Na klar doch. Die Initiative «für die Einführung eines bedingungslosen Grundeinkommens» wird in der Volksabstimmung nicht den Hauch einer Chance haben, gewonnen zu werden. Zu utopisch, zu sozialistisch, ach was: Zu kommunistisch ist das Anliegen, mit einem Grundeinkommen «der ganzen Bevölkerung ein menschenwürdiges Dasein und die Teilnahme am öffentlichen Leben zu ermöglichen».
Die Meinungen sind somit weitgehend gemacht: So ein Grundeinkommen vom Staat ist eine milliardenteure Subvention für Faule und Penner.
Nun ist es ja nicht so, dass es niemanden in diesem Land gibt, der über ein bedingungsloses Einkommen verfügt. Wer die AHV am 1. jeden Monats überwiesen bekommt, gehört zu den glücklichen Bezügern eines Einkommens, das mit keiner weiteren Verpflichtung verknüpft ist. Dann sind da Zehntausende weitere in diesem Land, denen der Staat ein Einkommen mit Auflagen und Erwartungen garantiert, also zum Beispiel Bauern, Arbeitslosen oder Sozialhilfebezügern.
Erwähnen können wir noch all die Empfänger von Beihilfen, Prämienverbilligungen, Stipendien und so weiter. Und schliesslich die Steuerbefreiten: Familien mit einem Einkommen von 66 000 Franken zahlen in Basel keine Steuern (Liestal: 64 000 Franken), weil dies, wie Frau Herzog unlängst erklärte, «dem Verfassungsprinzip der Besteuerung nach der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit» entspreche. Dieses weitverzweigte Netz von – im weitesten Sinn – Ausgleichszahlungen bürokratisch zu verwalten, hat seinen Preis.
Und trotzdem wird auch dieses System hintergangen, wird missbraucht und von nicht wenigen Schmarotzern, wie wir Woche für Woche in der Weltwoche lesen können, zu deren eigenen Gunsten ausgenutzt.
Aber was spräche denn dafür, dass der Staat allen Bürgern vom Säugling bis zum Greis lebenslang ein existenzsicherndes monatliches Einkommen gewähren würde? Bedingungslos und ohne bürokratischen Aufwand? Die Zukunft.
Ich habe mich letzte Woche über den rasanten Technologiewandel und damit einhergehend mit den Veränderungen der Berufswelt beschäftigt. Dass wir davon ausgehen müssen, dass nach dem Stellenabbau in der Industrie als Nächstes massenweise Jobs im Dienstleistungssektor und in der Administration gestrichen werden. Weil man die Menschen durch Computer und Algorithmus-gestützte Systeme ersetzt. Deshalb stellt sich die Frage, was mit denen geschieht, die unser Wirtschaftssystem nicht mehr braucht. Und das ist eine politische Frage mit ziemlich viel revolutionärer Sprengkraft.
Klar, mit der aktuellen schweizerischen Sozialhilfequote von rund vier Prozent muss sich niemand grosse Sorgen machen.
Die hält man mit allerlei bürokratischen Auflagen in Schach. Und auch eine Arbeitslosenquote von aktuell drei und etwas Prozent können die ignorieren, welche noch immer ganz fest daran glauben, dass es nichts Ehrenwerteres gibt, als sich für Einkommen und Firma aufzuopfern. Dass alle anderen Schmarotzer und damit Feinde der Gesellschaft seien.
Doch wenn die Digitalisierung und das weltweit unerschöpfliche Heer von Freelancern die Zahlen in den zweistelligen Bereich steigen lassen – was man bei uns noch immer als undenkbar erachtet –, ist es vorbei mit dem sozialen Frieden. Dann stellt sich die Frage, wie man die 20 Prozent der Gesellschaft, die nicht mehr gebraucht werden, in der Gemeinschaft behält.
Das bedingungslose Grundeinkommen kann die Antwort sein.
Zuerst erschienen in der Basler Zeitung vom 6. April 2016