Wahrscheinlich habe nicht nur ich meine liebe Mühe, zu verstehen, was eigentlich los ist in Frankreich.
Die Gelbwesten-Revolte, es handelt sich wohl kaum mehr um Demonstrationen, beschränkt sich nicht nur auf Paris, sondern hat das gesamte Land erfasst.
Man reibt sich als Schweizer Untertan, dem ja auch einiges Punkto Öko-Abgaben zugemutet wird, die Augen, dass wegen den paar Euro-Cents auf den Benzin- und Dieselpreis Hunderttausende auf die Strasse gehen und das Land an den Rand eines Bürgerkriegs(?) treiben.
Nein, ich kapiers wirklich nicht ganz.
74 Prozent der Franzosen sollen gemäss Umfragen die Aktionen der Gilets-Jaunes gutheissen.
Mal abgesehen davon, dass in Frankreich „Jacquerien“ die auch mal zu einem Umsturz führen können, zur Folklore gehören, ist der Anlass – Spritpreiserhöhungen zwecks Dämpfung des Klimawandels – thematisch die zeitgemässe Variante.
Da prügeln sich offenbar Leute mit der Staatsmacht, weil ihnen das eigene Auto näher zu sein scheint, als mit ein paar Euros die Welt vor dem Untergang zu retten.
Damit hat in Europa wohl niemand gerechnet. Schon gar nicht die Politiker des Pariser Abkommens.
Seine eigene Qualität erhält dieser Massenprotest aus der Logik der sozialen Medien: spontan, führungslos, dezentral, fokussiert und breit abgestützt.
Dazu kommt, dass sich inzwischen jede Menge Leute mit Freude an sinnloser Gewalt mittun – Fussball-Hooligans, Frustierte aus den Banlieues – eine explosive Mischung.
Jetzt fehlen eigentlich nur doch die hämischen Tweeds von Donald Trump.
PS I: In Bern wurde auch in Sachen Klimawandel demonstriert, „über tausend Menschen“ haben mit Trillerpfeifen und Pfannendeckeln Klimaalarm geschlagen.
PS II: In Arosa haben sie erneut die Schneekanonen angeworfen, weil der grossse Schnee letzte Nacht ausgeblieben ist.
Andere Gegenden, andere Sitte.
Tim Meier meint
Städtereisende aus der ÖV-verwöhnten Basler Agglo können nicht verstehen, dass es ausserhalb von Paris auch noch Franzosen gibt, die sich mit weit weniger durchschlagen müssen und nicht an den Ablasshandel mit den Öko-Angaben glauben?
U. Haller meint
Studiert man die Charta der Gilets Jaunes, kommt man zum Schluss, dass da von allem etwas vorhanden ist, Sozialismus, Nationalismus, freiheitliche Gedanken, doch letztendlich geht das Ganze nie und nimmer auf. Hier zur Illustration ein Ausschnitt (gekürzt) aus besagter Charta: Aufstockung des SMIC, Neubau von 5 Mio. Wohnungen zwecks Senkung der Mieten, Zerschlagung grosser Banken, um sie gegen Krisen resistenter zu machen, Umschreibung der Verfassung durch das Volk, Frexit, Verbot der Privatisierungen und Verstaatlichung der Autobahnen, Flughäfen, SNCF, Neuordnung des Unterrichtswesens, kostenlose Prozesse, Zerschlagung der Zeitungsmonopole, Verbot der Einmischung des Staates in Erziehung, Gesundheit und Familie, Verbot von Plastikflaschen und Pestiziden, Abbau von Importen und Reindustrialierung Frankreichs, Austritt aus der NATO, Rückgabe von Potentatengeldern an Afrika, Eindämmung der Migration angesichts einer zivilisatorischen Krise, etc.
Glob2018 meint
Trotz Ihrer allumfassend Einschätzung, sehr geehrter Herr Haller: dieser Aufstand ist eine der interessantesten, bemerkenswertesten, spannendsten Revolten der letzten Jahre. Sie weckt ebenso (übertriebene) Hoffnung wie (verständliche) Furcht, je nachdem, wie diese Gratwanderung ausgehen wird. Da könnten Liberale und Globalisierungsfreunde wie Sie viel lernen, beim genauen Hingucken und selbstkritischen Nachdenken.
Peter Braun meint
Das Klima, die Welt retten! Einfach vergessen. Das klappt nie und nimmer. Zu viele Breitbandidioten sitzen in in den entscheidenden Gremien weltweit. Selbst wenn es technisch möglich wäre – was ich bezweifle — würde es nie klappen. Anzünden finden die einfach lustiger als löschen. Das können die auch viel besser. Und macht den Verrückten auch sichtlich Spass. PACK!!
Robert Schiess meint
Ich kapiers. Wenn Du in einem Patlin (kleines Dorf) auf dem Lande wohnst, hat Du in Frankreich keine oder nur wenige öffentliche Verkehrsmittel. Dh. Du bist auf das Auto angewiesen, was wir übrigens auch in Basel beobachten können: Noch vor dem 2. Weltkrieg war das Elsass mit Bahnlinien erschlossen, heute nicht mehr. Nur die grossen Zetren sind miteinander verbunden: Basel-Mulhouse-Colmar-Starassbourg oder Basel -Mulhouse-Altkirch-Belfort.
Und dies ist das Problem in Frankreich: Der Wasserkopf Paris schafft es sogar, das Elsass ganz abzuschaffen………..
Daniel Schneider, Muttenz meint
Die Gilets-Jaunes-Demonstrationen sind nicht nur wegen der Spritpreiserhöhung in die Gänge gekommen. Es ist die allgemeine Unzufriedenheit des Volks gegenüber dem Staat, welcher mit seiner enormen Verwaltung immer mehr Kosten verursacht, ohne erkennbare Gegenleistung für das Volk.
In den letzten Jahren sind – vor allem in Europa, aber auch in der Schweiz – die Stellen im öffentlichen Bereich gegenüber der Privatwirtschaft überproportional gewachsen. Die Systeme scheinen analog zu Griechenland zu kippen respektive sind durch die geleisteten Arbeiten in der Privatwirtschaft kaum mehr finanzierbar. Wenn wir so weiter machen, müssen wir uns nicht wundern, wenn kurz- bis mittelfristig die Gilets-Jaunes-Bewegung auch auf andere Länder in Europa übergreift.
Die Gilets-Jaunes-Bewegung hat meines Erachtens also rein gar nichts damit zu tun, dass dem Volk das Auto näher zu sein scheint, als mit ein paar Euros die Welt vor dem Untergang zu retten. Es steht viel mehr auf dem Spiel! Im Mittelalter hat sich das Volk gegenüber der Obrigkeit aufgelehnt, weil es nicht mehr bereit war, den Zehnten abzugeben. Heute geben wir mehrere Zehnten unseres Einkommens der Obrigkeit ab. Das endet zwangsläufig in einer Unzufriedenheit. Die Gilets-Jaunes-Bewegung ist erst der Anfang zu einer noch heftigeren Auflehnung gegenüber den Staatsapparaten. Ich bin mal gespannt, wie sich die Sache in nächster Zeit entwickeln wird.
Franz meint
Naja.
Das Volk – auch die Gelbwesten – sind halt auch nicht sehr produktiv mit ihren 35 Stunden.
Und wenn man wie am EAP beobachten kann wie sie sich ins Zeug legen.
Auweia….