Die Wetten der Journalisten auf den Ausgang der Basler Wahlen vom 23. Oktober laufen inzwischen auf die etwas gar einfältige Prognose hinaus: Entweder gewinnt die «von Herrliberg aus gesteuerte BaZ» oder die Basler Aufrechten von Rotgrün.
Ich kann mich nicht erinnern, dass in den letzten 39 Jahren die BaZ derart ernst genommen wurde.
Von den etwas über 100 000 Wahlberechtigten dürften bis heute, elf Tage vor dem Wahlsonntag, etwa neunzehn Prozent ihr Wahlcouvert abgeschickt haben, nochmals so viele werden das noch tun und den anderen sechzig Prozent ist sowohl Rotgrün als auch die BaZ ziemlich schnorz. Wahlen sind ein Happening für eine Minderheit, was wohl auch daran liegt, dass es im Grunde genommen egal ist, wer in der Regierung sitzt.
Doch dieses Mal ist es etwas anders.
Da ist mal zunächst die wirklich gute Nachricht: Guy Morin wird ab 2017 nicht mehr Regierungspräsident sein. Was bedeutet, mit dem Präsidialdepartement gehts aufwärts.
Wir bleiben dabei: Der allein wegen des Wegzugs der Hoffnungsgrünen Mirjam Balmer in die Kandidatur geschubsten Frau Ackermann ist ein erfülltes Leben an der Gitarre zu wünschen.
In Liestal.
Ernsthaft infrage für das Präsidialamt kommt nur Baschi Dürr. Die jüngsten Turbulenzen bei der Polizei zeigen vor allem eines: Er hat genug dafür gesühnt, dass er in jungen Jahren den Militärdienst verweigert hat. Herr Dürr war ja lange Jahre ein sehr begabter PR-Mann in einer renommierten Schweizer Agentur. Er soll nun zeigen dürfen, wo seine eigentlichen Stärken liegen.
Denn darin sind sich doch alle einig: Basel-Stadt verkauft sich weit unter Wert.
Die bürgerliche Wende, die möglich scheint, macht nur Sinn, wenn die Bürgerlichen das Finanzdepartement übernehmen. Deshalb gehört in dieses Schlüsseldepartement der fähige und beliebte Conradin Cramer. Er weiss, dass das viele (Steuer-)Geld aus der Wirtschaft kommt und nicht aus einem Keller der Regierung. Aus dem blasierten Selbstlob «rotgrünes Basel machts besser» würde mit ihm ein faires «zusammen gehts besser».
Frau Herzog soll in den nächsten vier Jahren die Chance bekommen, im Erziehungsdepartement Akzente zu setzen.
Wer so beliebt ist wie sie, muss mit einer neuen Aufgabe belohnt werden.
Im Wirtschafts- und Sozialdepartement braucht es ebenfalls dringend eine neue, junge Kraft. Tanja Soland soll nach dem 2. Wahlgang die Gelegenheit kriegen, ihren Hundeplatz-Gag mit seriöser Regierungsarbeit wettzumachen. Wir trauen ihr das zu.
Diese Chance hat auch der heitere Herr Wessels verdient, auch wenn ständig an ihm herumgenörgelt wird. Er zeigt beachtenswerte Ansätze von Reife und neuer Liberalität.
Dito der mustergültig-brave Lukas Engelberger. Er soll die Spitalfusion mit Baselland zu einem Abschluss bringen.
Und wer bitte möchte ernsthaft bestreiten, dass ins Polizeidepartement am besten der solide Lorenz Nägelin passt? Er bringt die richtige Mischung aus Konservatismus und sozialem Gespür mit. Als Vertreter der zweitgrössten Partei im Kanton wären er und die SVP am richtigen Ort in die Verantwortung eingebunden.
Eine derart markant verjüngte und entdogmatisierte Regierung würde dem Kanton, ja der ganzen Region guttun. Pedanterie und Selbstherrlichkeit sind passé. In einer sich rasant verändernden Welt braucht es wieder mehr Nähe zu den Menschen.
Und bewährte Tugenden wie Anstand, Bürgersinn und Pflichtgefühl.
Urs Eberhardt meint
So kann man es sehen. Oder anders.
Ich bin Auslandschweizer, nicht wahlberechtigt, als Liegenschaftsbesitzer in BS jedoch saftig steuerverpflichtet. (So leistet man sich halt doch eine Meinung.)
