Wir sind umgeben von Tempeln. Das sind zumeist keine besonderen Bauwerke. Doch sie werden rege besucht. Besonders im Moment. Denn seit Tagen wird ein Fest zu Ehren Ramas gefeiert. Der Unterschied zu sonst liegt darin, dass sich auch der kleinste Tempel eine ziemlich kräftige Beschallungsanlage angeschafft hat. Diese trägt die Rezitationen der Priester aus dem zweiten indischen Nationalepos, dem Ramayana, weit über das sonstige Geviert des Tempels hinaus. Rund um die Uhr für neun Tage. Ich glaube, wir sind derzeit bei Tag vier. So richtig munter werden die Tempeljungs jeweils nach Mitternacht. Dann trommeln und singen sie sich in Ekstase. Und wir drehen uns im Bett.
Irgendwie scheinen uns die Hoteliers zugetan. Auf jeden Fall hat Herr Singh uns eingeladen, mit ihm und seiner Frau heute Abend seinen Tempel etwas ausserhalb von Bundi zu besuchen. Weil wir ja Tempelbesuchen nicht grundsätzlich abgeneigt sind, haben wir zugesagt.
(Die Ehe von Herrn Singh wurde übrigens ebenfalls arrangiert, allerdings erst vor zwei Jahren. Der eigentlichen Eheschliessung geht nicht nur einen eingehende Recherche über die Familie (inkl. der Grosseltern) der Zukünftigen voraus, sondern auch die Konsultation verschiedener Horoskope. Erledigt wird dies von den Eltern des Bräutigams. Herrn Singh, 32, hat man schliesslich das Resultat mitgeteilt. Seit April ist er verheiratet. Weil es in Indien kaum Ehescheidungen gibt, kann man dieser Art der Eheanbahnung doch einen gewissen Erfolg zugute halten. Okay, kein ernst gemeinter Vorschlag. Die Kinderehe, sagt Herr Singh, ist zwar verboten, doch seien beispielsweise die meisten seiner Angestellten bereits verheiratet. Er redet von den 16-, 18-jährigen Burschen, die hier hilfreich rumstehen.)
Wir sind also raus gefahren aus der Stadt zum Tempel der Durga. Das Bild zeigt die Göttin inmitten der Blumen und Kokosnüsse. Es handelt sich um einen unbearbeiteten Stein. Die Sage geht so, dass die Göttin hier in der Gegen einen Halt eingelegt hat und sich den Menschen in diesem Stein gezeigt hat. Wir kennen das ja von Maria, die sich auch mal in einem Frühstückstoast zu Erkennen gibt.
Herr Singh sagte, der Stein sei vierzigtausend Jahre alt. Das Bild unten zeigt die Göttin in Aktion, wie sie einen Dämon bekämpft. Immer wenn sie ihm einen Kopf abgeschlagen hat, wächst ein nächster nach. Sie besiegt ihn dann doch noch, in dem sie ihm einen Pfeil direkt in den Bauch schiesst, die einzige tödliche Stelle. Die Geschichte ist quasi ein Mix zwischen der Hydra und unserem Siegfried.
PS: eben ist Stromausfall. Ruhig ist’s.