Vielleicht sollte man mal kurz zurückblicken, um zu verstehen, weshalb der Staat nun die noch verbliebenen Medien unterstützen muss.
Ich gehöre zur glücklichen Journalistengeneration, welche die goldenen Zeiten von anfangs der 70er Jahre des letzten Jahrhunderts bis 2019 in verschiedenen Rollen miterlebt hat.
1974 als ich in den Journalismus als freier Mitarbeiter beim Basler Volksblatt eingestiegen mit – engagiert vom Journalistenstammtisch in der Riobar weg – gab es in Basel noch vier Tageszeitungen: Die bürgerlichen Basler Nachrichten, die linksliberale Nationalzeitung, die sozialdemokratische Basler AZ und eben das katholische Basler Volksblatt.
Und auf der Landschaft die Basellandschaftliche Zeitung.
Die haben alle nicht wirklich rentiert.
Die AZ hatte zuwenig Inserate, das Basler Volksblatt zuwenig Abonnenten. Und nur wenig besser ging es den beiden grossen Blättern, wobei die Nazi von allen wirtschaftlich am besten dastand.
Dank der Druckerei.
Denn alle Zeitungen wurden durch Druckereien quersubventioniert. Mit Druckaufträgen konnten Unternehmen und Private das Blatt ihrer Richtung unterstützen.
Das war zugleich Segen als auch die Krux der Zeitungen: An der Spitze der Unternehmen waren damals nicht Verleger, obwohl sich diese Männer gerne mit diesem Titel schmückten.
Sie waren in erster Linie Druckereibesitzer, die ihre teuren Maschinen auslasten wollten.
Die teuren Zeitungsdruckmaschinen garantierten ihnen das Monopol auf die Verbreitung von Nachrichten auf Papier.
Das werbefreie Radio hatte man dem Staat überlassen.
Uns Journalisten war der wirtschaftlich Zustand der Zeitungen solange ziemlich egal, bis sie vom Markt verschwanden (zuerst die AZ, später das Volksblatt) oder 1977 zur Basler Zeitung fusionierten.
Doch nach ein paar Monaten der Bubble-Erregung, war wieder Alltag. Alle hatten wieder einen Job – im Journalismus.
Sprich wie ich später bei der BaZ.
Die Stellung der Journalisten war derart exklusiv, dass noch anfangs der Nuller-Jahre der langjährige Chefredaktor der BaZ sich schlichtweg weigerte, über Sparpläne bei der üppig dotierten Redaktion auch nur zu reden.
Die Forumszeitung hatte die Parteiblätter verdrängt und war während gut 25 Jahren ein einträgliches Geschäftsmodell.
Das waren die letzten goldenen Jahr für die Drucker-Verlegerfamilie der Hagemanns. Ihnen gehörte nicht nur die BaZ, sondern auch das Anzeigenblatt Baslerstab. Über einen Strohmann hielten sie zudem den Doppelstab, dessen Chefredaktor ich von 1982 bis 1986 war.
1983 begann in Basel die neue journalistische Zeitrechnung als Radio Basilisk auf Sendung ging.
Von da an bestimmten die den Nachrichtentakt: Nicht mehr erst am anderen Tag, sondern immer zur vollen Stunde gab es das Neueste.
In den ersten Jahren waren die auch inhaltlich ein bestimmender Faktor, eine echte Konkurrenz zur BaZ. Wer in der Politik mittat, musste die Diskussionssendungen – zu Abstimmungen beispielsweise – mitverfolgen (und seine Leute platzieren).
Radio Basilisk war das Ende des Doppelstab.
Das Gratiswochenblatt war immer hochdefizitär. Gewollt mit hohen Anzeigentarifen. Weil das Geld zum Baslerstab des Vetters fliessen sollte. Die BaZ war nur unwesentlich teurer.
So simulierten die Medienoligarchenfamilie einen freien Markt.
Ich nannte das mal in einem Papier an die Geschäftsleitung „besetzen des Golflochs“. Das sei eine ziemlich sinnlose Existenzberechtigung für ein Unternehmen, für eine Zeitung.
1986 haben sie mich entlassen.
Nachdem ich sie mit einem Lokalfernsehprojekt genervt hatte. Und noch mit ein paar anderen Ideen für eine Vorwärtsstrategie.
Ich machte mich als überhaupt erster Journalist in Basel selbstständig.
