Es geht jetzt öfters die Rede um, unser direktdemokratisches System stosse an seine Grenzen. Komplexe Abstimmungsfragen überforderten den Normalbürger.
Ab und zu beschleicht einen tatsächlich das Gefühl, der bauchgesteuerte Protestbürger habe den informierten Citoyen vom Ruder verdrängt.
Mit der geplanten Spitalfusion kommt eine Abstimmung, die zum Lackmustest für unser System werden könnte.
Weil selbst die Politiker Mühe bekunden, das komplexe Thema zu verstehen.
Nehmen wir als Beispiel den Citoyen Paul Hofer. Der konnte in einem der sieben öffentlichen Anlässe der beiden Gesundheitsdirektoren Engelberger und Weber nicht mehr an sich halten vor Begeisterung: «Ich möchte den Veranstaltern danken für diese hervorragende Präsentation!» Er habe «Lust bekommen, sofort ins Spital nach Liestal einzurücken». Grosses Gelächter im Saal.
Nicht wenige waren peinlich berührt.
Einen Monat später war von der überschwänglichen Begeisterung des Citoyens Hofer nichts mehr zu spüren.
Inzwischen war er in die Rolle des Parteipräsidenten der FDP geschlüpft und als solcher lehnt er die Spitalfusion rundweg ab, was sich auf Politikerdeutsch so liest: «Die FDP Baselland steht diesem Vorhaben sehr kritisch gegenüber.»
Seine Partei will den beiden Regierungsräten einen «Marschhalt» verordnen und fordert eine vertiefte Prüfung der Variante «Privatisierung».
Das tönt doch gut.
Das tönt doch durchdacht.
Das tönt doch nach eigenem Konzept.
Doch da ist nichts.
Ausser dem zwischen den Zeilen versteckten Eingeständnis, dass man erst mit der Vernehmlassung begonnen hat, sich ernsthaft mit diesem Jahrhundertprojekt zu befassen.
Was man als Vorwurf verstehen könnte.
Nein, ist es nicht. Vielmehr ist die Stellungnahme der FDP ein Hinweis darauf, dass Milizparlamentarier und Freizeitparteigänger bei diesem Geschäft schlicht und einfach überfordert sind.
Ihnen fehlt es an Zeit, an Know-how und an Fachleuten.
Wenn die FDP mit dem Roche-Angestellten Sven Inäbnit gerade mal einen «Gesundheitspolitiker» in ihren Reihen weiss – bei der SP Basel-Stadt ist immerhin noch die Direktorin einer Privatklinik mit dabei –, sind es auf der Seite der beiden Kantone rund 100 Fachleute aus verschiedensten Disziplinen, welche seit drei Jahren aus Tausenden Seiten Grundlagenmaterial ein Fusionskonzept destillieren, das drei leicht verständlichen Zielen zu folgen hat: eine optimierte Gesundheitsversorgung, Dämpfung des Kostenwachstums und Sicherung der Hochschulmedizin.
Was derart simpel formuliert ist, als handle es sich um ein Parteiprogramm kurz vor den Wahlen.
Tatsächlich ist die Spitalfusion jedoch ein vielschichtig vertracktes Geschäft, weshalb man aus mindestens hundert verschiedenen Gründen dagegen sein kann; es ist das schwierigste partnerschaftliche Geschäft, das die beiden Kantone je angepackt haben.
Ich bin ja nicht gerade als regierungsgläubig bekannt.
Aber bei dieser Vorlage sind mir die Argumente der Parteien und Parlamentarier einfach egal. Ich werde nicht mehr hinhören.
Denn am Schluss werden sie in den Parlamenten zustimmen, um anschliessend mit irgendwelchen Oppositionsgrüppchen den Teufel an die Wand zu malen.
Sie tragen ja keine Verantwortung.
Das Einzige, was am Ende des Tages zählt, ist Vertrauen. Mein Vertrauen in Lukas Engelberger und Thomas Weber ist derzeit grösser als das in die Baselbieter FDP und die städtische SP.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 18. Oktober 2017
Meury Christoph meint
Als einfacher Bürger wäre es mir lieb, wenn die involvierten PolitikerInnen & GesundheitsexpertInnen endlich von mir, dem Prämien- und Steuerzahler reden würden. Ich will zwar eine gewisse Versorgungssicherheit im Krankheitsfall, aber ich will dafür nicht jedes Jahre eine exorbitante Prämie bezahlen müssen. Das Gesundheitswesen ist ein wild gewordener Markt geworden. Da braucht es Einschränkungen & Korrekturen, um die Kosten wieder in vernünftige und volkswirtschaftlich tragbare Bahnen zu lenken. Es braucht diese Spitalfusion jetzt! Seit Jahren werkelt die Politik am Gesundheitswesen herum, ohne erkennbare Resultate vorzeigen zu können. Es ist also lächerlich, wenn die Parteien jetzt die Vernehmlassung verzögern. Sie hatten genügend Zeit sich einzubringen und Vorschläge zu machen. Otto Normalverbraucher, seines Zeichens geschröpfter Prämienzahler, will jetzt endlich Resultate sehen.