
Die Gemeindeversammlung hat gestern nach vier Stunden Diskutiererei der Ortskernplanung zugestimmt.
Mit 289 zu 208 Stimmen wurde „der Antrag des Gemeinderats nach mehreren Anpassungen im Detailbereich angenommen“, lese ich in der bz.
Moment mal – mehrere Anpassungen im Detailbereich?
Also ich und alle anderen Nichtbetroffenen sind davon ausgegangen, dass das, was der Gemeinderat gestern präsentiert hat, das ist, was das Gesetz zulässt und die paar Anpassungen, die nach zähen Verhandlungen mit den Liegenschaftsbesitzern vorgenommen wurden, gerade noch machbar seien.
Der Präsident der FDP, Balz Stückelberger, sagte denn auch der Versammlung klipp und klar: „Besser wird es nicht mehr, der Rahmen ist ausgereizt.“
Doch siehe da, das war und ist auch künftig keinesfalls der Fall.
Ich lese mit Erstaunen weiter:
Mehrere Liegenschaftsbesitzerinnen und Liegenschaftsbesitzer aus dem Ortskern beantragten Änderungen zugunsten ihrer Liegenschaften. Ein Grossteil davon wurde angenommen. Es ging dabei unter anderem um Fensterflächen, Flachdächer und Tiny Houses im Garten.
In die Ortskernvorschriften wurden von der Gemeindeversammlung, nachdem also alles längst „ausgereizt“ war, neue, verbindliche und detaillierte Sonderregelungen für einzelne Liegenschaften für „Fenster, Flachdächer, Tiny Houses“ und anderes reingeschrieben.
Hä, einfach so? Ja, einfach so.
Der Clou: Liegenschaftsbesitzer, die sich nicht entsprechend vorbereitet hatten, gucken jetzt in die Röhre und müssen tun, was die Gemeinde vorschreibt.
Dazu nochmals die bz:
Hätten dies alle der insgesamt rund 70 Betroffenen getan, wer weiss, ob von der vorgelegten Ortskernrevision noch viel übrig geblieben wäre.“
Mit anderen Worten muss man es so auf den Punkt bringen: Die Vorlage des Gemeinderates war und ist keineswegs wasserdicht, sondern ganz offensichtlich diskutabel.
Aufgrund der angenommenen Individuallösungen könnte man die Vorlage weniger höflich als „willkürlich“ bezeichnen.
Weil, es kann doch nicht sein, dass der Gemeinderat sich mit den Liegenschaftsbesitzern monatelang wegen Details streitet und danach behauptet: So Leute, das wars. Mehr Kompromiss und Einzelinteressen liegen nicht mehr drin oder wie es Herr Stückelberger von der FDP behauptete, „der Rahmen ist ausgereizt“.
Was keineswegs der Fall war, wie die Gemeindeversammlung demonstriert hat. Und der federführende Gemeindepräsident Markus Eigenmann, auch FDP, nahm das ohne Einspruch so hin.
Ich denke, es gibt nun zwei Wege, die eingeschlagen werden müssen:
Erstens – gegen die Entscheide der Gemeindeversammlung muss beim Kanton juristisch vorgegangen werden (u.a. willkürliche Bevorzugung einzelner Liegenschaftsbesitzer durch die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger) und zweitens: Weil die Abstimmung, anders als von den Parteien und vom Gemeinderat erwartet, recht knapp ausgegangen ist, muss das Referendum ergriffen werden.
Im Übrigen: Die Ortskernplanung muss mit dem neu zusammengesetzten Gemeinderat frisch angepackt werden.
Firedome meint
Ich bin ab dem langen Blogeintrag schon ziemlich erstaunt, wie genau Sie die Vorgänge an der Gemeindeversammlung analysieren können und genau wissen was jetzt zu tun ist. Alles nach dem Lesen eines bz-Artikels. Eigentlich dachte ich, dass Sie selbst vor Ort waren.
M.M. meint
Den Vorgang nennt man „über etwas nachdenken“.
P. Keller meint
Erneut eine Punktlandung von Ihnen, Herr Messmer!