Was keiner der satten Druckmaschinenbesitzer auf dem Radar hatte, war das 1995 gegründete Kleinanzeigenportal Craiglist.
Man kann von einem Schmetterlingseffekt sprechen: Der in San Franzisko gegründete Onlinedienst für Gratisanzeigen war der Untergang des Basler Anzeigenblatts Baslerstab.
2014 war Schluss. Wer eine Wohnung suchte, stand schon lange nicht mehr frühmorgens vor der Druckerei, sondern clickte sich durch die Angebote auf immoscout24.
(Nebenbemerkung: In den 90ern hatten wir auf der Medienliste meiner PR-Agentur noch gegen 400 Tages- und Wochenzeitungen registriert.)
Der Untergang der BaZ wurde in der Zeit des Umbruchs mit einer Reihe von unternehmerischen Fehlentscheiden konsequent vorangetrieben.
Statt auf das ferne Grollen des heranziehenden Onlinesturms zu hören, kaufte man wie von Sinnen Druckereien und Verlage auf. Zum Bespiel den Jean Frey Verlag (Weltwoche).
Die BaZ hatte sich einen CEO angelacht, dessen Ego die Möglichkeiten des Unternehmens bei weitem übertraf.
Die Freude der Besitzerfamilie, plötzlich eine bedeutende Rolle im Schweizer Verlagswesen zu spielen, dauerte knapp fünf Jahre. Dann trennte man sich vom CEO und verkaufte in einer Notoperation Jean Frey an Tettamanti.
Genau, an den, der 2010 den Hagemanns die BaZ abkaufte (ich sass bei der Vertragsunterzeichnung als Kommunikationsberater der BaZ mit am Tisch.)
Der Rückzieher in sprichwörtlich letzter Minute vor der Vertragsunterzeichnung mit Tamedia für die Beteiligung an 20Minuten und der spätere Einstieg in die Gratispendlerzeitung .ch, ein, wie sich bald herausstellte, Geldvernichtungsprojekt der Superklasse, waren die letzten Entscheide, welche den Untergang besiegelte.
Der Rest besorgte die Finanzkrise 2008.
Ein Jahr später versuchte man nochmals den Anschluss an die neue Zeit zu gewinnen – mit bazonline. Das war ein Gemeinschaftsprojekt
mit dem Tagi. Ich wurde CEO der bazonline AG und Co-Herausgeber des Nachrichtenportals.
Als ich den Job übernahm, war das so, dass die Inseratenabteilung allen Printkunden die Online-Werbebanner als Insentiv gratis überliess.
Und so weiter und so fort.
Ursprünglich hätte der Basler Ableger des Gemeinschaftsportal mit Tamedia „Basler Zeitung“ geheissen. Dass man damit den Markennamen praktisch gratis ins Gemeinschaftsunternehmen verscherbelt hätte, wollte keiner der Verantwortlichen erkennen.
Ich habe dann im Alleingang entschieden, dass das Ding „bazonline“ heisst. So lautet noch heute die URL.
Der Rest war Scheitern. Nach einem Jahr wurde ich und praktisch alle anderen Mitarbeiter entlassen.
Dann kam Christoph Blocher – und ganz ehrlich, ich fand das eine gute Lösung. Denn die BaZ war damit eine der letzten Tageszeitungen, die einem unabhängigen Unternehmer gehörte, einem von ausserhalb der alten Verlegergarde.
Der die Szene aufmischen wollte. Und an die Zeitung als Medium glaubte.
Wie auch immer man das politisch deuten will, Fakt ist, dass die BaZ wieder relevant wurde. Da war eine Redaktion am Werk, die Aufbruch signalisierte, die nochmals zeigen wollte, was man als Journalist leisten kann.
Wäre der Chefredaktor ein Linker gewesen, hätten das auch die Basler erkannt.
Ich habe vier Jahre lang Woche für Woche eine Kolumne geschrieben. Es hat – ehrlich gesagt – in diesem kontroversen Umfeld Spass gemacht.
Es war wieder so, dass man die BaZ lesen musste, auch die, die unter Protest ihr Abo gekündigt hatten.
Und jetzt sind wir am Ende der Geschichte angelangt ohne Telebasel und den Flop TagesWoche erwähnt zu haben (Kurzformel: irrelevant.)
Man sagt uns, der Lokaljournalismus des Tagesanzeiger-Ablegers BaZ sei nur mit Staatssubventionen zu retten.
