„Okay„, habe ich von Burma aus unserer vietnamesischen Agentur gemailt, „wir buchen ein Dorf.“
Die Sache ist die, dass man als Ausländer nur mit einer Sonderbewilligung und einem Tourguide das zentrale Hochland besuchen darf.
Nachdem wir die Hälfte der vorgesehenen Strecke hinter uns haben, erschliesst sich mir der Sinn dieser Massnahme noch weniger als zuvor.
Will man beim Vorbeifahren einen Abstecher in ein Minderheitendorf machen, kostet das pro Dorf 44 Dollar, benötigt eine zusätzliche Sonderbewilligung und der Besuch muss ausserdem von einem Sonderguide begleitet werden.
Buchen wir das mal unter dem Titel „Arbeitsbeschaffungsmassnahme“ ab.
Nun gut.
Eine ziemlich geschwätzige Dame mit einem eigenartigen Englisch führte uns also heute Morgen durchs Dorf einer sogennanten Minderheit, deren Namen ich mir nicht merken konnte, weil’s wohl auch nicht so wichtig ist.
Die Leute leben gut in diesem Dorf, das man sich als Ansammlung von alleinstehenden, sehr gepflegten Häusern mitten in einer weitläufigen Kaffeeplantage vorstellen muss.
Unser Spezialguide erklärte uns, dass die Leute dem Animismus anhingen und deshalb bei passenden Anlässen ihren Ahnen und Geistern Büffelopfer darbrächten.
Der Wasserbüffel wird an einen Pfosten gebunden, sie zeigte uns den Pfosten vor einem Haus, und dann wird ihm der Kopf abgeschlagen.
Boaaa, dachte ich da, ganz schön brutal.
Einer dieser Geistergläubigen fuhr in dem Moment mit seinem Moped an uns vorbei. Für mich sah der aus wie halt sonst ein Vietnamese auch. Vielleicht eine Nuance dunkelhäutiger.
Höhepunkt und Abschluss des Dorfrundgangs bildete der Besuch des Friedhofs.
Das läuft bei den Animisten so, lernten wir, dass jedes Jahr eine neue Totenhütte eingerichtet wird. Wen jemand stirbt, wird die Grabstätte geöffnet und der eben Gestorbene auf die schon zuvor Verstorbenen des Jahres draufgelegt.
Schliesslich werden diese Toten zehn Jahre lang täglich um die Mittagszeit mit etwas Essen und frischem Wasser versorgt. Jedem Toten wird deshalb dessen Essgeschirr in die Hütte gestellt. Den Rauchern unter ihnen werden Zigaretten angezündet.
Nach zehn Jahren kommt der definitive Abschied.
Jedem Verstorbenen, man ahnt es schon, wird ein letztes Mal ein Wasserbüffel geopfert.
Weil man annimmt, dass es die Verstorbenen in diesen zehn Jahren in den Himmel geschafft haben, überlässt man die Totenhütte von da an dem Zerfall.
Da hatte es übrigens auch dieses Grab aus schwarzem Marmor, für drei Katholiken. Der Älteste ist gemäss Inschrift sage und schreibe 102 Jahre alt geworden. Mögliche Pointe: Und ist danach wohl direkt in den Himmel gekommen, als Bonus fürs lange Durchhalten.
Meine erneute Erkenntnis, dieses Mal für 44 Dollar: Religionen sind mir einfach zu anstrengend, als dass ich mich für eine begeistern könnte.
PS: Religionen in Vietnam gemäss World Fact Book: Buddhist 9.3%, Catholic 6.7%, Hoa Hao 1.5%, Cao Dai 1.1%, Protestant 0.5%, Muslim 0.1%, none 80.8% (1999 census)