht nur die Frage, wie die EU mit den beiden Ländern umgeht, sondern vor allem, mit welchem politischen System man bessere Ergebnisse erzielt, d.h., möglichst viel von dem, was man selbst will, erreicht.
Wie die beiden Lesungen am Freitag zum Austrittsvertrag gezeigt haben, hat Johnson dank seinem Wahlsieg – aus Schweizer Sicht – eine nahezu autokratische Machtfülle erlangt.
Der Mann kann durchregieren, ohne gross nach links und rechts schauen zu müssen.
Die Schweiz hingegen, mein Gott, die Schweiz.
Da gibt es den Bundesrat und Vernehmlassungen und Kommissionberatungen und Parteikonferenzen und die Kantone.
Und dann noch die Bürgerlichen und die Linken, die Grünen und die dazwischen.
Und schliesslich noch das Volk, mein Gott, auch noch all die StimmbürgerInnen in den 26 Kantonen, mit ihren Kulturen, Dialekten und unterschiedlichen Sprachen, also das Volk, das am Ende auch noch gefragt werden muss.
Ich denke, die Briten würden bei einem solchen Politsystem kollektiv durchdrehen und sich gemeinsam von den Klippen von Dover stürzen.
Die Frage ist also gestellt: Welches System hat sich Ende 2020 besser geschlagen: das der Klarelinie-Briten oder das der Tohuwabohu-Schweizer.
Mein Verstand sagt, die Briten gewinnen, mein Bauch tippt auf die Schweizer.