Sloterdijk schreibt, dass moderne Häuser „Haltestellen“ sind – genauer: „Warteräume, in denen man die Zeit bis zum Eintreten eines mit Bestimmtheit vorweggenommenen Ereignisses verbringt.“
Dieser Befund trifft ganz sicher auf Hotels zu; Hotels sind in der Tat Haltestellen, die, ist man bereit oder besser: ist man in der Lage, den geforderten Preis zu bezahlen, durchaus komfortabel sein können.
Wobei sich der Komfort in einem Land wie Indien nicht allein in der Ausstattung des Zimmers oder in der Reichhaltigkeit des Frühstücksbuffets ausdrückt – unter vielem Anderen Bonne Maman-Confitüre (ja, die von Coop) statt diese auch bei bestem Willen geschmacklich nicht zu verortende, rot-süsse All-India-Hotel-Jam der letzten Wochen (wie sie in unser Vokabular Eingang gefunden hat) – sondern durch den in sauberes Khaki gekleideten Wachmann am Tor zum Meer.
Er ist der Türsteher zwischen denen da draussen und uns hier drinnen. Wohlstand schützt sich überall mittels Mauern und Gräben. Manchmal – wie bei uns das Mittelmeer – liegt so ein Schutzgraben ausserhalb unserer Sichtweite, was wir als angenehm empfinden, weil wir ihn, allgegenwärtig, nicht zur Kenntnis nehmen müssen.
Nach einer Stunde dem Strand entlang, mit den billigen Buden, den dicken männlichen und voll-vollbusigen weiblichen Russen, herrenlosen Hunden, einem Schwarm indischer Touristen, die sich für eine Fotosession am Strand eine blonde Touristin gekapert haben, ersten Verkäufern von irgendwelchem Unsinn – kurz, nach einem ausgiebigen morgendlichen Spaziergang den sich am Sandufer sanft brechenden Wellen entlang, sind wir noch einmal und abschliessend zur Überzeugung gelangt, dass der fünffache Preis des sonst für eine Übernachtung bezahlten Betrags in jeder Hinsicht gerechtfertigt ist.
Wobei man ja beim „Vivanta by Taj“ in Goa, anders als bisher, nicht fürs blosse „Übernachten“ den ausgehandelten Preis bezahlt, d.h. ein Bett nebst Dusche gegen vier neue 500er-Rupienscheine aus der ATM-Maschine tauscht, sondern einen elektronisch, übers Internet per Kreditkarte übermittelten, somit nicht diskutierbaren Fixpreis für eine Fülle an „Aufenthaltsoptionen“ (Sloterdijk) bezahlt.
Weil wir jetzt nicht mehr in Chais rechnen, sondern wieder in Schweizer Franken, relativiert sich überdies die Verfünffachung zum hier üblichen „Günstig“.
Will man zurück zur „Komforthaltestelle“, muss man noch draussen vor dem Tor seinen individuellen Code aufsagen, in unserem Fall “ four-one-eight“, dann öffnet der Türsteher höflich lächelnd das Vorhängeschloss.
PS: Aufmachertitel auf der Frontseite der „The Times of India“ zur Hinrichtung des Terroristen Allah Kasam: „A Puppet’s Life Ends On A String“