Anders als vor vierzig Jahren kann ich dem Hindugebramsel nicht mehr viel abgewinnen. Ich verstehe zwar, was die Gläubigen tun und was es mit den verschiedenen Gottheiten auf sich hat. Aber sonst interessiert mich das nicht weiter, ordne ich eher unter der Kategorie „Eigenartig“ ein.
Man muss das auch auf den Punkt bringen. So ein Tempel ist nichts anderes als ein Unternehmen zur Bewirtschaftung des Glaubens. Weil mich der Hinduismus lediglich als religiöses Phänomen interessiert, kann man mir nichts verkaufen.
Wobei es ja nicht so ist, dass ich abgeneigt bin, mal diese oder jene Rupie in meine Neugierde zu investieren. Bei Tempelbesuchen beispielsweise. Oder bei diesem Priesterdarsteller mit eigener Visitenkarte („my sitting place – Jaipur Ghat, please contact Sunset Cafe for me“), der sich recht selbstbewusst „Maharaja Shiva“ (Grossfürst Shiva) nennt.
Maharaja Shiva hat uns also während des malerischen Sonnenuntergangs ins Gebet genommen. Uns glückliche Jahre gewünscht und mir noch zahlreiche Kinder. Meinen Einwurf „hey Mann, ich bin 63, ich will keine Kinder mehr“, hat er zwar kurz irritiert zur Kenntnis genommen, dann aber sein Programm weiter abgespult, mit Blumenblüten, die man ins Wasser schmeisst, dem Nachplappern der Hindugötterwelt. Höhepunkt der Zeremonie ist das Anlegen eines bunten Fadens, Frauen linker Arm, Männer rechts.
Mit einem solchen Faden am Arm hat man sich so eine Art „all inclusive“-Bändchen ergattert, wie man sie von Pauschalreisen kennt. Man wird von da an nicht mehr weiter belästigt. Wir haben ihm für seine Show fünfzig Rupien gegeben, was den Mann ziemlich empört hat. Schliesslich kämen wir aus der Schweiz, da müssten doch fünfhundert Rupien wohl drinliegen. „Du spinnst ja“, habe ich ihm auf gut Deutsch geantwortet und ihn dabei glückselig angestrahlt. Damit war der Deal abgeschlossen. Die farbigen Stirnpunkte haben wir uns etwas später wieder abgewischt, während wir an einer Gruppe Pauschaltouristen vorbeischlenderten, die im Schneidersitz und mit geschlossenen Augen sichtlich verzückt eine etwas aufwendiger ausgestaltete Zeremonie mitmachten.
Übrigens – die letzte Bemerkung des Grossfürsten war: „You can find me on facebook“.
Kann man einen Rundgang durch dieses bunte abendliche Theater mit etwas Besseren abschliessen, als mit einem guten italienischen Nachtessen? Beim abendlichen Spaziergang stiessen wir auf drei muntere Italiener, auf Eduardo,Sandro und Riccardo, drei Pensionäre, die wie wir sich vorgenommen haben, einen grossen Teil des Rests einfach zu geniessen. Nach einem munteren Wortwechsel gingen wir auf einen Chai.
Sandro (Bild) war damals ungefähr zur selben Zeit wie ich in Indien gewesen, so dass wir uns in ein Gespräch unter Veteranen vertiefen konnten. Welch glückliche Generation, dachte ich, die sich nicht über Militärveteranengeschwätz näher kommen muss.
Jedenfalls hat dann Eduardo beim Weitergehen schon fast flüsternd, so als handle es sich wenn nicht um etwas Verbotenes so doch um etwas Anrüchiges, gesagt: „Wir gehen heute italienisch essen, wir brauchen jetzt einfach Gnocchis.“
Zur Vorspeise haben wir uns eine Margarita geteilt und anschliessend Gnocchis al Pesto gegessen. Wein gab es nicht und das Bier hatte die Temperatur für Engländer, so dass wir zu Wasser wechselten.
