M.M. /h.s. Die letzten Tage vor der Wahl im Kanton Baselland. Wir wagen erneut eine Prognose, dieses Mal für den Regierungsrat:
Es könnte Isaac Reber reichen.
Es sind vier zentrale Faktoren, die für den Grünen sprechen:
- Die Wahlbeteiligung wird tiefer sein als letzes Mal (36 %, 4 % höher als normal), weil zum einen bürgerliche Protestwähler dieses Mal nicht wählen gehen und zum anderen vom bürgerlichen Lager kein letzter Akzent gesetzt wurde. Das nützt erfahrungsgemäss der Linken.
- Isaac Reber ist dieses Mal der Kandidat mit dem höchsten Sympathiewert (letztes Mal war es Ballmer, was diesem überdurchschnittliche 40’000 Stimmen brachte).
- Im Schnitt werden weniger als vier Linien ausgefüllt, was bedeutet, dass kein Lager sein Paket unverändert durchbringt.
- Reber braucht lediglich 5’000 bis 6’000 Stimmen mehr als letztes Mal, das sollte drinliegen.
Erinnern wir uns kurz an die Wahl vor vier Jahren. In einem Anfall von Wahnsinn (?) sagte die BaZ eine Links-Grüne Mehrheit im Regierungsrat voraus. Die Voraussage erfolgte nach einer wochenlangen Berichterstattung über den Ehemann von Frau Pegoraro, was vom bürgerlichen Lager als Kampagne gedeutet wurde.
Die BaZ-Prognose was das Signal an die Bürgerlichen, dass jetzt mobilisiert werden muss. Das gelang, mit dem Ergebnis, dass die Wahlbeteiligung um 4 % in die Höhe schnellte.
Das hat denn nicht nicht nur den beiden FDP-Vertretern genützt, sondern vor allem dem CVP-Mann Zwick und dem SVP-Kandidaten Krähenbühl. Letzterer war mit dem knappst möglichen Ergebnis gewählt worden. Das absolute Mehr hatte auch Eric Nussbaumer erreicht, flog aber als überzählig aus dem Rennen. Mit 27’000 Stimmen war er gefährlich nahe an Jörg Krähenbühl herangerückt. Mit gut 20’000 Stimmen holte sich Isaac Reber ein Achtungsergebnis.
Mit der tieferen Wahlbeteiligung braucht es bei dieser Wahl 26’000 Stimmen für einen Regierungssitz, tausend Stimmen weniger als letztes Mal.
Auch dieses Mal kommt es zunächst einmal auf die Stammwähler an. Und bei diesem Segment haben die Bürgerlichen ein Problem. Denn weder kann man als bürgerlicher Wähler von dieser Regierung begeistert sein, noch ist es der Büza in den letzten Tagen gelungen, endlich ihr Lager zu mobilisieren.
Und dann sind da noch all die Denkzettel, die man dieses Mal im bürgerlichen Lager verteilen will.
Gehen 4 % bis 5 % weniger an die Urnen, von was wir ausgehen, kann es für die schwächsten der Bürgerlichen, den SVP-Mann Jörg Krähenbühl und den CVP-Kandidaten Peter Zwick eng werden.
Nicht gesichert ist jedoch auch die Wahl von SP-Regierungsrat Urs Wüthrich. Profitierte er in den letzten Wahlen von einem intakten Image, so ist er jetzt mehr als angeschlagen. Das ist nicht unerheblich. Im Bezirk Arlesheim hat letztes Mal jeder siebte Wähler Adrian Ballmer und Urs Wüthrich auf den selben Wahlzettel geschrieben!
Wüthrich kann demnach mit der Geschlossenheit seiner SP-Wählerschaft zählen, wird dieses Mal jedoch bedeutend weniger Stimmen aus dem bürgerlichen Lager holen.
Und hier kommt nun Isaac Reber ins Spiel: Er ist der einzige Kandidat, von dem man annimmt, er könne etwas ändern. Das ist die Schmierseife, die es für erfolgreiche Wahlresultate braucht. Und wie man inzwischen auch bei der Gewerbekammer in Liestal weiss: Isaac Reber ist auch für bürgerliche Wähler eine Wahl.
Der Atomwerkzwischenfall in Japan wird hingegen keine grosse Rolle mehr spielen.
Wir gehen davon aus, dass Isaac Reber gut und gerne 5’000 bis 6’000 sogenannte Crossstimmen machen wird und dazu noch stärker im SP-Lager gestützt wird. Das würde bedeuten: Der Mann ist gewählt.
Doch wer muss nun unserer Meinung nach möglicherweise über die Klinge springen?
Wir sehen das Gefährdungspotenzial in folgender Reihenfolge: Zwick, Wüthrich, Krähenbühl.
Der Sitz des CVP-Kandidaten Zwick wackelt am heftigsten. Da ist zum einen der obere Kantonsteil. Dort wurde Peter Zwick das letzte Mal gar nicht gewählt. Und dort spielt Isaac Reber ein Heimspiel.
Zum anderen ist er aus der bürgerlichen Riege der profilloseste Kandidat. Sein einziges Thema, der Neubau des Bruderholzspitals, lockt nun niemanden hinter dem Ofen hervor. Kommt die tiefere Wahlbeteiligung noch hinzu, dann liegt Zwick hinter Reber.
