Ich verstehe ja, dass die Amerikaner Occupy Wall Street ins Leben gerufen haben. Zum einen haben Millionen von Amerikanern im Zuge der Finanzkrise vieles bis alles verloren.
Zum anderen ist es fast schon ein Naturgesetz, dass auf die rechte Tea Party-Bewegung eine linke Antwort folgen musste.
In den USA fehlt seit Jahren eine linke Bewegung, eine linke Partei.
Doch dass nun auch auf dem Paradeplatz in Zürich auch ein paar Zeltlagerer Occupy Wall Street spielen, halte ich für einen ziemlichen Witz.
Das ist Besetzerfolklore, wo man zwischendurch mal schnell zum Bankomaten, um Bares für den heissen Kaffee zu holen. Und am Montag gehen dann alle wieder arbeiten.
Alice Gabathuler meint
Huch. Da hat sich ja was getan. Nun, jedem sein Weltbild. Das Ausklinken ist kein Jammern. Es geht mir prächtigst dabei, war noch nie so zufrieden wie jetzt, also bitte kein Mitleid. Aber irgendwie habe ich diesen Missionarsgeist, dass es eben auch anderen zumindest gut gehen soll, nicht nur mir.
Durch meinen Beruf und persönliche Bekanntschaften sehe ich – wie weiter oben rumpelstilz2 – auch die andere Seite der Schweiz. Da können Sie mir jetzt noch lange einreden, dass es das, was ich sehe, nicht gibt. Weggehen tut es davon nicht. Schon gar nicht mit billigen Allgemeinplätzen und Lebensweisheiten aus dem Glückskeks.
PS: Der gelernte Automech, mit dem ich kürzlich gesprochen habe, arbeitet jetzt nach seiner Lehre NICHT auf dem Beruf. Er hat etwas gefunden, wo er besser verdient. Sprich: Auch ihm geht es gut. Wer sich in Zukunft um unsere defekten Autos kümmert, kümmert ihn nicht sonderlich, was ich ihm nicht verübeln kann. Wenn ich jetzt so lese, wie in der Schweiz in einigen Berufen schon händeringend Ausgebildete oder Lehrlinge gesucht werden, dann sehe ich einfach, dass das irgendwann nicht mehr aufgeht, wenn Leute nach ihrer vierjährigen Lehre direkt in einen anderen Beruf einsteigen.
mehrlinks meint
Damit wären wir also beim Infight angelangt, beste Gelegenheit, einen uppercut zu landen …
Geht am Wochenende wählen, ich jedenfalls lasse mich wieder für vier Jahre gut vertreten … DEN/DIE wählen? Wahrscheinlich doch.
rumpelstilz2 meint
„Mittelmass“ bedeutet offenbar,dass man die Welt in Zitaten erklärt.Irgendwas passendes findet man immer.Wahrlich,ein beschauliches Weltbild ergibt sich da.Solche Zitatesammlungen gibts meist im Doppelpack mit Astrologie-Anweisungen.Das muss schön sein,sich im Meer der Zitate ein selbstgerechtes Leben zusammenzustellen. Und lieber M.M. ,ja es kann auf den ersten Blick lächerlich sein,in ZH vor den Banken rumzustehen.Doch es bedarf einer gewissen Realitätsverweigerung,um zu behaupten,dass wir auf imme rund ewig in dieser Insel der Glückseligkeit nicht drankommen.Ich habe beruflich sehr konkret mit Menschen zu tun,die schon jenseits deiner Vorstellungen angekommen sind,perspektivelos und es werden immer mehr.
PS.zum Zitatefreund: Das „pecuniam non olet“ -Lebensphilosophie so unzähliger Finanzheinis (der einzige lateinische Satz,den sie in ihrer Ignoranz kennen),heisst einzig,dass Geld nicht nach Pisse stinkt…
Laiko meint
@Mittelmass:
1) „Niemand hat das globale kapitalistische System geplant“ – Falsch, oder wollen Sie sagen, dass dieses System von ausserirdischen grünen Männchen eingeführt wurde?
2) „Niemand lenkt es“ – Ebenfalls falsch, oder glauben Sie an den Weihnachtsmann?
3) „Niemand versteht es wirklich.“ – Aber hoppla! In dem Fall sind Wirtschaftswissenschaften esoterische Theorien?
4) „Das kränkt vor allem die Intellektuellen, denn der Kapitalismus macht sie überflüssig.“ – Wie schön 🙂 Ich habe auch schon gemerkt, dass es gewissen CEOs, Managern, Bänkern und sonstigen Abzockern an Intelligenz fehlt. Der Kapitalismus – das System ohne Intelligenz 🙂
5) „Er funktioniert bestens ohne sie.“ – Quod erat demonstrandum et puer libenter in horto laudat. By the way – werden Intellektuelle im Kapitalismus irgendwie beseitigt? Oder werden die automatisch dumm?
