Die Chinesen denken und handeln in ganz anderen Zeiträumen als wir Europäer. Wenn man älter wird, dann wird man auch als Europäer ein wenig zum Chinesen.
Weil man feststellt: Der Verlust von gestern ist der Gewinn von heute.
Oder umgekehrt.
Es war kurz nach Mittag am Freitag, 5. Februar 2010. Matthias Hagemann sass im Zug nach Zürich, als mich seine SMS erreichte. Er sei unterwegs zur NZZ und gebe mir am späteren Nachmittag über das Ergebnis Bescheid.
Zwei Wochen zuvor hatte er mich in seinem Büro in die Verkaufspläne seiner Familie eingeweiht und mich mit der Kommunikation des Verkaufs betraut.
Zwei Varianten waren möglich: Zum einen der Verkauf des Unternehmens an Tito Tettamanti und zum anderen an die NZZ. Die Familie Hagemann bevorzugte die Variante NZZ, wohl auch in der Hoffnung, diese werde weniger Staub aufwirbeln. Ich plädierte in diesem Gespräch für die Variante Tettamanti.
Nicht, dass ich den geringsten Einfluss gehabt hätte, aber mir schien diese Variante die interessantere, weil hier einer Besitzer der Zeitung würde, der nicht aus dem Druckgeschäft kommt, dem es also allein um die Publizistik geht.
Dagegen wollen Schweizer Verleger schon seit 200 Jahren nichts anderes, als ihre teuer angeschafften Druckmaschinen auslasten. Die BaZ war damals auf Gedeih und Verderb von einem einzigen externen Druckauftrag abhängig.
Am Donnerstag hatte Hagemann die beiden Versionen der Pressemitteilung, die am Montag verschickt werden sollten, abgesegnet. Auf dem Rückweg rief mich Hagemann an. Die Verhandlungen mit der NZZ seien im letzten Moment gescheitert. Jetzt gehe das Unternehmen an Tito Tettamanti. Der Rest der Geschichte ist bekannt.
Deshalb zurück zu den Chinesen.
Letzte Woche haben die NZZ und die AZ-Medien die Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens bekannt gegeben, in das die NZZ ihre Regionalmedien und die AZ ihre Zeitungen samt zugehörigen Onlineportalen einbringen werden.
Plus die Druckereien!
Wenn ältere Herren versuchen, etwas Neues anzustossen, dann wollen sie damit Geschichte schreiben.
Immer.
Weil ihnen die Zeit davonläuft. So sagten denn auch AZ-Besitzer Wanner und NZZ-Verwaltungsratspräsident Jornod an ihrer Medienkonferenz, sie schrieben jetzt gerade Geschichte.
Doch ganz ohne diesen pathetischen Firlefanz: Die neue Mediengruppe ist von der Realität diktiert.
Die NZZ hatte noch nie eine Strategie für ihre Regionalblätter und die AZ-Gruppe ist an der Grenze ihres Wachstums hart aufgeschlagen.
Auch in Basel.
Die Verleger wollen es noch immer nicht wahrhaben: Das Rascheln des Zeitungspapiers ist ein Geräusch, das verschwinden wird.
Konkret bedeutet die Fusion, dass eine Zentralredaktion respektive ein Newsroom für alle Titel und das gemeinsame Onlineportal eingerichtet wird und die Zahl der Mitarbeiter in den Regionalredaktionen nach unten normiert wird.
Von den 2000 Arbeitsplätzen werden, wenn es gut kommt, noch 1000 übrig bleiben. Sonst macht das Ganze wenig Sinn.
Wäre das im Februar 2010 anders rausgekommen, hätte die Veranstaltung letzte Woche für die bzBasel das Aus bedeutet und ausser dem Titel wäre auch von der Basellandschaftlichen Zeitung nichts übrig geblieben.
Basel hätte nur noch ein Monopolblatt aus Aarau.
Die wohl für viele unbequeme Wahrheit: Dank Herr Blocher wird es in Basel auch künftig zwei Tageszeitungen geben.
Zuerst erschienen in der Baser Zeitung vom 13. Dezember 2017
Michael Przewrocki meint
Spielt doch absolut kein Rolle wieviele Zeitungen. Alle werden mehr oder weniger von Millio-und Milliardären gesponsort egal welcher Politkrichtungen. Vermutlich sogar mehrere von denselben!
h.s. meint
Da hat M.M. recht. Es ist sehr bedauerlich, dass die Zeitungen nicht „Milieuorientiert“ zusammen gegangen sind, sondern dass der Kantönligeist obsiegt hat. Es wäre doch wirklich toll, wenn es heute eine Allgemeine Zeitung der Linken, eine Nationale Zeitung der Rechten, freisinnige AZ-Medien und eine Handelszeitung NZZ sowie ein katholische-mitte Zeitung hätte. Dazu natürlich noch eine Boulevardzeitung.
Arlesheimreloadedfan meint
@ h.s. zur Abwechslung bin ich mal für den Kantoenligeist.