Und was macht Zwick? Statt sich anzustrengen, ist er zum Ärger seiner Partei in die Ferien verreist.
Eng kann es aber auch für Urs Wüthrich werden. Ihm werden die Stimmen aus dem bürgerlichen Lager fehlen. Aus dem Sympathieträger ist ein Buhmann geworden.
Und Jörg Krähenbühl? Entgegen dem selbstgefälligen Brustklopfen der SVP ist kein Kandidat derart auf die Stimmen der Anhänger der anderen bürgerlichen Partgeigänger angewiesen, wie der jeweilige Kandidat der Konservativen.
Das war schon immer so und wird auch immer so bleiben.
Regierungsratswahlen sind Persönlichkeitswahlen und in diesen hat die SVP überall und immer schlechte Karten. Was Krähenbühl retten könnte, ist der Umstand, dass er ein Netter ist.
Nochmals: Zwick und Krähenbühl müssten nur 3’000 bis 4’000 Stimmen weniger machen und sie hätten ein echtes Problem.
Nicht gefährdet sind Adrian Ballmer und Sabine Pegoraro. Ballmer bringt ein genügend grosses Polster mit, um den erwarteten Stimmenrückgang aufzufangen. Und Frau Pegoraro ist dieses Mal aus der Schusslinie.
Deshalb sagen wir: Isaac Reber könnte es im ersten Wahlgang schaffen. Denn so viel ist sicher: Es wird keinen zweiten Wahlgang geben.
PS: Unter Umständen könnte die Abwahl des CVP-Kandidaten Zwick ein Problem lösen. Für die CVP. Denn fliegt sie jetzt aus der Regierung, ist sie nach einem vorzeitigen Rücktritt von Adrian Ballmer, mit dem fest zu rechnen ist, wieder drin. Die FDP verliert mit diesen Wahlen den Anspruch auf einen zweiten Sitz. In einer solchen Konstellation würde die SVP garantiert keinen zweiten Sitz machen.
claude longchamp meint
lieber manfred
ich sachen grüne wirst du ja immer realistischer, gratulation.
bei den andern leiden deine einschätzungen ein wenig, wüthrich und zwick wurden doch mit bravur bestätigt.
h.s. meint
Herr Longchamps, wenn Wüthrich und Zwick gegenüber vor 4 Jahren massiv Stimmen einbüssen und 10% der Baselbieter „none of the Above“ wählt, kann man das nicht mit Bravour betiteln. Ich glaube, dass im Baselbiet eher ein Spiel der Zwerge stattgefunden hat. Der Kleinste verliert.
h.s. meint
Bravour heisst also:
Zwick -2’000 Stimmen
Wüthrich – 4’000 Stimmen
Zur Vergleich
Pegoraro -200 (letztes Mal Ehegatte-Problem)
Krähenbühl -3’750
Ballmer -13’500
Entschuldigung, aber dass ist eine Abstrafung. 10% der Baselbieter wollte keiner von da oben.
Andreas Kyriacou meint
Nicht schlecht, die Prognose – wenn sie auch bezüglich Wackelsitze nur teilweise richtig war: Nicht Wüthrich oder Zwick sondern Ballmer muss bis zuletzt bangen, ob’s für Rang 5 reicht.
Klaus Kirchmayr meint
Ich bin mir nicht so sicher, ob die Wahlbeteiligung tatsächlich tiefer sein wird. Mit GLP und BDP buhlen zwei zusätzliche Parteien um die Wähler und bei den Regierungsratswahlen gibt es einen Drei- anstatt einen Zweikampf. All dies dürfte mobilisierend wirken.
M.M. meint
Wir haben den Hinweis aus einer repräsentativen Gemeinde, wonach der Rücklauf an Stimmcouverts in der ersten Woche bemerkenswert tief war.
Gleiches hat auch die Büza festgestellt und deshalb letze Woche einen Brief an mehrere tausend Empfänger geschickt (Gysins Stalinorgel). Der zuständige Mann mit langjähriger Abstimmungspraxis meinte, dass dieser Rückstand erfahrungsgemäss nicht mehr aufgeholt wird.
Die Wahlbeteiligung bei Regierungsratswahlen lag in den letzten Jahren um die dreissig Prozent. Die 36 % vom letzten Mal waren ein Ausreisser nach oben.
Osservatore Profano meint
De profundis Argoviae melde ich mich mit einem Kommentar.
Die Prognose, Isaac Reber, betreffend, finde ich korrekt, und sein Leserbrief in der heutigen BaZ beweist, dass er es nicht nötig hat, den Leuten nach dem Mund zu reden, auch nicht in der dornenvollen Spitalpolitik.
Weniger einverstanden bin ich mit der Behauptung, Urs Wuethrich könne nicht auf bürgerliche Stimmen rechnen. Immerhin hat er in der letzten Legislaturperiode bewiesen, dass er für unbequeme Entscheide der Regierung loyal den Kopf hinhält, etwa als es um Klassengroessen ging, und er kann den Erfolg der Harmos-Vorlage auch als persönlichen Erfolg verbuchen. Dem Identitaetskrisengebeutelten Kanton Baselland tut dieser bodenständige Berner gut, weil er keine Huelftenschanz-Neurose hat.