Laiko meint
„Those who make peaceful revolution impossible will make violent revolution inevitable.“ — John F. Kennedy
Mittelmass meint
„Niemand hat das globale kapitalistische System geplant, niemand lenkt es, und niemand versteht es wirklich. Das kränkt vor allem die Intellektuellen, denn der Kapitalismus macht sie überflüssig. Er funktioniert bestens ohne sie.“
Peter Saunders
Laiko meint
http://www.youtube.com/watch?v=-SKw2j3XOY0
Laiko meint
oder auch:
http://www.youtube.com/watch?v=MAhHPIuTQ5k
mehrlinks meint
@ Alice Gabathuler
Ihre finale Drohung, sich auszuklinken, kommt ein bisschen falsch rüber, schade – Ihre Anklagen und Lamentationen lasen sich ansonsten flüssig, auf den ersten Blick nicht ohne Schwung.
Aber, diese Couch-Potatos auf dem Lindenplatz überzeugen mich nicht wirklich, sorry, bei allem „Ärger“ mit unsern Geldhäusern.
Vielmehr: Jeder Mensch ist ein Bänkler (frei nach J. Beuys)….
Franz meint
Ja was jetzt? Ein Bänkler oder ein Banker. Oder meinen Sie das gleiche?
Ein Bänkler hockt auf einer Bank, ein Banker hockt in einer Bank. Oder spinn ich?
mehrlinks meint
Sicher nicht – Bänkler ist umgangssprachlich (… und Bankster sollte man erst nach den Prozessen oder nach dem Zusammenbruch verwenden …)
Alice Gabathuler meint
@M.M.
Haben Sie schon mal mit den Jugendlichen gesprochen, die am Bahnhof herumhängen (NEIN, das sind nicht einfach alles arbeitsscheue Subjekte!)? Kennen Sie deren Schicksale? Wissen wir, wie es sich auf der Verliererseite lebt, weil man nach einer vierjährigen Lehre z. Bsp. als Automech weiss, dass man nie die Chance haben wird, eine Familie zu ernähren. Kennen Sie jene Leute, die nie an der Börse Geld gewonnen haben, weil sie keins hatten, um Aktien zu kaufen, die jetzt aber ihre Pensionskasse den Bach runtergehen sehen, weil Pensionskassen „investiert“ haben? Das sind viel mehr als wir denken.
Abgesehen davon gibt es immer noch junge Leute, die nicht von der grossen Kohle träumen, sondern (Zyniker bitte anschnallen und lachen) in einer friedlicheren Welt leben wollen.
Realisten und Zyniker hat die Welt genug. Ich mag die Idealisten. Jene, die nicht einfach sagen: Es ist immer so gelaufen und so wird es auch weiterlaufen. Wenn ein Ghandi oder ein Luther King so gedachte hätten, hätte sich nie etwas verändert.
Ja, über alles gesehen geht es uns in der Schweiz gut. Schaut man genauer hin, kommt man zu einem etwas anderen Schluss.
M.M. meint
Ach was, Frau Gabathuler. Höchstens gefühlt geht es den Schweizern schlecht. Ich schaue genau hin und sehe weit und breit kein Elend. Nirgends, nada, nix.
Mittelmass meint
„Automech weiss, dass man nie die Chance haben wird, eine Familie zu ernähren“
Die Leute heiraten oder gründen eine Familie erst nach dem 25 Lebensalter, viele um die 30. Bis dann wird er sich verdient gemacht haben und mehr verdienen. Vielleicht macht er noch eine Zusatzausbildung. Wird Chef? usw.
Die Zukünftige kann ja auch noch arbeiten.
Und was ist das für eine Einstellung? So pessimistisch, so depressiv. Ich glaube fast Sie geniessen das Jammern der jungen Leute, und schlimmer noch, feuern sie noch an anstatt ihnen Mut zu machen.
Schauen Sie, selbst während dem zweiten Weltkrieg sind Kinder geboren wurden, Menschen haben das KZ oder den Gulag überlebt und leben zum Teil heute noch und haben Enkelkinder.
Wenn man in der CH solche Gedanken hat wie Sie, dann hat das Andere, sprich nicht wirtschaftliche Gründe. Was genau, das müssen Sie selbst herausfinden.
Der Malocher meint
Alles richtig – bis auf den letzen Satz (das mit dem „arbeiten“): da musste ich herzlich lachen!
Gaston Ravasi meint
Lieber Manfred, Dies ist einer der weniger gelungenen Beiträge von dir. Oder bist du wirklich der Meinung, dass sich nur solidarisieren darf, wer selbst schon verarmt ist? Dann darf auch nur gegen Atomkraftwerke sein, wer selbst schon verstrahlt ist?