Bei den Gnocchis bemerkte Sandro, er ist Koch und hat ein Restaurant im Trentino, so ernsthaft beiläufig, wir nur Italiener während des Essens übers Essen reden können auf Italienisch: „Weisst du, die beste Pesto machen halt noch immer die Genueser.“
Ich musste herzhaft lachen und sagte: „Nun sitzen wir hier in Indien, beim Italiener in diesem Hindupilgerort – Pushkar ist den Hindus so heilig wie Benares – und essen Gnocchi al Pesto und stellen fest, dass das Pesto aus Genua noch immer das beste sei. Was für eine Welt.“
Aber eigentlich passte das schon, was Sandro sagte, denn wir verbrachten diesen Abend in unserer eigenen Blase und da war halt nichts als Italien. Wäre da nicht der Koch gewesen, ein Inder, der gehört hatte, dass er richtige Italiener zu Gast hat. „Wie gefällt Euch meine Pesto?“, fragte er in die Runde. „Benissimo!“, antwortete Sandro im Brustton voller Überzeugung.
PS: ich war schon immer der Meinung, dass BKB-Matter unterdurchschnittlich sei. Der hatte seinen Laden, anders als sein Vorgänger, nie im Griff. Ein Bankmanagerdarsteller halt. Dass der sich jetzt mit seinen Bonus- Millionen ins gut gepolsterte Rentnerdasein absetzt und dabei von „Verantwortung übernehmen“ faselt, ist eine Frechheit. Wir haben unsere Geschäftsbeziehungen zu dieser Bank vor zwei Jahren abgebrochen. Wie sich zeigt, war das ein guter Entscheid.
merlinx meint
Zuerst sind wir natürlich erleichtert zu erfahren, dass die geballten Ladungen an „Aberglauben und religiösen Praktiken“ bis jetzt schadlos überstanden worden sind …
Zum letzten Punkt: Könnte man da nicht von einem schönen Dreieck-Geschäft reden, bei dem die BKB (vor allem ihre Angestellten in Zürich) mitverdient hat?
Interessant ist es jetzt schon, wie sich die BKB-Verantwortlichen rauszureden versuchen und von der „erheblichen Eigenverantwortung“ des Kunden bei der Wahl der ASE als Vermögensvermehrungsanstalt schwafeln.
Es ist nur zu hoffen, dass die ganze Angelegenheit vor die Gerichte kommt, dann bestünde vielleicht die Möglichkeit, die schweizerische Rechtssprechung in Sachen Betrug und Täuschung dahingehend zu revidieren, dass diese kriminellen Tatbestände nicht mehr einfach so akzeptiert werden müssen, sozusagen als Preis für unsere liberale Wirtschaftsordnung, in der sich der Staat aus privatwirtschaftlichen Belangen möglichst rauszuhalten habe.*
(* Siehe dazu den ausgezeichnete Artikel auf http://www.beobachter.ch/justiz-behoerde/gesetze-recht/artikel/abzocke_die-trickser/)
M.M. meint
Absolut recht. Könnte noch nachtragen, dass Herr Matter nur BKB-Chef wurde, weil Herr Gerster endlich einen Zustimmer wollte, was er vorher nicht hatte.
merlinx meint
Ja, diese spezielle, sozusagen private Nachfolgeregelung in einem öffentlich-rechtlichen Institut wurde damals nicht von allen goutiert …
Nun, Basels classe politique gibt sich erschüttert, – bin gespannt, ob sich nun eine besänftigende Decke schwerer Betroffenheit über diese veritable Staatsaffäre legen wird.
Seien wir froh, das Ganze hat sich weitestgehend fernab im dubiosen Finanzmilieu des bösen Zürich abgespielt, – und der Verantwortliche wird ja auch nicht wie früher in die Wüste gejagt, sondern dafür gelobt, dass er beflissen den Hut nimmt – tut es ihm nun mehr weh, dass er das Wohl der geschädigten Kleinanleger nicht garantieren kann, oder ist ihm wohler, dass er gehen darf und diesen Schlamassel nicht ausbaden muss?
… die bunten Bändel, die der ASE-Guru seinen vertrauensseligen Anhängern andrehte, berechtigen leider nicht zum Einlass an das üppige Festmahl in Mammons heiligen Tempel … und bewahren erst recht nicht vor einer Wiedergeburt als Esel … (dies in aktueller Konnotation).
M.M. meint
Schlage Wiedergeburt als Kuh vor, in Jaipur. Das wäre ein Schicksal.