Leute, vergesst was ich gestern zum Päckli zwischen Gysin und Wagner geschrieben habe. Wie mir aus verschiedenen Quellen über Nacht zugetragen wurde – arlesheimreloaded scheint so etwas wie die Informationsdrehscheibe der FDP zu sein – hat sich die Sache offenbar anders abgespielt.
Nach dieser Version ist Martin Wagner in die FDP zum einen deshalb eingetreten, weil er seine immer wieder kolportierte Nähe zur SVP endlich loswerden wollte. Diese On-dit-Nähe war schon bei der Übernahme des Szepters bei der BaZ ein Thema und köchelt jetzt wieder hoch, wo der Anwalt im Auftrag der Escor sich um den Zürcher Fernsehsender Tele Züri bemüht.
Zum anderen läuft in der FDP Schweiz eine Aktion, Quereinsteigern mit einem gewissen Bekanntheitsgrad zum einen für die Partei und zum anderen für die Nationalratslisten zu gewinnen.
Der Anstoss zu Wagners Parteimitgliedschaft soll, so wird gesagt, denn auch von Michael Herrmann angestossen worden sein.
Ein durchaus bravouröses Unterfangen.
Denn es ist unbestreitbar, dass mit der Kandidatur Wagner die FDP-Nationalratsliste an Gewicht gewonnen hat. Man kann zu Martin Wagner stehen, wie man will, man kann sich als altgedienter Parteisoldat über die Quereinsteigerkonkurrenz ziemlich frustriert zeigen – doch der FDP konnte in ihrem derzeitigen Zustand nichts Besseres passieren.
Die FDP, die in den letzten Wochen von Rechts und Links vorgeführt wurde, ist seit gestern wieder als ernst zu nehmende Wahlkampfkraft im Rennen.
Interessant an dieser Version, die nachzuprüfen eh nicht möglich ist, weil sie derzeit niemand bestätigt, ist jedoch noch eine andere Sache: Mit der Kandidatur Wagner entsteht nun tatsächlich ein ernsthaftes Gegengewicht zu Hans Rudolf Gysin und nicht nur ein gefühltes, wie die bisherige Kandidatenliste mit mehr oder weniger gewichtigen Hoffnungsträgern versprach.
Denn es ist ein offenes Geheimnis, dass es in der Parteileitung Leute gab und gibt, die eine erneute Kandidatur Gysin nicht unterstützten.
Der vorletzte Woche bekannt gewordene Verzicht von Michael Herrmann auf eine Kandidatur, könnte ein Hinweis auf einen geschickten politischen Schachzug sein, Gysin doch noch Matt zu setzen.
Die Delegierten stehen heute Abend vor keiner leichten Entscheidung. Folgen sie ihrer momentanen Stimmung, lehnen sie die Kandidatur Wagner ab.
Entscheiden sie jedoch mit dem Kopf und rufen sich mal wieder kurz in Erinnerung, dass Politik nur etwas für Leute ist, welche die Hitze in der Küche ertragen, dann müssen sie Wagner auf die Liste setzen.
Auch wenn Herr Gysin heute mit Applaus auf die Nationalratsliste gesetzt wird, es dürfte der letzte Applaus der Partei für ihn gewesen sein. Er wird diesen Wahlkampf nicht mehr dominieren.
Die Kandidaten auf der Liste müssen sich nicht lieben, sondern sich als Konkurrenten begreifen. Nur so gewinnt eine Partei auch Wahlen.
Die FDP braucht 12 % der Wählerstimmen. Das ist machbar. Wir sind nach wie vor der Meinung, dass die neue Mitte nicht den FDP-Sitz gefährdet sondern einer der beiden SP-Sitze.
Pete Brunner meint
Für einmal ein ziemlich unreflektiertes Abfeiern: Wagner hat bei der Baz-Übernahme eine undurchsichtige, um nicht zu sagen, dubiose Rolle gespielt. Ein Mischler in der Medienwelt. Eng verbandelt mit anderen Mischlern. Siehe Kumpane Burgener. Also eindeutig einer aus der alten Garde: Gefertigt aus dem miefigen Stoff der FDP, dem Wirtschafts-Politfilz.
de gustibus non est disputandum meint
Wunderbar, wieder einmal Truman’s „if you can’t stand the heat, get out of the kitchen“ (frei abgeändert von M.M.) zu lesen.
Daran sollten sich auch einige gestandene PolitikerInnen ein Beispiel nehmen.