Alice Gabathuler meint
Das Leben ändern muss jeder für sich. Aber wenn grundlegend etwas falsch läuft – und das tut es meiner Meinung nach seit Jahren; siehe Öffnung der Lohnschere – dann kämpft der Einzelne vergeblich im Hamsterrad. Um es anders zu sagen: Viele Umbrüche wären nicht geschehen, wenn jeder einzelne für sich ein neues Leben gesucht hätte. Es braucht auch die kollektiven Bewegungen.
Ich habe die letzten paar Wochen und Tage viele dieser Plakate gelesen (online). Sehr viele davon bringen je nachdem auf humorvolle, zynische oder auch provokative Art das Problem auf den Punkt. Niemand hat behauptet, dass wir die Antworten kennen. Im Moment sind es Fragen und der Wunsch nach Veränderung.
Und dann gibt’s noch einen nicht zu unterschätzdenden Faktor: Zum grossen, grossen Glück ist die Schweizer Bevölkerung noch nicht ganz stromlinienförmig eingemittet. Es gibt sie noch, die schrägen Vögel, ohne die das Leben nur noch grau wäre. Ja, die haben manchmal in der Tat etwas abstruse Vorstellungen. ABER: Eine Welt ohne diese Vorstellungen und Träume wäre leer und öd. Ich ziehe manchen „Freak“ (und glauben Sie mir, ich kenne nicht wenige davon) vielen eingemitteten Zeitgenossen um Meilen vor. Der äussere Schein trügt. Wie meine (nicht stromlinienförmige) Tochter einmal sagte: „Wer mich nur von aussen sehen und beurteilen will, ist selber schuld. Das ist sein Problem, nicht meins.“
M.M. meint
Na ja, so rein theoretisch haben Sie ja schon irgendwie recht. Ich verfolge die amerikanischen Blogs zu Occupy Wall Street auch. Denen kauf ich das sogar ab. Aber diese Freitzeitdemonstranten in Zürich und Basel – das ist doch ziemlich lächerlich.
Abgesehen davon, dass es die Politiker und die Staaten sind (z.B. Griechenland, Italien) welche diese aktuelle Krise ausgelöst haben. Und die andere hat uns Herr Clinton einbebrockt.
Alice Gabathuler meint
Ich wäre auch hingegangen, sehr gerne sogar, aber ich war beruflich unterwegs. Nennen Sie es Besetzerfolklore, ich nenne es den Ausdruck eines Wunsches nach Veränderung. Das mag naiv scheinen, aber ich habe diesen Wunsch. Und den möchte ich auch ausdrücken. Dazu bleibe ich gerne „Folkloristin“ und naiv. Was mir an der Bewegung gefällt: Sie hat kein Programm. Sie posaunt keine Lösungsvorschläge in die Welt (vielleicht gerade deswegen, weil man sich bewusst ist, dass man zwischendurch zum Bankomaten geht und Kaffee holt), sondern sie fragt nach Antworten nach einem anderen Leben. Es sind Antworten, die auch ich suche, auch hier im vollen Bewusstsein darum, wie widersprüchlich ich mich als Mensch in dieser wachstumsorientierten, konsumwütigen Welt bewege.
M.M. meint
Die haben kein Programm – das erinnert mich sehr stark an den laufenden Wahlkampf. Und was die Lösungsvorschläge anbelangt – na ja, da sind ja einige zu lesen auf den Plakaten.
Ich frage mich, weshalb die Leute immer im Kollektiv ihr Leben ändern wollen.
Mittelmass meint
„Ich frage mich, weshalb die Leute immer im Kollektiv ihr Leben ändern wollen.“
Genial auf den Punkt gebracht! Bravo!
Ich habe eh das Gefühl, dass die Leute irgendwie versuchen ihr (gutes) Leben aufzufüllen mit solchen Aktionen. Wenn man sonst keine Ziele hat belästigt man halt die Anderen.
An A. Gabathuler:
Auf Ihrem Blog steht:
„Weil es so, wie es jetzt ist, nicht weitergehen kann.“
Doch, kann es und wird es.
Alice Gabathuler meint
@Mittelmass:
Wenn es für Sie so weitergeht wie bisher gegangen ist, dann soll es so sein.
Ich und einige Leute in meinem Umfeld haben begonnen, anders zu leben. Für uns passt es. Und wenn es dann halt so weitergeht wie bisher, dann klinke ich mich noch ein Stück weiter aus (auch das habe ich schon begonnen und extrem viel Lebensqualität gewonnen). Die Welt wird sich auch ohne mich drehen.