Zur Nachfolge des (eher verwirrten) Hausarztes empfehle ich weder die (sicher liebe) Gitarristin noch den (klar gescheiterten) PR-Mann. Bereits der Job ist falsch konstruiert, falsch ausgeschrieben und zieht ganz offensichtlich nur ambitionierte Randfiguren an. (Eigentlich könnte den Christoph Eymann, quasi emeritiert, locker im 20%-Mandat machen, neben dem Nationalrat. Aber leider ist da seine Angst vorm Fliegen. Selbst wenn er Miami Beach und Shanghai auslassen dürfte, käme er gelegentlich mit dem Zug nicht wirklich rechtzeitig dahin wohin ein Stadtpräsident halt schnell hin müsste.)
Conradin Cramer wäre zwar ein grossartiger Präsident, mangels konkreter Kandidatur aber vor allem der ideale neue Erziehungsdirektor. (Nie zuvor agierte ein Boss zeitlich so nah seiner eigenen Matur.) Und tatsächlich hat ja der Posten mittlerweile so viel mehr mit Rechtsabwägungen (gegenüber der rechten, linken und der muslimischen Welt) und Investitionsentscheiden (gegenüber der Finanzdirektorin) zu tun als mit Pädagogik. Da liegen wir mit einem hartgesottenen Vischer-Advokaten sicher nicht schlecht.
Frau Herzog soll dafür nicht zum Status der Inkompetenz (Peter-Prinzip) aufsteigen, also nicht Erziehungsdirektorin werden, sondern lieber erfolgreich weitere 4 Jahre die fiskalen statt der akademischen Innovations-Boxen betreuen. Nur so blieben ihr auch die (ohnehin aussichtslosen) Ambitionen auf einen Bundesratsposten.
Warum man HH. Brutschin und Wessels ohne ernsthaft argumentierte Opposition aus der Blüte ihrer Tätigkeit entfernen soll, will mir nicht klar werden. Der eine versöhnt besser denn je die Linke mit der Pharma. Der andere lässt sich, im mehrheitlich autofreien Kanton, fröhlich auch als Autofeind anpissen. Was wollen wir mehr?
Jä nu. Bleibt dieses entscheidende vierte Mandat. Das für die Mehrheit.
Eric Weber oder Lorenz Nägelin? Heidi Mück oder Martina Bernasconi?
Heilandsack geht’s uns gut!
M.M. meint
„Heilandsack geht’s uns gut!“ In der Tat, in der Tat.
Michael Przewrocki meint
Bin der genau gleichen Meinung von M.M. Baschi soll als Präsident seine Fähigkeiten endlich zeigen dürfen. Egal ob mit gestärktem Hemd oder ohne Krawatte……oder in Badehose. Im aktuellen Departement kann er machen was er will. Es ist „falsch“. Basel erträgt keine Frühreifen. Das ist tragisch. Wird uns noch viel kosten.
M.M. meint
Zuschrift per E-Mail
Sehr geehrter Herr Messmer
Einen so herrlichen Beitrag habe ich nur selten gelesen. Er ist prächtig formuliert, vieles ist wunderschön zwischen den Zeilen zu lesen, das Ganze elegant mit etwas Häme gespickt.
Wer das nicht verstanden hat, dem ist nicht zu helfen. Ich habe mich enorm über Ihre Kolumne gefreut.
Mit freundlichen Grüssen
Rolf Müller
Paule meint
Dem ist wirklich nichts hinzuzufügen! Habe mich köstlich amüsiert.
Meury Christoph meint
Die wunderbare Fantasie und der Wunsch nach einem politischen Turnaround leidet an einer partiellen Amnesie. Im Nachbarkanton Baselland haben wir ein bürgerlich dominiertes Parlament und eine rein bürgerliche Regierung. Und ist da alles besser geworden? Was bitteschön können die Bürgerlichen besser? Der favorisierte Baschi Dürr hat seine laufenden Polizei-Skandälchen PR-mässig knapp gemeistert, aber im Tagesrhythmus fördert die BaZ neue Unzulänglichkeiten der Sicherheitsdirektion zu Tage. Offensichtlich hat Baschi Dürr in seiner Direktion nicht wirklich das Sagen. Seine Führungseigenschaften dürfen angezweifelt werden. Das Amt zu wechseln heisst jetzt natürlich auch den selbstgeschaffenen Problemen davon laufen. Vielleicht muss Baschi Dürr vorerst seinen Laden aufräumen. Das ist der Job. Basel-Stadt braucht keinen Starverkäufer & PR-Fritzen. Basel-Stadt ist gut aufgestellt.
Markus Meier meint
Herr Dürr gräbt die Leichen seiner Vorgänger aus und wird dafür von seinen gegner härtestens angegangen. Viel mit Fairness hat dies nicht zu tun. Im Gegenteil. Jeder Regierungsrat wird es sich nun sehr gut überlegen, ob er im Keller alte Leichen suchen oder noch mehr Schutt darüber schütten will. Und dies Dank linken Lautsprechern wie Herr Meury.