Das sich als Konkurrenz definierende Onlineportal Bajour – wer mehr wissen will, soll das lesen: Online-Medium: 1,2 Mio. Lohn, 120’000 Umsatz, 1 Story pro Tag – braucht die Staatsknete auch.
Bajour – ein Newskanal, der unter Ausschluss der breiten Öffentlichkeit so tut als ob er wichtig wäre.
Soweit haben wir es gebracht.
Würde das Portal nicht ab und zu auf Twitter erwähnt, ich nähme es nicht zur Kenntnis.
Ich nehme mir also die Freiheit, zum Mediengesetz keine Meinung zu haben.
Wenn die Mehrheit Ja sagt, von mir aus. Wenn ein Nein resultiert, ist‘s mir auch egal.
Meine Medienrealität ist schon längst eine andere.
Paule meint
Gibt es in Basel eine Mehrheit, die nach all den Jahren des Ärgers über die baz jetzt Ja zu Bundessubventionen für das Rohr-Blatt sagt? Ich kann es mir nicht vorstellen.
Bleibt also das linke Bajour, das im linksgrünen Basel gewiss zahlreiche Anhänger:innen hat. Doch stellt sich hier die Frage, weshalb die Öffentlichkeit eine Milliardärin aus ihrem Dilemma befreien soll, nach der TagesWoche schon wieder einem journalistischem Luftschloss über kurz oder lang den Geldhahn abdrehen zu müssen, weil es sich auch in zehn Jahren nicht rechnen wird und man ja nicht ewig zahlen will?
Gabi Mächler, Geschäftsführerin Stiftung für Medienvielfalt meint
Bajour wird von der Stiftung für Medienvielfalt unterstützt. Zum wiederholten Mal: die erwähnte Milliardärin hat vor 10 Jahren Geld in eine Stiftung eingebracht, damit sie Medienprojekte fördert, seither wurden über 300 Gesuche geprüft und schweizweit unzählige Projekte bestehender und neuer Medien unterstützt. Die Stifterin hatte nie Einsitz im Stiftungsrat noch hat sie je irgendeinen Entscheid des Stiftungsrates mitbeinflusst.
Paule meint
Sie haben formaljuristisch selbstverständlich recht mit Ihrer Anmerkung. Die profane Auslegung des Sachverhalts ist jedoch die, dass die durchaus grosszügige Geldgeberin auf immer mit den Entscheidungen der Stiftung verbunden bleibt. Sollte die Stiftung irgendwann ihre Beiträge an bajour streichen, die Leute entlassen, so stände die Geldgeberin in der Diskussion und nicht die Stiftungsräte. So funktioniert nun mal das Publikum.
Gabi Mächler meint
Es ist der Sinn einer Stiftung, dass Vermögen verselbständigt wird. Bemühend, wenn nicht verstanden wird, dass sich damit der Einfluss der Stifterin erschöpft hat.
Arlesheimreloadedfan meint
Frau Mächler,was steht den im Stiftungszweck?
Die Stiftung müsse die Familien Soldati,Springer,Wanner und Coninx vor dem Hungertod bewahren?
Wäre ich der Stifter , hätte ich mir zu Mindest einen Notausgang eingebaut.So könnte man die 14 Nasen von Bajour zu Hilfspfleger für die Spitex umschulen.
Wenn gute Milliardäre mildtätig werden, weil böse Milliardäre mit Geld um sich werfen,ist ein Fiasko vorprogrammiert.
Arlesheimreloadedfan meint
Was ist „Lokaljournalismus“ ? Wenn der Walliser Bote nicht über die Unmengen von Quecksilber im Boden bei Visp schreibt ?Wenn der WB seine Leser nicht mit Details und Kosten,der teuersten Autobahn bei Leuk-Susten nervt?Warum soll er auch,das Quecksilber stört doch eher die Fische im Genfersee.Den Pyramidenbau bei Leuk finanzieren ja auch Basler Autofahrer (gsched denen eh ids Füdle ine Rächt,warum fahren sie auch Auto.)
Wenn im Herrgottswinkel der Familie Wanner ein Porträt der Zuger Stadtheiligen hängt, im Gegenzug das Imperium Suppinos Beschwerde gegen die mediale Köpfung von Frau Binswanger durch das „Megafon“ erhebt?
Ist das Lokaljournalismus ?
Die Schweiz ist ein (Strassen)Dorf !